Politik

Bürgergeld: Auswirkungen der höheren Ausländerquote

Die Anzahl der ausländischen Bürgergeldempfänger ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen und erreichte zuletzt 2,7 Millionen. Damit haben etwa 48 Prozent der Bürgergeldempfänger keinen deutschen Pass. Was das für die deutsche Wirtschaft bedeutet - und was das Deutschland kostet.
04.10.2024 12:06
Lesezeit: 2 min

Im Jahr 2021 waren es noch rund zwei Millionen Ausländer, die auf Grundsicherung angewiesen waren. Hauptursache für diesen Anstieg ist die Flüchtlingswelle infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Die Meinungen zum hohen Anteil von Ausländern im Bürgergeld-System sind gespalten. Während Sahra Wagenknecht, Gründerin der BSW, vor einer Überlastung des Sozialstaates warnt, hebt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Erfolge bei der Integration von Bürgergeldempfängern in den Arbeitsmarkt hervor.

Vor Kriegsbeginn weniger Ausländer im Bürgergeld

Von den insgesamt 5,6 Millionen Bürgergeldempfängern waren im Mai 2,9 Millionen deutsche Staatsbürger, wie aus einer Regierungsantwort an die BSW hervorgeht. Laut der Bundesagentur für Arbeit lag der Anteil ausländischer Empfänger 2023 bei 2,6 Millionen. 2021, vor dem Ukraine-Krieg, waren es zwei Millionen Ausländer und 3,3 Millionen Deutsche in der Grundsicherung, dem Vorläufer des heutigen Bürgergeldes.

Wagenknecht sagte dazu: "Dass mittlerweile fast die Hälfte der Bürgergeldempfänger keinen deutschen Pass besitzt, zeigt das Scheitern der deutschen Migrations- und Integrationspolitik." Anja Piel vom DGB kontert: "Geflüchtete können sich ihre Lage nicht aussuchen, und Bürgergeld erhalten nur anerkannte Geflüchtete." Die Integration durch Sprache und Qualifikation koste Zeit und Mühe, doch die Erwerbsquote steige mit der Zeit.

Viele müssen mit Bürgergeld aufstocken

Piel erklärt, dass etwa 20 Prozent der vier Millionen arbeitsfähigen Bürgergeldempfänger arbeiten, aber aufgrund geringer Einkommen zusätzlich Bürgergeld beziehen müssen. Wagenknecht hingegen kritisiert, dass über 700.000 Ukrainer sowie Syrer und Afghanen weiterhin Bürgergeld beziehen, anstatt ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges 2022 haben 1,2 Millionen Menschen aus der Ukraine Schutz in Deutschland gesucht. Der Anteil der Bürgergeldempfänger in dieser Gruppe liegt bei rund 65 Prozent. Bei Afghanen liegt die Bürgergeld-Quote bei 47 Prozent, bei Syrern ist sie von 85 Prozent im Jahr 2017 auf 55 Prozent gesunken.

"Deutschland gehört bei der Integration der syrischen Flüchtlinge im internationalen Vergleich zu den Spitzenreitern", sagt Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Zwischen 2020 und 2023 stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus Syrien um 75.000 auf 205.000. Weber betont: "Eine langfristige Strategie zur Integration in den Arbeitsmarkt, die auf Sprache und Qualifikation setzt, hat sich bewährt."

Wagenknecht fordert Kürzungen beim Bürgergeld

Wagenknecht fordert, dass nur Personen, die in das System eingezahlt haben, Anspruch auf Bürgergeld erhalten sollen. Anerkannte Flüchtlinge sollten zwar arbeiten dürfen, aber ohne Einzahlungen keine sozialen Leistungen beziehen.

Weber vom IAB hingegen hält die Grundsicherung für das richtige System, da sie eine gezielte Arbeitsmarktintegration ermögliche. Piel verweist auf steigende Vermittlungszahlen durch die Jobcenter, die sich auszahlen. Laut IAB finden mittlerweile doppelt so viele Ukrainer eine Anstellung wie im Vorjahr.

Dänisches Modell als Vorbild?

Wagenknecht kritisiert die deutsche Sozialdemokratie, die im Gegensatz zu Dänemark die Notwendigkeit von Einwanderungsbeschränkungen im Sozialsystem nicht erkannt habe. Weber hingegen weist darauf hin, dass in Dänemark Kürzungen zu mehr kurzfristigen Jobs, aber auch zu steigender Kriminalität und schlechteren Bildungsergebnissen führten.

Ein Hindernis auf dem Weg aus dem Bürgergeld hin zu einer Anstellung sind oft lange Wartezeiten auf Sprach- und Integrationskurse, insbesondere für viele Menschen aus der Ukraine. Weber erklärt: "Verzögerungen bei den Kursen haben den Integrationsprozess oft ausgebremst." Inzwischen wurden jedoch mehr Lehrkräfte eingestellt, und 2023 nahmen 363.000 Personen an Integrationskursen teil – ein Rekordhoch. Dennoch betrug die Wartezeit bis zum Kursbeginn im vergangenen Jahr durchschnittlich vier Monate.

Jobcenter müssen gut ausgestattet sein

Weber und Piel sind sich einig: Die Jobcenter müssen ausreichend ausgestattet sein. "Angesichts der immer noch hohen Zahl von Bürgergeldempfängern, darunter viele Geflüchtete, sollten wir Geduld zeigen", so Weber. "Wenn wir in das Bürgergeld-System investieren, insbesondere in Qualifikationen und Sprachausbildung, wird der Staat langfristig von höheren Steuereinnahmen profitieren."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen SAP-Aktie: Positiver Analystenkommentar von JPMorgan und Silberstreifen am Cloud-Horizont
04.12.2025

SAP und Salesforce senden an den Börsen neue Signale: Während JPMorgan der SAP-Aktie frische Impulse zuschreibt, ringen Anleger bei...

DWN
Finanzen
Finanzen Schott Pharma-Aktie: Zähe Nachfrage nach Glasspritzen – Pharmazulieferer Schott Pharma schaut vorsichtig auf 2026
04.12.2025

Die Schott Pharma-Aktie ist am Donnerstag nachbörslich unter Druck geraten, Anleger beäugen den Ausblick des Mainzer Pharmazulieferers...

DWN
Politik
Politik Die EZB blockiert: Streit um EU-Pläne für eingefrorene russische Vermögenswerte
04.12.2025

Die EU ringt um einen Weg, die finanziellen Belastungen des Ukrainekriegs abzufedern, doch zentrale Institutionen setzen klare Grenzen. Wie...

DWN
Politik
Politik Friedensverhandlungen in Moskau: Trump-Gesandte führen Gespräche mit Putin
04.12.2025

Die Gespräche zwischen Washington und Moskau rücken die Suche nach einer realistischen Friedenslösung wieder in den Mittelpunkt der...

DWN
Politik
Politik EU Ermittlungen: Staatsanwaltschaft nimmt Büros von Kaja Kallas ins Visier
04.12.2025

Die Ermittlungen der Europäischen Staatsanwaltschaft rücken den Umgang mit sensiblen EU-Mitteln und institutionellen Abläufen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Trade Republic Probleme: Kundenfrust wächst trotz neuer Produkte
04.12.2025

Trade Republic wirbt mit Innovationen, doch viele Kunden erleben etwas anderes. Die Beschwerden zu Ausfällen, Support und Handelbarkeit...

DWN
Politik
Politik G7? Nein danke, sagt Putin
04.12.2025

Russlands Präsident Wladimir Putin sorgt vor seinem Indien-Besuch für Aufsehen. Er kritisiert die G7 als "nicht groß" und verweist auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Club der Superreichen vorn dabei
04.12.2025

Fast 3.000 Menschen weltweit besitzen mehr als eine Milliarde Dollar – und Deutschland spielt eine führende Rolle. Während...