Kevin Kühnert hat mit der Umwelt offenbar nicht viel am Hut. Der SPD-Generalsekretär ist ganz und gar Machtpolitiker und hat vor allem den Machterhalt seiner Partei im Blick. Und deren Repräsentanten lieben Autos und gerieren sich – nicht erst seitdem Gerhard Schröder den „Autokanzler“ gab – gerne als Vertreter der Autofahrerpartei Deutschlands.
Umweltpolitisch fragwürdig – damals 2009 wie in 2024
Der Blick richtet sich gen Niedersachsen, wo Ministerpräsident Stephan Weil als Ministerpräsident bei VW im Aufsichtsrat sitzt und die Wut der VW-Arbeitnehmer fürchten muss. Daran muss sich auch der SPD-Wirtschaftspolitiker Sebastian Roloff gedacht haben, der das Maßnahmen-Papier seiner Partei letzte Woche mit formuliert hat. VW hat größte Probleme, ihre Stromer an die Kundschaft zu bringen, woran auch immer das liegen mag. Womöglich an der Qualität oder auch am viel zu hohen Preis.
Pünktlich vor Robert Habecks Autogipfel am Montag in Berlin forderte die SPD „6000 Euro für den Kauf eines Elektro-Autos“ - 3000 Euro, wenn es wenigstens ein Gebrauchtfahrzeug wird. Bevor der grüne Wirtschaftsminister so richtig in Fahrt kommen konnte, hat ihn freilich bereits die FDP wieder ausgebremst. Finanzminister Christian Lindner findet die Sache ziemlich kontraproduktiv und auch „aktionistisch“. Auch der grüne Umweltminister Robert Habeck hat bereits die Handbremse angezogen, er wolle "keine Strohfeuer".
Was sagt in die Industrie? Bei BMW hat man den Vorschlag sogleich als populistisches Manöver entlarvt und winkt ab. „Die deutsche Automobilindustrie braucht keine kurzfristigen, marktverzerrenden Strohfeuer“, teilte ein Konzernsprecher aus München gleichlautend mit und scheint das Schüsselwort bereits implantiert zu haben, für die künftigen Gespräche.
BMW schlägt vor, mehr Geld in die Lade-Infrastruktur zu investieren
Die Infrastruktur zu fördern und im Land endlich flächendeckend Ladepunkte zu installieren, sei viel wichtiger und zielführender. nd, ganz generell, sollte Vater Staat bei den Energiepreisen intervenieren, wo dies möglich ist. Hinter vorgehaltener Hand amüsiert man sich im Süden über die „Lex Volkswagen“. Denn schließlich haben die Hiobsbotschaften aus Wolfsburg die Debatte überhaupt erst entfacht. VW-Chef Oliver Blume muss sparen und erwägt, zwei Fabriken in Deutschland dichtzumachen, weil der Absatz stockt und vor allem chinesische Gäste „zum Speisen mit am Tisch sitzen“, wie Blume es so bildhaft darstellte im Interview beim Sender n-tv.
Auch vor 15 Jahren war die Sache schon reiner Aktionismus, der unter dem Strich nur „reine Vorzieheffekte“ verursacht habe, wie Prof. Felix Rösel von der Uni Braunschweig im Nachhinein bilanziert hat. Selbst entsprechende Studien aus den USA, China und Spanien, die das deutsche Vorgehen nachgeahmt hatten, bestätigten Rösel zufolge den Befund: „Strukturprobleme der Autoindustrie löst man damit nicht.“
Wie lief die Sache damals ab? Zur Erinnerung: Damals musste der Sticker mindestens neun Jahre auf dem Tacho haben – nicht gerade viel für ein mit Diesel oder Benzin betriebenes Automobil. So kam es, dass die Wagen satt sie zu verschrotten nach Osteuropa und die dritte Welt weitergeschoben worden. Das war schon damals nur wenig umweltbewusst, wobei damals erst wenige daran Anstoß nahmen.
Milliarden Zuschüsse für die, die sich Neuwagen leisten können
Als Budget hat die Regierung damals zunächst 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt und angesichts des Andrangs sogleich auf fünf Milliarden Euro aufgestockt. Die Neuzulassungen schossen tatsächlich kurzfristig von 3,1 Millionen im Vorjahr auf 3,9 Millionen nach dem Bonus in die Höhe.
Der Clou: Im Jahr darauf waren es folglich nur noch 2,9 Millionen neue Fahrzeuge – die Sache hat sich in der Tat nur auf der Zeitachse verschoben. Kaum jemand, der sich etwa noch einen Zweitwagen zugelegt hätte, weil das Angebot so verlockend war.
Was damals wirklich am Kfz-Markt passierte, war, dass die Preise für Gebrauchtwagen spürbar anstiegen im Nachhinein. Erschwingliche Gebrauchtwagen verschwanden vom Markt, was bei vielen auf das Auto angewiesenen Käuferschichten zu Zahlungsproblemen führte - nicht jeder kann und will sich gleich einen Neuwagen vom Band oder aus dem gläsernen Hochhaus in Wolfsburg abholen.
Das Hauptproblem schon damals war indessen der umweltpolitische Haken: Zwar freut sich die Umwelt, wenn stinkende Diesel und knatternde Benziner aus dem Stadtbild verschwinden. Dass der Flottenwechsel unterm Strich ressourcenschonend verläuft, so ad hoc, würden vermutlich nicht mal Greenpeace unterschreiben oder Luisa Neubauer von Fridays for Future behaupten.
Heute stellt sich außerdem die Frage: Wer eigentlich das Geld über hat, um die Prämie mitzunehmen? Professor Rösel in Braunschweig nennt es eine bedenkliche Umverteilung von unten nach oben, die da mit Steuergeld gefördert werden soll. Ob das sozialdemokratisch ist, bleibt die Frage.
Kosten müssen runter: VW wirbt per Flugblatt für Sparprogramm
VW hat längst erkannt, dass das mit der Prämie eher nichts wird. Vor dem Start der Tarifgespräche mit der IG Metall fordert der Konzern die Belegschaft jetzt per Flugblatt zu Zugeständnissen auf. „Wir müssen die Produktivität steigern. Wir müssen unsere Arbeitskosten senken.“ Die Aktion in Wolfsburg, Hannover, Braunschweig, Salzgitter, Emden und Kassel erfolgt einen Tag vor dem Start der Tarifgespräche mit der IG Metall. Darin soll es nicht nur um den Entgelttarif gehen, sondern auch um die jüngst von VW gekündigten Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung, zur Übernahme von Auszubildenden und zur Bezahlung von Leiharbeitern.