Politik

Konkurrenz ausgebootet – wie Konrad Adenauer erster Kanzler wurde

Am 15. September 1949 wurde Konrad Adenauer zum ersten Kanzler der Bundesrepublik gewählt. Doch dieser Weg war alles andere als sicher. Der "Fuchs" Adenauer nutzte dabei geschickt politische Tricks, um sich durchzusetzen.
14.09.2024 12:27
Lesezeit: 2 min
Konkurrenz ausgebootet – wie Konrad Adenauer erster Kanzler wurde
Bundeskanzler Konrad Adenauer (rechts) und Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß (links) in München, 1961. Konrad Adenauer war von 1949 bis 1963 der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (Foto: dpa). Foto: Gerhard Rauchwetter

Friedrich Merz, Markus Söder, Hendrik Wüst – alle könnten nächstes Jahr gern als CDU/CSU-Kanzlerkandidat zur Bundestagswahl antreten, um ins Kanzleramt einzuziehen. Vor 75 Jahren gab es ebenso mehrere Kandidaten in der Union, die Interesse an der Kanzlerkandidatur hatten. Haben Sie schon mal von Friedrich Holzapfel, Hans Ehard oder Hermann Pünder gehört? Dass am Ende Konrad Adenauer erster Kanzler wurde, war keineswegs selbstverständlich.

Auch Holzapfel hätte Kanzler werden können

Besonders Friedrich Holzapfel, ein angesehener CDU-Wirtschaftsexperte, rechnete sich Chancen aus. Er genoss die Unterstützung des evangelischen Flügels der Partei und war deutlich jünger als der 73-jährige Adenauer. Bei der Bundestagswahl am 14. August 1949 trat die CDU/CSU ohne offiziellen Spitzenkandidaten an. Viele gingen eher von einem Sieg der SPD unter ihrem charismatischen Vorsitzenden Kurt Schumacher aus. Doch die Union erreichte 31 Prozent und lag damit knapp vor der SPD, die 29 Prozent erzielte.

Nach der Wahl lud Adenauer, der einstige Vorsitzende des Parlamentarischen Rates, einige Parteigrößen in sein Haus in Rhöndorf bei Bonn ein. Dort übernahm er als Gastgeber die Kontrolle. Der als knauserig geltende "Fuchs" – so genannt wegen seiner politischen Cleverness – zeigte sich diesmal äußerst großzügig: „Überwältigender Eindruck für uns Großstädter war ein Buffet von solcher Fülle, wie ich es bei Adenauer noch nie erlebt habe“, erinnerte sich der spätere bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß. Auch die Weine dieses schwülen Sommertages wurden von Strauß gelobt: „Weine, wie ich sie in meinem Leben nie getrunken hatte.“

Adenauer ernennt sich selbst zum Kanzlerkandidaten

Nachdem alle gesättigt und ermattet in den Sesseln saßen, verkündete Adenauer, dass aus den Reihen der Partei an ihn herangetragen worden sei, er solle sich als Kanzlerkandidat zur Verfügung stellen. Welche Parteikreise das waren, blieb im Unklaren. Ehe jemand reagieren konnte, erklärte Adenauer bereits, dass er seinen Arzt konsultiert habe und für zwei oder drei Jahre das Amt ausüben könne. Den Gästen blieb nichts anderes übrig, als dem Vorschlag zuzustimmen. Adenauers spätere Aussage, er sei von der Nominierung „überrascht“ worden, glaubte ihm niemand.

Sein Enkel, der ebenfalls Konrad Adenauer heißt und heute 79 Jahre alt ist, erzählte der Deutschen Presse-Agentur, dass damals die ganze Familie half, die rund 20 Gäste zu bewirten. „Sie mussten im Wohnzimmer und Esszimmer untergebracht werden, das Haus ist ja nicht sehr groß“, berichtet er. „So wurde alles beschlossen, und es ging los.“

Adenauer setzte sich zudem mit der Forderung durch, eine Koalition mit der FDP einzugehen und keine Große Koalition mit der SPD zu bilden, wie es Teile der CDU befürworteten. Am 15. September 1949 wurde Adenauer schließlich mit nur einer Stimme Mehrheit – seiner eigenen – zum Kanzler gewählt. Parteifreunde wollen ihn nach der Verkündung des Ergebnisses den kölschen Stoßseufzer „Et hätt noch immer jot jejange“ sagen gehört haben – es werde schon gutgehen.

Der Enkel von Konrad Adenauer erinnert sich an den „Alten“

Dass er sich selbst ins Amt wählte, wurde Adenauer häufig vorgeworfen. Sein Enkel verteidigt ihn jedoch: „Das finde ich selbstverständlich“, sagt er. „Wenn man nicht selbst hinter sich steht, warum sollten es dann die anderen tun?“ Absolute Entschlossenheit und der Wille zur Macht seien zentrale Eigenschaften des „Alten“ gewesen. Auch in seinen letzten Lebensjahren sprach Adenauer oft mit der Familie über Politik, „meist gut gelaunt, humorvoll und in einem ironischen Ton“.

Heute kann man den Ort der „Rhöndorfer Konferenz“ besichtigen: Adenauers Wohnhaus, das bis ins kleinste Detail unverändert blieb, ist mittlerweile ein Museum.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Mulfin Trade hat seine Schutzsysteme für mehr Sicherheit aktualisiert

Der Schutz persönlicher Daten ist einer der Schlüsselfaktoren, die das Vertrauen der Kunden in einen Service beeinflussen. Mulfin Trade...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Der Weltraum als nächstes Schlachtfeld – Europas Sicherheit steht auf dem Spiel
07.06.2025

Der Orbit wird zur neuen Frontlinie geopolitischer Machtspiele. Wie private Satelliten, militärische Strategien und neue Allianzen die...

DWN
Technologie
Technologie Silicon Valley dominierte Big Tech – Europas Chance heißt Deep Tech
06.06.2025

Während Europa an bahnbrechenden Technologien tüftelt, fließt das große Geld aus den USA. Wenn Europa jetzt nicht handelt, gehört die...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Verteidigung der Zukunft: Hensoldt rüstet Europa mit Hightech auf
06.06.2025

Kaum ein Rüstungsunternehmen in Europa hat sich in den vergangenen Jahren so grundlegend gewandelt wie Hensoldt. Aus einer ehemaligen...

DWN
Politik
Politik Trump gegen Europa: Ein ideologischer Feldzug beginnt
06.06.2025

Donald Trump hat Europa zum ideologischen Feind erklärt – und arbeitet systematisch daran, den Kontinent nach seinen Vorstellungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Die wertvollsten Marken der Welt: Top 5 fest in US-Hand
06.06.2025

Während die Weltwirtschaft stagniert, explodieren die Markenwerte amerikanischer Konzerne. Apple regiert unangefochten – China und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Star-Investorin: „Wir erleben eine neue Generation von KI-Gründern“
06.06.2025

US-Chaos, Trump und Kapitalflucht: Europas KI-Talente kehren dem Silicon Valley den Rücken – und bauen die Tech-Giganten der Zukunft vor...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Konjunkturprognose unter Druck: Wie der Zollstreit Deutschlands Exporte trifft
06.06.2025

Zölle, Exporteinbrüche und schwache Industrieproduktion setzen Deutschlands Wirtschaft zu. Die aktuelle Konjunkturprognose gibt wenig...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Internationale Handelskonflikte: So schützen sich exportorientierte KMU
06.06.2025

Ob Strafzölle, Exportverbote oder politische Sanktionen – internationale Handelskonflikte bedrohen zunehmend die Geschäftsmodelle...