Politik

Ampel: Neuwahlen wegen Trump? Wie reagiert Deutschland auf die US-Wahl?

Ist die Zeit der Ampel vorbei? Wie reagiert Deutschland auf das Wahlergebnis in den USA? Donald Trump hat die US-Wahl gewonnen und bestimmt ab Januar als US-Präsident die Geschicke des (noch) mit Abstand mächtigsten Landes der Welt. Seiner Agenda nach dürften die Zeiten für Deutschland und Europa damit rauer werden – Handelskrieg durch Zölle, Krieg mit Waffengewalt (noch) an der Grenze der NATO-Staaten, eine neue Ära der geopolitischen Eskalation. Ist damit jetzt der richtige Zeitpunkt für die Ampel, Neuwahlen in Deutschland auszurufen?
06.11.2024 13:33
Aktualisiert: 01.01.2030 11:00
Lesezeit: 4 min
Ampel: Neuwahlen wegen Trump? Wie reagiert Deutschland auf die US-Wahl?
Ist die Ampel am Ende? Welche Auswirkungen hat die Wahl Donald Trumps in den USA auf die deutsche Regierung? (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

„In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod“, so lautet ein geflügeltes Wort. Was bedeutet das für Deutschland? Sollte die Ampel sich jetzt zusammenreißen und wenigstens etwas Stabilität in diesen unruhigen Zeiten vermitteln? Oder sollte die deutsche Regierung die Zeichen der Zeit erkennen und ihre toxische Ménage-à-trois auflösen – damit aber möglicherweise einem noch größeren Regierungschaos Tür und Tor öffnen?

Ampel: Neuwahlen oder weiterampeln?

Womöglich entscheidet sich dies heute Abend in Berlin. Dann treffen sich die Koalitionspartner zum Krisengespräch. Man kann nur hoffen, dass sie sich dafür gemeinsam treffen und nicht jede Partei ihren eigenen Koalitionsgipfel abhält. Denn die Einsätze werden höher und höher. Seit Tagen prügeln die Koalitionspartner mit immer härteren Bandagen aufeinander ein - und Beobachter fragen sich: Haben die nichts Besseres zu tun? Zum Beispiel regieren? Einen klaren Kurs für die deutsche Wirtschaft vorgeben beim Thema regenerative Energien und Energieoffenheit? Das Haushaltsloch schließen? Den Haushalt für kommendes Jahr beschließen? Die Bundeswehr auf Vordermann bringen und eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik voranbringen? Die Inflation bekämpfen? Bürokratie abbauen?

Klar, die deutsche Regierung hat es schwer. Es sind schwierige Zeiten, es gibt viele Herausforderungen. Doch immer wieder auf globale Krisen zu verweisen, für die die deutsche Regierung nichts kann und auch wenig direkten Einfluss auf sie hat hat, das zieht nicht mehr. Denn die Krisen werden ja nicht weniger oder verschwinden, wenn man sie ignoriert – vom Krieg in der Ukraine über die Klimakrise bis hin zur weltweiten Wirtschaftsflaute als Nachwehen der Corona-Pandemie und ihrer Maßnahmen. Die Regierung muss innerhalb dieser Krisen funktionieren. Und es sieht aktuell nicht so aus, als täte sie das besonders gut.

Neuwahlen fordern viele schon seit einiger Zeit: Aus den eigenen Reihen der Regierungspartei FDP über die christdemokratische und -soziale Opposition in Bayern und Berlin bis zu BSW und AfD - Letztere fahren mit ihrem krawalligen Populismus aktuell prima. Generell sind die Deutschen richtig unzufrieden mit der Ampelregierung. Und die tut wenig, um dem entgegenzusteuern. Statt geschlossen eine sinnvolle Strategie zu kommunizieren, mit der es weiter gehen kann, ampeln sie weiter vor sich. Dadurch kreist die deutsche Regierung in einem schwindelerregenden Tempo um sich selbst - und die Frage ist, was durch die Fliehkraft dieses rot-grün-gelben Wirbelwindes alles noch kaputt geht.

Sonntagsfrage: Wen würden die Deutschen aktuell wählen?

Antwort: nicht die Ampel. Die Zufriedenheit mit der Ampelregierung erreicht einen neuen Tiefpunkt. Eine knappe Mehrheit der Menschen will laut einer Umfrage des "ARD-DeutschlandTrends" von vergangener Woche vorgezogene Neuwahlen, nämlich 54 Prozent der 1.333 Befragten. 41 Prozent hingegen wollen den Fortbestand der Koalition bis zum regulären Wahltermin im September 2025 - was noch ein knappes Jahr Stau an der Ampel hieße. Dabei bewerten Nur 14 Prozent der Deutschen (-5 Prozentpunkte im Vergleich zu Anfang Oktober) die Arbeit der Ampelkoalition positiv. 85 Prozent sind weniger oder gar nicht zufrieden.

Laut "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND) lautet die Antwort auf die Sonntagsfrage so: Die stärkste Partei im Bund ist derzeit die Union mit 31,5 Prozent im Durchschnitt der vergangenen zehn Umfragen. Auf Platz zwei kommt die AfD mit 18,0 Prozent vor der SPD (15,9 Prozent) und den Grünen (10,5 Prozent). Die Ampelparteien kämen zusammen derzeit auf 30,1 Prozent der Stimmen. Zwei der abgefragten Parteien würden derzeit an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern: die FDP (3,7 Prozent) und die Linke (3,1 Prozent).

Was bedeutet der Wahlsieg Donald Trumps für die deutsche Wirtschaft?

Könnte der Wahlsieg Donald Trumps in den USA jetzt der Paukenschlag sein, der das Signal für vorgezogene Wahlen in Deutschland gibt? Noch bebt der Boden durch diese Erschütterung der Weltpolitik. Auf wackligen Beinen versuchen Verbände, Unternehmen und Parteien in Deutschland sich einen Reim darauf zu machen, was das für uns, für Deutschland jetzt bedeutet.

Wirtschaftlich werden die Zeiten– vermutlich – härter. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, sagt: „Das Worst-Case-Szenario ist eingetreten: Mit der Wahl Donald Trumps steht die deutsche Wirtschaft vor der nächsten Krise in einer an Rückschlägen reichen Zeit. Schon heute können sich Unternehmen auf einen teuren Handelskrieg einstellen, der nach IW-Berechnungen über die kommenden vier Jahre 180 Milliarden Euro kostet. Was noch auf die Wirtschaft zukommt, weiß bei der Wundertüte Trump noch niemand, nur klar ist: Es wird nicht bei der einen Hiobsbotschaft bleiben, mit positiven Überraschungen rechnet niemand.“ Deutschland müsse in den kommenden Jahren mehr denn je lernen, auf eigenen Beinen zu stehen – im Geopolitischen genauso wie in der Wirtschaftspolitik.

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm, stößt ins selbe Horn: „Das klare Ergebnis der US-Wahlen ist ein Weckruf für Deutschland und Europa: Wir müssen die vorhandenen Strategien zur Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit, Verteidigungsfähigkeit und für den Umgang mit China mit deutlich mehr Tempo weiterentwickeln. Das Ergebnis dieses Wahlkampfes zeigt, dass die Furcht vor dem wirtschaftlichen Abstieg Wahlentscheidungen wesentlich beeinflusst.“ Die transatlantischen Beziehungen stünden vor einem Epochenwechsel. Zu befürchten sei, dass der Ton rauer, der protektionistische Kurs konsequent fortgeführt werde.

Russwurm weiter: „Trumps im Wahlkampf geäußerte Pläne zu zahlreichen neuen Zöllen besorgen die deutsche Industrie. Flächendeckende Zölle von zehn oder gar 20 Prozent auf alle Importe und von 60 Prozent auf Einfuhren aus China würden nicht nur Deutschland und der EU, sondern auch der US-Wirtschaft massiv schaden.“ Zudem bedrohten Trumps kritische Bemerkungen gegenüber der Beistandspflicht in der NATO die Glaubwürdigkeit der Sicherheitsarchitektur der EU sowie der gesamten westlichen Welt.

USA von enormer Bedeutung für die deutsche Wirtschaft

Die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen sind und bleiben von enormer Bedeutung. Die USA waren im ersten Halbjahr 2024 Deutschlands wichtigster Handelspartner. Sie sind das neunte Jahr in Folge der größte Abnehmer deutscher Produkte mit Pharma, Maschinen und Autos an der Spitze. Mit ausländischen Direktinvestitionen in Höhe von 658 Milliarden US-Dollar ist Deutschland inzwischen der drittgrößte ausländische Investor in den USA.

Auch wenn es Amerika war, das gewählt hat, muss die deutsche Ampel-Regierung auf das Wahlergebnis reagieren. Ob sie das tut, indem sie sich zusammenreißt und eine gemeinsame, klare Linie vertritt, ob sie einfach so weiter macht wie bislang und sich an ihre Mandate klammert, oder ob sie sich auflöst und so vorgezogene Neuwahlen ermöglicht – das wird sich womöglich schon bald zeigen.

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Maximilian Modler

                                                                            ***

Maximilian Modler berichtet über spannende Entwicklungen aus den Bereichen Energie, Technologie - und über alles, was sonst noch für die deutsche Wirtschaft relevant ist. Er hat BWL, Soziologie und Germanistik in Freiburg, London und Göteborg studiert. Als freier Journalist war er u.a. für die Deutsche Welle, den RBB, die Stiftung Warentest, Spiegel Online und Verbraucherblick tätig.

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