Wirtschaft

Kaufen ausländische Firmen Deutschland auf?

Deutschland wird von internationalem Kapital überschwemmt. Mit ganzen 47 Milliarden US-Dollar gehen ausländische Firmen dieses Jahr auf Shopping-Tour. Passiert gerade der Ausverkauf der deutschen Wirtschaft?
02.11.2024 05:58
Aktualisiert: 01.01.2030 05:22
Lesezeit: 3 min

In Deutschland herrscht Rezessionsstimmung – Insolvenzen, Stellenabbau und rückläufige Umsätze, wohin man schaut. Die deutschen Schlüsselindustrien liegen am Boden – Automobilindustrie, Maschinenbau, Chemie, alle haben zu kämpfen.

Deutschland ist Einkaufsparadies ausländischer Investoren

Ganz anders verhält es sich bei den ausländischen Investitionen. Wie die britische Financial Times erst kürzlich titelte, ist „Deutschland im Ausverkauf“. Tim Winkel vom Beratungsunternehmen 7Square teilte mit, dass internationale Unternehmen dieses Jahr bereits für 47,2 Milliarden Euro in Deutschland eingekauft haben. Insgesamt sind das nahezu 70 Prozent mehr als im gesamten Jahr 2020, die in deutsche Übernahmen oder Fusionen investiert wurden.

Dieses Jahr sind dabei alleine zwei Großdeals dabei, wie die Übernahme des Chemieriesen Covestro und der Aufkauf des Logistikgeschäftes Schenker der Deutschen Bahn durch einen dänischen Konzern. Alleine für diese beiden Deals fließen insgesamt 32 Mrd. Euro. Hellhörig ist die deutsche Politik aber erst geworden, als sensible Geschäftsbereiche wie die Commerzbank von der UniCredit ins Visier genommen wurden.

Deutschland investiert nicht mehr viel im Ausland

Nur noch 11 Milliarden betragen hingegen in diesem Jahr die Auslandsinvestitionen der deutschen Unternehmen. Dies ist ein Rückgang um zwei Drittel im Vergleich zum Gesamtjahr 2020. Es gibt in Deutschland nur wenige Private-Equity-Fonds für derartige Investitionen.

Für ausländische Investoren hingegen sind deutsche Unternehmen eher klein und billig. Das liegt natürlich auch am wirtschaftlichen Notstand in diesem Land. Nach der Prognose der EU-Kommission erwartet uns in 2024 ein zweites Jahr der Schrumpfung. Schwache Nachfrage und hohe Energiekosten treiben Unternehmen dazu, ausländische Investoren zur Tür hereinzulassen. Der wirtschaftliche Druck veranlasst auch Großkonzerne dazu, Unternehmen zu verkaufen.

Traditionelle Branchen ohne Entwicklungspotenzial

Problematisch in Deutschland ist auch, dass die Wirtschaftslandschaft hierzulande in eher traditionellen und wachstumsschwachen Branchen unterwegs ist, wie der Automobilindustrie. Wachstumsstarke Branchen aus dem Pharmabereich oder im Bereich innovativer Technologien gibt es nur vereinzelt, sodass kaum Potenzial für neue Wirtschaftsmotoren in Deutschland vorhanden ist. Deutschland wird dadurch im globalen Vergleich abgehängt. Deutsche Unternehmen machen bei der Bewertung in einem globalen Index, gemessen an ihrem Marktwert, nur noch zwei Prozent aus – ein Drittel weniger als noch vor 10 Jahren. Die Deutsche Bank, als landesweit größte Bank, ist im internationalen Ranking innerhalb von 10 Jahren von Platz 10 auf Platz 26 abgerutscht. In anderen europäischen Ländern, wie den Niederlanden und Dänemark, steigt hingegen die Gewichtung.

Auch an der Börse ist das Debakel spürbar. Wurde der Dax vor der Corona-Pandemie noch mit einem Abschlag von 20 Prozent auf den S&P 500 gehandelt, so ist es nun ein Abschlag von 40 Prozent. Deutschland ist für internationale Anleger Schnäppchenland geworden.

Firmenverkäufe wohin man schaut

Deutschland scheint im Schlussverkauf zu sein. Die Anzahl der Firmenverkäufe steigt rapide und in den meisten Fällen gehen diese an ausländische Investoren. Andreas Bonnard von der M&A-Beratung Marktlink, die auf internationale Firmenkäufe für Unternehmen mit Gewinnen zwischen 5 und 50 Millionen Euro spezialisiert ist, bestätigt ein reges Interesse ausländischer Investoren.

Die Bewertungen der deutschen Unternehmen haben seiner Meinung nach den Boden erreicht und die Zinsen sind günstig. Unternehmensverkäufer aus dem deutschen Mittelstand hatten bis vor kurzem noch hohe Erwartungen an die realisierbaren Preise. Die potenziellen Investoren sind da aber nicht mitgegangen – und jetzt wird billig verkauft. Die Verkaufslust der deutschen Unternehmer hat neben den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aber noch einen anderen Hintergrund. Deutsche Mittelstandsunternehmen werden vielfach von Babyboomern geführt, die sich jetzt zur Ruhe setzen möchten.

Der Trend ist nicht neu

Ausländische Investoren haben sich schon lange Beteiligungen an deutschen Unternehmen gesichert. Über die Hälfte der börsennotierten Unternehmen aus dem Dax ist bereits in ausländischer Hand. Deutsche Unternehmen sind auch deshalb so attraktiv für ausländische Investoren, weil sie in vielen Bereichen Technologieführer sind.

Das die deutschen Unternehmer trotzdem verkaufen wollen, liegt insbesondere an dem wirtschaftsfeindlichen Klima hier in Deutschland. Neben der absolut kontraproduktiven Energiepolitik beklagen sie auch den Bürokratiewahnsinn in Deutschland. Viele Unternehmer haben es einfach satt und wollen aussteigen. Wer weitermachen will, schaut sich nach Möglichkeiten außerhalb Deutschlands oder sogar Europas um.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Positive Nachrichten für den XRP ETF: Moon Hash Automatic Income Plan

Analysten prognostizieren einen potenziellen Kurssprung bei XRP, der einen raschen Marktwechsel hin zur intelligenten...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Neues Silberpreis-Rekordhoch: Warum das Edelmetall vor einer historischen Neubewertung steht
15.12.2025

Die Silber-Rallye ist ungebrochen und die Kurse eilen von einem Allzeithoch zum nächsten. Warum trotz neuem Silberpreis-Rekordhoch zum...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gewinneinbruch bei Autobauern: Deutsche Hersteller besonders unter Druck
15.12.2025

Die weltweite Krise der Autoindustrie macht den deutschen Herstellern stärker zu schaffen als vielen internationalen Wettbewerbern. Eine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Vertrauensverlust im Mittelstand: Wirtschaft zweifelt an Merz:
15.12.2025

Das Vertrauen des deutschen Mittelstands in die Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) nimmt deutlich ab. Laut einer aktuellen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 63.000 Jobs bedroht: Ostdeutsche Chemiebranche drängt auf Rettungsplan
15.12.2025

Die Chemieindustrie in Ostdeutschland steht unter Druck: Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften haben der Bundesregierung einen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bahnhofstoiletten bleiben kostenpflichtig: DB sieht keinen Spielraum
15.12.2025

Kostenlose Toiletten an Bahnhöfen sind in Deutschland selten. Laut Bundesregierung sieht die Deutsche Bahn aus Kostengründen keine...

DWN
Finanzen
Finanzen Barzahlen wird zur Ausnahme: Bundesbank sieht Akzeptanzlücken
15.12.2025

Bargeld ist in Deutschland nach wie vor beliebt, doch in Ämtern und Behörden stößt man damit nicht immer auf offene Türen. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bauern protestieren gegen niedrige Butterpreise bei Lidl
15.12.2025

Mit Traktoren demonstrieren Landwirte in Baden-Württemberg gegen aus ihrer Sicht ruinöse Milch- und Butterpreise. Im Fokus der Kritik...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI revolutioniert Unternehmen: Wie Künstliche Intelligenz Verhandlungen effizienter macht
15.12.2025

Künstliche Intelligenz verändert zunehmend die Arbeitsweise in Unternehmensbereichen, in denen bislang menschliche Erfahrung dominierte....