Dass das Brandenburger Wahlergebnis keineswegs als Erfolg der Bundes-SPD gedeutet werden kann, ist jenseits der Führungsfiguren der Bundes-SPD eigentlich jedem Beobachter klar. Aber ebenso klar und zu erwarten war auch, dass SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert den Erfolg von Dietmar Woidke nutzen würde, um im Ampel-Dauerstreit die FDP mal wieder zur Unterwerfung aufzurufen: Die SPD will das geplante Tariftreuegesetz so schnell wie möglich einführen, die FDP hat das Gesetzgebungsverfahren aber erst einmal angehalten.
Wann kommt der Ampelausstieg?
Nach den – ebenfalls erwartbaren – Ankündigungen von Wolfgang Kubicki über den noch vor Weihnachten fälligen Ampelausstieg seiner FDP, wenn es nicht gelinge, einen „gemeinsamen Nenner“ zu finden, verlangt Kühnert nun „ein klares Wort der FDP-Führung“, also vom FDP-Vorsitzenden und Bundesfinanzminister Christian Lindner.
Und er erinnerte auch konkret an die bevorstehenden Gelegenheiten: Haushalt, Rentenpaket, Tariftreuegesetz. Letzteres könnte noch deutlicher als die erstgenannten die Sollbruchstelle dieser Bundesregierung sein. Denn es ist ein Vorhaben, das die gewerkschaftsnahen Sozialdemokraten, beziehungsweise die SPD- und grünennahen Gewerkschaften selbst, zu einer unbedingten Notwendigkeit erklärt haben. Für die Dienstleistungsgesellschaft Verdi ist es sogar „das wichtigste Projekt der Ampelregierung“, für das man SPD und der grünen Partei erwartet, sich gegen die FDP durchzusetzen.
Tariftreuegesetz schließt Unternehmen und Wettbewerb aus
SPD-Co-Chefin Saskia Esken und Arbeitsminister Hubertus Heil wollen ein Gesetz durchbringen, das mehr als die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland ausschließt, wenn es um Aufträge vom Staat geht. Was sie Tariftreue nennen, fördert die Gewerkschaften nicht die Unternehmen. Denn sie werden verpflichtet, Tarifregeln einzuhalten, wenn sie sich um einen öffentlichen Auftrag des Bundes bewerben, bei dem es um mehr als 25.000 Euro geht.
Wer für den Staat etwas erledigen will, soll gefälligst Tarifverträge abschließen. Völlig gleich, ob Löhne und Arbeitsbedingungen im Detail bereits durch so etwas wie das Mindestlohn- oder etwa das Entsendegesetz geregelt sind – nein, ein Tarifvertrag soll künftig ausschlaggebend sein. Die Tarifautonomie, die bewusst die Möglichkeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer beinhaltet, keine Tarifverträge abzuschließen, interessiert sie auch nicht.
Bürokratiemonster: Was das bedeutet
Das Tariftreuegesetz besagt, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden dürfen, die ihren Beschäftigten Löhne zahlen und überhaupt Arbeitsbedingungen bieten, wie sie in einem Tarifvertrag der jeweiligen Branche üblich sind.
Dabei geht es unter anderem um die Bauindustrie und die milliardenschweren Investitionen des Bundes in die Sanierung von Autobahnen und Schienennetz. Im Vergaberecht ist festgelegt, dass die öffentliche Hand immer den günstigsten Anbieter beauftragen muss – und da soll das Tariftreuegesetz dazu beitragen, dass der Kostenwettbewerb zwischen den einzelnen Anbietern nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird, also durch Lohndrückerei.
Ein Tariftreuegesetz würde dabei auch für Subunternehmen gelten, der Hauptauftragnehmer muss also auch alle anderen beteiligten Firmen verpflichten, den Tarif einzuhalten – sonst können Strafzahlungen fällig werden oder es droht in besonders schweren Fällen sogar der Entzug des öffentlichen Auftrags.
Das ist zumindest die Theorie. In der Praxis fällt es öffentlichen Auftraggebern oft schwer, überhaupt Unternehmen zu finden, die ihre Bauaufträge übernehmen, weil die Branche mit Fachkräftemangel und steigenden Baustoffpreisen kämpft. Das heißt: Ein einmal abgegebenes Angebot für einen Auftrag kann später für das Unternehmen möglicherweise überhaupt nicht mehr lukrativ sein.
Klientelpolitik
Das Tariftreuegesetz soll auf den letzten Metern der SPD-Regierungszeit trotzdem noch Wirklichkeit werden. Sind sie doch der Meinung, dass tarifgebundene Unternehmen langfristig erfolgreicher sind. Nur das in Deutschland eine knappe Mehrheit (51 Prozent) aller Arbeitnehmer 2023 einen Job ohne Tarifvertrag hatte – laut Statistischem Bundesamt.
Die Entwicklung der Tarifverträge in Deutschland zeigt einen langsamen, aber stetigen Trend nach unten. Im früheren Bundesgebiet galt 1998 für 76 Prozent der Beschäftigten ein Tarifvertrag. In Ostdeutschland waren es 63 Prozent. Dagegen ist der heutige Anteil deutlich magerer. Und die Abkehr von der Tarifbindung geht einher mit einem Machtverlust der Gewerkschaften. Die SPD möchte diesen Abwärtstrend aufhalten, aber letztendlich ist ein Gesetz, welches die Gewerkschaften fördert und nicht den Wirtschaftsstandort Deutschland.