Diese Wahl ist von großer Bedeutung: Die innenpolitische Stabilität der USA und das fragile Gleichgewicht der internationalen Politik stehen auf dem Spiel. Millionen Amerikaner stimmten am Dienstag ab, um über den neuen Präsidenten, das Repräsentantenhaus und etwa ein Drittel der US-Senatssitze zu entscheiden.
Frühestens an diesem Mittwoch könnte klar sein, ob nach Joe Biden entweder Kamala Harris oder erneut Donald Trump ins Weiße Haus einziehen wird. Die Demokratin Harris steht für Beständigkeit und eine stabile Außenpolitik. Trump hingegen, 78 Jahre alt, setzt auf eine aggressive und unvorhersehbare Linie, die er stolz vertritt.
Unklar ist, wie lange es nach Schließung der Wahllokale dauern wird, bis ein Gewinner feststeht. Eine Vielzahl an Briefwahlstimmen könnte die Auszählung verzögern, zusätzlich schließen die Wahllokale in den USA nicht gleichzeitig. Anders als in Deutschland gibt es hier keine Prognosen oder Hochrechnungen während der Auszählung. 2020 wurde Biden erst vier Tage nach der Wahl, am Samstag, als Sieger verkündet. 2016 hingegen erfuhren viele Amerikaner von Trumps Sieg bereits am Morgen nach der Wahl.
Die magische Grenze: 270 Stimmen
Der Präsident der USA wird nicht direkt vom Volk gewählt, sondern durch ein Wahlkollegium, dessen Zusammensetzung von den Wählerstimmen abhängt und im Dezember über den Präsidenten entscheidet. Die Anzahl der Stimmen pro Bundesstaat orientiert sich an der Bevölkerungsgröße.
In fast allen Bundesstaaten gilt das Prinzip "the winner takes it all": Der Gewinner im jeweiligen Staat erhält alle Wahlleute-Stimmen. Für den Einzug ins Weiße Haus benötigt ein Kandidat daher nicht die absolute Mehrheit der Stimmen ("popular vote"), sondern mindestens 270 der 538 Wahlleute-Stimmen.
Frühes Ergebnis in Dixville Notch: Unentschieden
Die erste Entscheidung fiel am Wahltag um Mitternacht (Ortszeit) in Dixville Notch, New Hampshire. Nur sechs Wähler stimmten hier ab, und die Auszählung ging schnell. Das Ergebnis: ein Unentschieden mit je drei Stimmen für Trump und Harris.
Bei der Wahl 2020 hatte Biden in Dixville Notch ohne Gegenstimmen gewonnen. Das Dorf mag klein sein, doch das Ergebnis könnte als Sinnbild für das extrem knappe Rennen zwischen Trump und Harris in einem politisch gespaltenen Amerika gelten.
Eine Wahl mit historischer Bedeutung
Umfragen deuteten auf ein knappes Wahlergebnis hin, sodass der Ausgang kaum vorhersehbar war. Die Wahl könnte nicht nur die innenpolitische Stabilität der USA beeinflussen, sondern auch ihre Rolle in internationalen Bündnissen und die transatlantische Zusammenarbeit. Die wirtschaftliche Verflechtung der USA mit Deutschland und Europa ist enorm und im Verteidigungsbereich essenziell.
Viele Amerikaner stimmten bereits vor dem Wahltag ab. Rund 83 Millionen Wähler gaben laut "Election Lab" der Universität Florida ihre Stimme per Briefwahl oder in früh geöffneten Wahllokalen ab. Das entspricht mehr als der Hälfte der insgesamt abgegebenen Stimmen bei der Wahl 2020. Dennoch bildeten sich an Wahltagen lange Warteschlangen. Trump rief seine Anhänger auf, Geduld zu zeigen: "Gebt eure Stimme ab, egal, wie lange es dauert. Bleibt in der Schlange!" In einem Post auf X behauptete er, die Demokraten wollten die Wahlbeteiligung behindern. "Die radikalen kommunistischen Demokraten wollen, dass ihr nach Hause geht", warnte er.
Harris hingegen ermutigte ihre Anhänger ebenfalls in mehreren Posts auf X, wählen zu gehen: "Heute stimmen wir für eine bessere Zukunft ab", schrieb sie. Trumps Vizekandidat J.D. Vance wählte in Cincinnati, Ohio. "Ich habe natürlich für Donald Trump und mich gestimmt. Meine Frau hat das ebenfalls getan", sagte er später der Presse. "Ich habe ein gutes Gefühl."
Trump oder Harris? Große Veranstaltungen zum Wahlkampfende
Trump und Harris setzten auf große Abschlusskundgebungen, um unentschlossene Wähler anzusprechen. Die Demokratin Harris zeigte sich in Philadelphia, Pennsylvania, einem wichtigen "Swing State", optimistisch. Auf den Stufen des Philadelphia Museum of Art sagte sie: "Heute Abend beenden wir es mit Optimismus und Freude." Den Namen Trump erwähnte sie nicht, und ihre Rede dauerte weniger als eine halbe Stunde.
Trump hingegen hielt wenig später in Grand Rapids, Michigan, eine lange und leidenschaftliche Rede voller Angriffe. Er sagte über Harris: "Sie hat einen niedrigen IQ, und das ist gefährlich für unser Land." Seine Berater ermahnten Trump, seinen Redetext zu nutzen. Doch er wich davon ab und beleidigte Harris als "linksradikal verrückt". Auch Vance griff Harris scharf an: "Wir räumen in Washington D.C. auf, und das bedeutet, Kamala Harris muss weg." Die Wahlauftritte von Harris und Trump in Pennsylvania und Michigan sind kein Zufall. In diesem entscheidenden "Swing State" Pennsylvania gibt es 19 Wahlleute-Stimmen – mehr als in allen anderen unentschiedenen Staaten, die in der US-Wahl eine entscheidende Rolle spielen können.
Angst vor Ausschreitungen
Der Wahlausgang wurde mit Spannung und Sorge vor Gewalt erwartet. In Washington verbarrikadierten einige Geschäfte im Zentrum ihre Schaufenster mit Holzplatten. Trump äußerte in den Tagen vor der Wahl erneut Zweifel an der Integrität der Abstimmung und beschuldigte die Demokraten des Betrugs. Er hatte seine Niederlage 2020 gegen Biden nie anerkannt. Auch dieses Mal stellte er die Behauptung auf, dass nur Betrug ihn um den Sieg bringen könnte. Zwei Verbände von Wahlaufsehern jedoch sicherten eine faire Wahl zu. "Die Amerikaner können darauf vertrauen, dass die Wahl sicher ist und die Ergebnisse korrekt ausgezählt werden", erklärten sie.