Politik

„Allerhöchste“ Sicherheitsstufe für Joe Bidens Staatsbesuch: Was beim Präsidentenbesuch ansteht

Gut drei Monate vor dem Ende seiner Amtszeit ist US-Präsident Joe Biden zu seinem ersten bilateralen Besuch in Deutschland eingetroffen. Seine Regierungsmaschine Air Force One landete am späten Abend in der Hauptstadt, wo heute unter anderem Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzler Olaf Scholz geplant sind. Doch warum sind auch die Staatschefs der Westalliierten in Berlin? Geht es um Selenskyjs „Siegesplan“?
18.10.2024 09:03
Lesezeit: 3 min

Der 81-Jährige hatte ursprünglich schon eine Woche zuvor nach Berlin reisen wollen, den Trip aber kurzfristig abgesagt – wegen eines Hurrikans, der zu der Zeit auf die Südostküste der USA zusteuerte. Nun holt Biden seinen Besuch in deutlich abgespeckter Form nach, mit einem kurzen Arbeitsbesuch anstelle eines Staatsbesuches. Mit der Tötung des Hamas-Chefs Jihia al-Sinwar rückt das Thema Nahost bei den Gesprächen dabei weiter nach oben.

Eine bedeutsame Entwicklung im Gaza-Krieg

Kurz vor Bidens Ankunft in Berlin verkündete Israel, das eigene Militär habe Hamas-Anführer Sinwar getötet. Biden, seine Stellvertreterin Kamala Harris und sein Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan werteten das umgehend als echte Chance auf ein Ende des Gaza-Krieges und auf eine Freilassung der restlichen Geiseln aus den Händen der Hamas. Denn Sinwar sei ein wesentliches Hindernis für einen Deal gewesen, argumentierten sie. Ob der Optimismus angebracht ist, muss sich zeigen.

Die USA waren in den vergangenen Monaten maßgeblich in die indirekten Gespräche zwischen Israel und Hamas eingebunden – bislang mit wenig Erfolg. Sullivan betonte aber, Sinwars Tod sei nun eine bedeutsame Entwicklung, die eine Chance auf echte Bewegung berge. Ziel der USA und ihrer Partner ist es nicht nur, den Konflikt zwischen Israel und der Hamas zu beenden, sondern auch zu verhindern, dass Israels Konflikte mit der Hisbollah und dem Iran in einen verheerenden Flächenbrand ausarten. Auch darum geht es bei den Gesprächen in Berlin.

Eine Geste in beide Richtungen

Für Biden ist die Stippvisite in erster Linie ein Abschiedstrip. Im Januar scheidet der Demokrat aus dem Amt. Dass er nach fast vier Jahren, in denen er bis auf den G7-Gipfel 2022 im bayerischen Elmau einen Bogen um Deutschland machte und der Bundesregierung keinen Solo-Besuch widmete, nun doch noch nach Berlin reist, ist eine Geste.

„Er wollte seine Amtszeit nicht verstreichen lassen, ohne die Hauptstadt eines unserer wichtigsten Partner und Verbündeten zu besuchen“, sagte Bidens Berater Sullivan auf dem Flug nach Berlin. Deutschland sei ein wichtiger Verbündeter in der Nato, bei den G7 und bei der Unterstützung der Ukraine. Scholz half dem US-Präsidenten zuletzt auch mit der politisch durchaus heiklen Freilassung des Tiergartenmörders dabei, einen großen Gefangenenaustausch mit Russland auf die Beine zu stellen.

Aber auch Scholz und Steinmeier wollen Biden in besonderer Weise würdigen. Steinmeier wird dem Demokraten die „Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik“ verleihen – die höchste Auszeichnung, die Deutschland zu vergeben hat. Von den 14 US-Präsidenten, die seit Bestehen der Bundesrepublik regiert haben, wurde bisher sonst nur George Bush senior damit geehrt. Für Biden, der nach einer jahrzehntelangen Karriere und nach einem abrupten Ende im Weißen Haus an seinem politischen Vermächtnis arbeitet, ist das eine Zierde in seiner Bilanz.

Nach den chaotischen Regierungsjahren des Republikaners Donald Trump hatte er einige Schäden im transatlantischen Verhältnis zu reparieren. Und das Zusammentrommeln westlicher Partner zur Unterstützung der Ukraine stand in den vergangenen Jahren im Zentrum seiner Außenpolitik. Biden ist so etwas wie der Lieblingsstaatschef von Scholz. Der Kanzler hat sich gerade in der Ukraine-Politik sehr an Biden orientiert – während er mit seinem wichtigsten europäischen Verbündeten Emmanuel Macron nie so richtig warm geworden ist.

Was wird aus Selenskyjs „Siegesplan“?

Macron ist am Freitag in Berlin auch dabei, genauso wie der britische Premierminister Keir Starmer. Gemeinsam werden die vier wichtigsten Nato-Länder nach einem Einzelgespräch zwischen Biden und Scholz darüber beraten, was sie mit dem „Siegesplan“ des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj anfangen wollen.

Biden und Scholz waren sich bisher einig, dass ihnen die von Selenskyj geforderte bedingungslose Einladung der Ukraine in die Nato zu weit geht. Auch dessen Vorhaben, den Krieg mit westlichen Waffen in russisches Territorium zu tragen, sehen die beiden skeptisch. Trotzdem sind sie fest entschlossen, die wichtigsten Unterstützer der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland bleiben zu wollen.

Umstrittene Stationierung von US-Mittelstreckenraketen

Und dann ist da noch die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ab 2026. Scholz will damit den von Russland in Kaliningrad stationierten Raketen etwas entgegensetzen. Auch in seiner eigenen Partei fühlen sich aber viele überrumpelt. Der Kanzler dürfte sich für die Hilfe trotzdem ausdrücklich bei Biden bedanken. Denn ob Deutschland künftig noch in gleichem Maße wie jetzt auf die militärische Unterstützung der USA in der Nato setzen kann, steht in den Sternen.

Die Entscheidung darüber fällt am 5. November, wenn sich die Amerikaner bei der Präsidentenwahl zwischen Trump und Harris entscheiden können. Sollte Trump gewinnen, dürften wieder extrem schwierige Zeiten im deutsch-amerikanischen Verhältnis anbrechen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen EZB in der Zwickmühle: Zinssenkung befeuert Immobilienmarkt – Gefahr einer neuen Kreditblase?
26.04.2025

Der Druck auf die Europäische Zentralbank wächst, während die Zinsen sinken und der EURIBOR neue Tiefstände markiert. Was bedeutet das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Funkmast auf Futterwiese: Das verdienen Landwirte mit Mobilfunkmasten
26.04.2025

Wer als Landwirt ungenutzte Flächen oder Scheunendächer für Mobilfunkanbieter öffnet, kann mit Funkmasten stabile Zusatzeinnahmen...

DWN
Panorama
Panorama Generation Z lehnt Führungspositionen ab – Unternehmen müssen umdenken
25.04.2025

Die Generation Z zeigt sich zunehmend unbeeindruckt von traditionellen Karrierewegen und Führungspositionen im mittleren Management. Eine...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Reichster Ostdeutscher: Wie ein Unternehmer einen kleinen DDR-Betrieb zum globalen Player macht
25.04.2025

Rekord-Umsatz trotz Krisen: Der Umsatz von ORAFOL betrug im Jahr 2024 betrug 883 Millionen Euro – ein Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise....

DWN
Politik
Politik Rentenbeiträge und Krankenkasse: Sozialabgaben werden weiter steigen
25.04.2025

Gerade bei der Rente hat die kommende Merz-Regierung ambitionierte Pläne. Doch gemeinsam mit den Krankenkassenbeiträgen droht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gold im Höhenrausch: Wenn Trump das Gold sieht, wird es gefährlich
25.04.2025

Der Goldpreis steht kurz davor, einen historischen Rekord nicht nur zu brechen, sondern ihn regelrecht zu pulverisieren. Die Feinunze Gold...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Autoindustrie unter Druck: Zollkrieg sorgt für höhere Preise und verschärften Wettbewerb
25.04.2025

Der Zollkrieg zwischen den USA und Europa könnte die Auto-Preise in den USA steigen lassen und den Wettbewerb in Europa verschärfen....

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen der Deutschen auf Rekordhoch – aber die Ungleichheit wächst mit
25.04.2025

Private Haushalte in Deutschland verfügen so viel Geld wie nie zuvor – doch profitieren längst nicht alle gleichermaßen vom...