Politik

Die Rezession ist da: Bankrotterklärung Deutschlands?

Schlechter als erhofft: Die Bundesregierung erwartet für 2024 eine Abnahme der Wirtschaftsleistung. Wie sollen wir da wieder herauskommen?
09.10.2024 18:00
Lesezeit: 3 min
Die Rezession ist da: Bankrotterklärung Deutschlands?
Ein obdachloser Mann im Frankfurter Bahnhofsviertel. (Foto: dpa) Foto: Boris Roessler

Dieses Jahr schrumpft die Wirtschaftsleistung Deutschlands um 0,2 Prozent. Die Lage ist mit Inflation, weltpolitischen Spannungen und einer schwächelnden Konjunktur gerade sowieso nicht die beste für die Deutschen. Reichen die Pläne der Ampel-Regierung?

Bürger und Unternehmen sind verunsichert

Die Bundesregierung rechnet für dieses Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent. Damit korrigiert sie ihre Prognose zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts deutlich nach unten, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Berlin sagte. Im Frühjahr war die Bundesregierung noch von einem leichten Plus des Bruttoinlandsprodukts von 0,3 Prozent ausgegangen. Die Korrektur kommt nicht überraschend, denn zuletzt hatten auch die großen Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Erwartungen nach unten korrigiert. Sie rechnen mit einem Minus von 0,1 Prozent. Grund ist vor allem Unsicherheit bei Unternehmen und Bürgern. Das nach wie vor hohe Zinsniveau bremst Investitionen, Firmen sind wegen der unbeständigen wirtschafts- und geopolitischen Lage vorsichtig, private Haushalte legen ihr Einkommen vermehrt auf die hohe Kante, statt in Wohneigentum oder Konsum zu investieren.

Reicht das Wachstumspaket aus?

Führende Wirtschaftsforschungsinstitute zeigten sich zuletzt skeptisch, ob das Paket überhaupt den nötigen Impuls bringen kann. Viele Maßnahmen sind noch nicht umgesetzt. Auch Habeck räumt ein, es sei mehr nötig, um Deutschland zurück auf den Wachstumspfad zu bringen. Nun schlägt Habeck zusätzliche Maßnahmen vor: eine deutliche Senkung der Netzentgelte und Bürokratieabbau zum Beispiel beim Datenschutz. "Maßgabe sollte sein: Nur was in der Praxis als Erleichterung ankommt, zählt", sagte Habeck.

Lindner zur Konjunktur: "Müssen uns ehrlich machen"

FDP-Chef Christian Lindner fordert einen Kurswechsel in der deutschen Wirtschaftspolitik. "Ein Aufschwung lebt von Zuversicht, Leistungsbereitschaft, unternehmerischem Risiko und Innovationskraft. Dafür stimmen die Rahmenbedingungen in Deutschland nicht mehr", sagte der Finanzminister. "Mit Bürokratie und Steuerlast, aber - offen gesagt - auch mit planwirtschaftlichem Klimaschutz und ansteigender Umverteilungspolitik wurde unsere Wirtschaft über Jahre gefesselt." Wer Wohlstand und soziale Sicherheit wolle, müsse die Kraft zu einem Kurswechsel finden. "Unser Land muss sich ehrlich machen", forderte er.

Institut der Deutschen Wirtschaft fordert planbare Klimapolitik für Unternehmen

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) nennt in einer Pressemitteilung als Gründe für die Lage die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die den Welthandel belasten, auf den Deutschland so dringend angewiesen ist. Auch der Konsum in der Bundesrepublik bleibt schwach, obwohl die Löhne hoch und die Inflation niedrig sind – verunsicherte Verbraucher geben weniger Geld aus. "Investitionen der Privatwirtschaft bleiben ebenfalls aus, der Standort fällt immer weiter zurück", heißt es beim IW. Für den Aufschwung brauche es jetzt mutige Entscheidungen und Reformen, insgesamt bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen. Eine international wettbewerbsfähige Steuer-, Regulierungs- und Innovationspolitik sowie effektive staatliche Investitionen seien notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Gleichzeitig dürfe die Klimatransformation nicht von Unsicherheiten geprägt sein, denn Unternehmen benötigen klare und zuverlässige Bedingungen, um in eine grüne Zukunft zu investieren. Dazu gehöre eine planbare Klimapolitik, die langfristige Ziele verfolge und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit unterstütze. "Die Pläne der Bundesregierung für eine Wachstumsinitiative sind zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber sie sind bei weitem nicht ausreichend, um Deutschland aus der Rezession zu befreien", sagt IW-Konjunkturchef Michael Grömling. Um das Wachstum nachhaltig anzukurbeln, brauche es Reformen, die das Vertrauen der Unternehmen stärken und Investitionen anziehen. Nur so könne die deutsche Wirtschaft sich wieder erholen.

Erholung 2025 erwartet

Für das kommende Jahr ist die Bundesregierung etwas optimistischer als zuvor: Sie erwartet ein Plus von 1,1 Prozent. Zum einen hofft sie, dass dann der private Konsum wieder anzieht und auch mehr Industrieprodukte im Ausland gekauft werden. Dann könnten sich die deutschen Firmen wieder mehr Investitionen zutrauen. Zum anderen setzt die Bundesregierung auf ihr Wachstumspaket mit Steuererleichterungen, Arbeitsanreizen und Strompreis-Vergünstigungen. "Wenn sie umgesetzt werden, und zwar vollständig, dann wird die Wirtschaft stärker wachsen, wieder mehr Menschen in Arbeit kommen", betonte Habeck. "Deshalb müssen die Maßnahmen der Wachstumsinitiative jetzt entschlossen von allen umgesetzt werden." Auch die Bundesländer müssten ihren Beitrag leisten. In der Bundesregierung wird befürchtet, dass die Länder eine Reihe Maßnahmen im Bundesrat blockieren, weil sie dadurch weniger Steuern einnehmen würden.

Auswirkungen auf die Haushaltsverhandlungen

Die Konjunkturprognose der Bundesregierung ist auch eine Grundlage für die bevorstehende nächste Steuerschätzung. Geringere Steuereinnahmen als bisher vorausgesagt sowie höhere Ausgaben für die Sozialversicherungen könnten die Haushaltsverhandlungen der Ampel-Koalition belasten. Zugleich aber bedeuten geringere Wachstumsaussichten, dass aufgrund des Mechanismus der Schuldenbremse eine höhere Schuldenaufnahme möglich ist.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deindustrialisierung: Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende - Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse bleibt bestehen: Bundesjustizministerin Hubig kündigt Bußgeldregelung an
11.07.2025

Die Mietpreisbremse wird verlängert – doch ist das genug, um Mieter wirklich zu schützen? Während die Politik nachjustiert, plant das...

DWN
Politik
Politik Trump: Wir schicken Waffen, die NATO zahlt
11.07.2025

Erst Stopp, dann Freigabe: Trump entscheidet über Waffen für Kiew – und kündigt neue Schritte gegen Russland an. Bezahlen will er das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Shitstorm im Joballtag: Hate Speech am Arbeitsplatz explodiert – was Unternehmen jetzt tun müssen
11.07.2025

Hassrede hat den Mittelstand erreicht – von Social Media bis ins Kundengespräch. Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt...

DWN
Politik
Politik Milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen: Bundesrat macht Weg frei für Wachstumspaket
11.07.2025

Deutschland steht wirtschaftlich unter Druck. Das Wachstumspaket der Bundesregierung soll neue Investitionen anregen und Unternehmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...