Weltwirtschaft

Hidden Champions: 5 Dinge, die Anleger von den unsichtbaren Marktführern lernen können

Lesezeit: 6 min
13.10.2024 12:33  Aktualisiert: 13.10.2024 12:45
Hidden Champions sind meist unbekannte Marktführer in hochspezialisierten Märkten. Gegenüber der Konkurrenz haben sie jedoch entscheidende Stärken, die nicht von ungefähr kommen. Was wir von ihnen lernen können, um selbst ein Hidden Champion zu werden oder uns als solcher zu verbessern, fasst dieser Artikel zusammen.
Hidden Champions: 5 Dinge, die Anleger von den unsichtbaren Marktführern lernen können
Hidden Champions zeigen, wie mittelständische Unternehmen durch gezielte Spezialisierung, innovative Ansätze und starke Kundenbindungen erfolgreich auf internationalen Märkten agieren. (Foto: iStock.com, Jirsak)
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Hidden Champions, wer kennt sie nicht. Der Begriff wurde maßgeblich von dem deutschen Ökonomen Hermann Simon geprägt. Er beschreibt Unternehmen, die in ihrer Branche führend sind, aber im Vergleich zu großen Konzernen kaum öffentlich wahrgenommen werden – Weltmarktführer in einer kleinen Nische. Oftmals familiengeführt, konservativ und über Generationen denkend.

Sie lassen sich überwiegend in Deutschland und dort schwerpunktmäßig im Maschinen- und Anlagenbau finden. Unsichtbar sind sie aber vor allem, weil sie aufgrund ihres B2B-Charakters nicht direkt mit Endkunden in Kontakt stehen. Teamviewer, Bechtle oder Rational sind Beispiele. Unscheinbar sind sie aber auch, weil sie häufig nicht an einer öffentlichen Börse notiert sind, wie die zuvor genannten. Sie müssen also nicht regelmäßig für eine große Interessengruppe publizieren. Herrenknecht, Festo oder Otto Bock gehören zu ihnen. Gerne wird auch das Geld für Öffentlichkeitsarbeit gespart, um es sinnvoller im eigenen Unternehmen zu investieren. Manchmal sind sie aber auch aufgrund ihres direkten Kundenkontakts erkennbar. Namen wie Kärcher sind jedem Deutschen ein Begriff. Genauso wie Birkenstock, Vorwerk, Fielmann oder Haribo. Doch eines haben sie gemeinsam: Alle sind der Konkurrenz einen Schritt voraus und in ihrer Branche das Maß der Dinge.

Trotz ihrer teilweisen Anonymität und mittelständischer Prägung zeigen sie jedoch eindrucksvoll, wie Erfolg auch abseits des Rampenlichts möglich ist. Doch was zeichnet diese Unternehmen aus und welche Erfolgsfaktoren machen sie so außergewöhnlich? Gerade in einer Phase der Deglobalisierung und Deindustrialisierung Deutschlands ist es umso wichtiger, diese Faktoren zu kennen. Einige Kernpunkte lassen sich herausarbeiten.

Hidden Champions fokussieren sich auf Nischenmärkte

Da ist zum einen die Fokussierung auf sehr spezifische Nischenmärkte. Viele Hidden Champions dominieren souverän ihre kleine Subindustrie. Die Spezialisierung ist ökonomisch motiviert: Statt sich auf einem breiten Markt gegen große Konkurrenten zu behaupten, konzentrieren sie sich auf ein klar abgegrenztes Produkt oder eine Dienstleistung, die oft nur eine ganz bestimmte Kundengruppe anspricht. Klein aber fein, so könnte man es auch beschreiben.

Diese Nischenmärkte sind für große Konzerne in Massenmärkten schlichtweg unattraktiv, da ihr Geschäftsmodell auf Kostenführerschaft und Volumenabsatz ausgelegt ist. Der Hidden Champion hingegen setzt auf Kundenverständnis und Innovation. Qualität und Kundennähe gehen vor Massenproduktion. Die geringere Konkurrenz ist dabei nur ein Grund, warum die Fokussierung auf Nischenmärkte so vorteilhaft ist.

Vor allem aber ist in Nischenmärkten aufgrund des geringen Marktvolumens weniger mit Markteintritten anderer Unternehmen zu rechnen, ebenso wie mit ruinösen Preiskämpfen. Die Nischenstrategie bietet damit am Ende eine gewisse Krisenresistenz. Während Großunternehmen von konjunkturellen Schwankungen und globalen Krisen stark betroffen sein können, profitieren Hidden Champions von tendenziell stabilen, spezialisierten Märkten.

Langfristig Denken statt kurzfristiger Gewinnorientierung

Aber auch beim Thema Langfristigkeit unterscheiden sich die Hidden Champions von ihren Wettbewerbern. Sie sind vor allem für ihre klaren Visionen und ihre langfristige Ausrichtung bekannt, was möglicherweise auf die familiäre Prägung der Eigentümer- und Managementstruktur zurückzuführen ist. Hier wird in Generationen gedacht und diese Philosophie spiegelt sich auch in den langfristigen Zielen des Unternehmens wider. Statt sich – wie an der Börse oft üblich – auf kurzfristige Gewinne (Shareholder Value) zu konzentrieren, investieren Hidden Champions kontinuierlich, nachhaltig und vor allem langfristig. Die Ziele sind dabei oft weniger ambitioniert als bei öffentlich notierten Großunternehmen. Statt Renditestreben stehen Kapitalerhalt und Überleben im Vordergrund.

Im Gegenzug besitzt die Forschung einen hohen Stellenwert, ebenso wie die Entwicklung und Verbesserung der Produkte. Ziel ist es, die Wettbewerbsposition langfristig zu sichern. Dabei kommt den Hidden Champions in der Regel ihre familiäre Eigentümerstruktur zugute. Sie bildet das Rückgrat und ermöglicht es, unabhängiger zu agieren und langfristige, auf Jahrzehnte angelegte Strategien zu verfolgen. So werden übrigens auch zukünftige Finanzierungsengpässe, die externen Investoren und Kreditgebern ein Mitspracherecht einräumen würden, vermieden – was gleichbedeutend mit dem Erhalt der Macht im Unternehmen ist.

Ein weiterer Vorteil des langfristigen Denkens der Hidden Champions ist ihre Unabhängigkeit von kurzfristigen Markttrends. Während sich viele Großunternehmen stark von solchen beeinflussen lassen, halten Hidden Champions häufig an ihrer strategischen Ausrichtung fest und konzentrieren sich auf langfristig profitable Märkte. Dieser Prozess verleiht ihnen mehr Stabilität und schützt sie vor übereilten Entscheidungen, die sich am Ende negativ auswirken können.

Aber auch in der Personalpolitik lassen sich Unterschiede feststellen. Die Mitarbeiter sind das Humankapital eines Unternehmens und ein wichtiger Differenzierungsfaktor im Wettbewerb. Hidden Champions legen hier tendenziell großen Wert auf eine eigene Ausbildung und die Bindung ihrer Mitarbeiter. Sie wissen, dass qualifizierte und loyale Fachkräfte ein entscheidender Erfolgsfaktor sind. Durch eine langfristig orientierte Personalentwicklung und eine starke Unternehmenskultur schaffen sie häufiger motivierte Teams, die bereit sind, sich dauerhaft für den Erfolg des Unternehmens einzusetzen. Das lässt sich auch in Zahlen messen: So ist die Fluktuation von Personal laut Hermann Simon bei Hidden Champions mit 2,7 % deutlich geringer als bei Großunternehmen mit 7,3 %. Auch ist die Betriebszugehörigkeit länger. Hinsichtlich des Führungsstils finden sich häufig flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege. Ein teilweise autoritärer Führungsstil, wie er mit Familienunternehmen assoziiert wird, kommt nur in Grundsatzfragen zum Ausdruck. In der konkreten Umsetzung ist er meist partizipativ.

Innovationskraft und Qualität als Schlüssel zum Erfolg

Wie bereits erwähnt, nehmen Investitionen bei den Hidden Champions einen besonderen Stellenwert ein. Vor allem Investitionen in Innovationen stehen auf der Agenda. Laut einer Auswertung des BenchMarking Center Europe beliefen sich die Ausgaben der Hidden Champions für Forschung & Entwicklung auf 7,3 Prozent des Umsatzes, was deutlich mehr ist als bei vielen Großkonzernen. Der BASF-Konzern beispielsweise kam im letzten Geschäftsjahr 2023 nicht einmal auf die Hälfte des Wertes.

Ein erheblicher Teil der Investitionen mündet am Ende in Patente. Sie sind eines der Erfolgsgeheimnisse, denn Patente schützen das geistige Eigentum. Mit ihnen lassen sich tiefe Burggräben um das Unternehmen ziehen und die Konkurrenz auf Distanz halten. Aber auch die Diskretion und der zeitliche Vorsprung sind bemerkenswert. Ebenso wie die Konzentration auf inkrementelle Innovationen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Weiterentwicklungen oder Verbesserungen bestehender Produkte und Dienstleistungen. Völlig neue Innovationen wären vermutlich zu teuer und zu riskant. Risikoaversion ist somit auch ein Merkmal der Hidden Champions. Nicht nur risikoreiche Forschung wird vermieden, auch Innovationskooperationen stehen sie kritisch gegenüber. Zu groß ist die Angst vor Know-how-Abfluss. Im Kern geht es um das Überleben und die Bewahrung der eigenen Identität und Tradition.

Viele Hidden Champions sind weltweit führend, weil sie in puncto Innovation und Qualität Maßstäbe setzen. Sie setzen auf kontinuierliche Verbesserungen. Dabei wird der Schwerpunkt eher auf die Qualität als auf die Quantität gelegt. Statt Masse zu produzieren, wird ein Produkt entwickelt, das die Bedürfnisse des Kunden optimal erfüllt und gleichzeitig höchste Qualitätsstandards erreicht.

Kundenorientierung ist außergewöhnlich

Ein weiterer Erfolgsfaktor der Hidden Champions ist die Nähe zu ihren Kunden. Durch die Fokussierung auf Nischenmärkte verstehen sie die spezifischen Bedürfnisse ihrer Kunden oft besser als ihre Wettbewerber. Dies beginnt bereits bei der Produktentwicklung. So ist es für Hidden Champions besonders wichtig, Kunden frühzeitig in die Produktentwicklung einzubeziehen. Auch die enge Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen besitzt einen hohen Stellenwert. Beides führt letztlich dazu, dass die Produkte näher am Kunden sind. Sie lösen Probleme besser und enden nicht als Produktflop. Charakteristisch ist auch die Wertschöpfungstiefe. Vieles wird selbst gemacht, was sich in einer hohen Bruttomarge niederschlägt. Die hohe Wertschöpfungstiefe reduziert am Ende Abhängigkeiten und verhindert Know-how-Abfluss.

Aber auch die Kundensicht ist eine andere. Viele Hidden Champions pflegen langjährige Kundenbeziehungen und agieren eher als Partner denn als reine Lieferanten. Durch die Spezialisierung auf Nischenmärkten können Hidden Champions maßgeschneiderte Lösungen anbieten, die genau auf die Bedürfnisse ihrer Kunden zugeschnitten sind. Auch im Vertrieb gibt es Unterschiede. So setzen Hidden Champions verstärkt auf den Direktvertrieb. Man denke nur an Vorwerk oder Bofrost. Das schafft nicht nur eine emotionale Bindung, sondern ermöglicht auch den direkten Austausch wichtiger Produkterfahrungen. Diese können wiederum gut für die Weiterentwicklung genutzt werden.

Globale Präsenz trotz lokaler Verwurzelung

Einer der wohl wichtigsten Erfolgsfaktoren von Hidden Champions ist die globale Präsenz. Denn obwohl viele Hidden Champions in kleinen, oft ländlichen Regionen angesiedelt sind, haben sie eine starke internationale Präsenz. Sie exportieren ihre Produkte weltweit und nutzen ihre Nischenposition, um global zu expandieren – und das in einem Ausmaß, von dem selbst Großkonzerne aus dem DAX nur staunen können.

Ein gutes Beispiel dafür ist Rational, ein echter Hidden Champion im Bereich der Kochsysteme für Großküchen. Das bayerische Unternehmen ist Weltmarktführer bei der Herstellung von Kombidämpfern für Großküchen und Kantinen. Der Auslandsanteil am Umsatz liegt bei beeindruckenden 89 Prozent.

So wird aus einem kleinen regionalen oder eher nationalen Geschäft mit hohen Fixkosten ein hochprofitables Milliardengeschäft. Der Absatz im Ausland bietet dabei entscheidende Vorteile, die sich durch die Skalierung der Produktion und des Vertriebs schnell monetär auszahlen. Dies zeigt sich auch bei Rational. Die Rendite auf das betriebsnotwendige Kapital lag im Geschäftsjahr 2023 bei fast 40 Prozent. Die EBIT-Marge ist mit knapp 25 Prozent überdurchschnittlich.

Bei aller Internationalität bleiben die Hidden Champions jedoch oft fest in ihrer Heimat verwurzelt und legen Wert auf regionale Identität. Auffällig ist auch, dass die Expansion meist aus eigener Kraft erfolgt. Kooperationen werden kaum eingegangen. Wohl nicht ohne Grund, denn so behält man den Kundenkontakt und die Kontrolle über das Wachstum. Außerdem ist man nicht auf Partner angewiesen, die im Konfliktfall das Wachstum stoppen könnten.

Fazit

Hidden Champions sind eindrucksvolle Beispiele dafür, wie mittelständische Unternehmen durch Spezialisierung, Innovation und enge Kundenbeziehungen erfolgreich auf globalen Märkten agieren können. Sie zeigen, dass nicht immer die Größe eines Unternehmens über den Erfolg entscheidet, sondern die Fähigkeit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und eine klare, langfristige Strategie zu verfolgen.

Dabei zeichnet sie noch mehr aus: Tendenzen zur Abschottung und Risikovermeidung sind erkennbar. F&E-Budgets werden überwiegend für inkrementelle Innovationen eingesetzt, Massenmärkte werden gemieden. Auffallend sind auch die starke Kunden- und Mitarbeiterorientierung sowie die sehr langfristige und konservative Ausrichtung.

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Frank Seehawer ist freier Journalist und schreibt vor allem über Geldanlage, Börse und Aktien.


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