Politik

DWN-Interview mit Thomas Bachheimer: BRICS-Staaten im Aufwind – Westen in der Krise?

Der BRICS-Gipfel im russischen Kasan hat gezeigt: Die BRICS-Staaten entwickeln sich nicht nur zu einem wirtschaftlichen, sondern auch zu einem geostrategischen Schwergewicht. Thomas Bachheimer, Chefökonom des österreichischen Edelmetall-Handelshauses GVS/Goldvorsorge, hat die Veranstaltung besucht und berichtet von den Perspektiven dieser Allianz. Und er geht der Frage nach, ob und wie sie die US-amerikanische Weltordnung herausfordern.
14.12.2024 06:01
Aktualisiert: 01.01.2030 11:45
Lesezeit: 10 min
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DWN-Interview mit Thomas Bachheimer: BRICS-Staaten im Aufwind – Westen in der Krise?
Steht eine grundlegende Veränderung der globalen Machtverhältnisse bevor (Foto: dpa).

DWN: Sie sind zum BRICS-Gipfel vom 22. bis zum 24. Oktober ins russische Kasan geflogen. Wie war die Hin- und Rückreise? Reisen nach Russland sind doch wahrscheinlich nicht unkompliziert.

Thomas Bachheimer: An und für sich stellt eine Einreise nach Russland, aus den Emiraten kommend, überhaupt kein Problem dar und ist relativ unkompliziert. Die Grenzkontrollen sind seit Beginn der „Spezialoperation“ natürlich besonders gründlich, aber wenn man den österreichischen Pass zusammen mit der „Residency“ der Emirate präsentiert, geht es etwas schneller. Andere europäische Bürger, die z. B. über Estland eingereist sind, berichteten, dass sie wesentlich länger am Einreiseschalter warten mussten und dass die Sache auch deutlich komplizierter war.

Von der Einreise war ich daher positiv überrascht. Die Ausreise hingegen gestaltete sich etwas schwieriger, da man hier meinen Pass genau überprüft hat – also mit einer Lupe und Beleuchtung wurden sowohl Pass als auch Visum kontrolliert. Ich musste mich drei- oder viermal drehen und meinen Kopf in bestimmten Winkeln dem Zöllner präsentieren, um zu zeigen, dass das wirklich ich bin.

Sehr überrascht war ich allerdings davon, dass man auch als Europäer von den Sanktionen betroffen sein kann. In meinem Fall hat Aeroflot den Rückflug nach St. Petersburg 36 Stunden vor Abflug verschoben, sodass ich meinen Anschlussflug nach Dubai nicht mehr erreichen konnte. Ich musste mir also einen neuen Flug buchen und eine zusätzliche Nacht bleiben. Dadurch hatte ich zu wenig Bargeld mit, da ich – typisch österreichisch – davon ausgegangen bin, dass man in Russland über ein gewisses „Work-around“ doch mit Kreditkarten zahlen könne. Noch dazu war ich dumm genug, die stets mitgeführte Goldmünze für Notfälle vor der Abreise aus dem Portemonnaie zu nehmen. So war ich knapp bei Kasse und konnte mir auch kein Geld vor Ort besorgen; nur ein Freund in Europa, der ein russisches Konto hatte, konnte mich aus meiner misslichen Lage befreien. Dieser Fehler passiert mir sicher nicht noch einmal.

DWN: Hatten Sie auch Gelegenheit, sich die Stadt Kasan anzusehen und dort ein paar Eindrücke zu sammeln?

Thomas Bachheimer: Ich war schon 2018 anlässlich der WM dort und war von der Schönheit der Stadt, den vielen interessanten Bauwerken und dem Kulturbetrieb überaus beeindruckt, weshalb ich heuer umso lieber wieder hingefahren bin. Kasan ist eine der ältesten Städte Russlands und wird nach Moskau und St. Petersburg inoffiziell als die „dritte Hauptstadt Russlands“ bezeichnet. Sie ist die wirkliche Hauptstadt von Tatarstan und eine faszinierende Mischung aus russischer und tatarischer Kultur. Christen und Muslime leben hier seit Jahrhunderten in einem 50:50-Verhältnis in friedlicher Koexistenz.

Das Wahrzeichen der Stadt ist der beeindruckende Kreml (UNESCO-Weltkulturerbe), in dem sich die wunderschöne Kul-Scharif-Moschee und die Mariä-Verkündigungs-Kathedrale erheben. Diese harmonische Koexistenz islamischer und christlicher Architektur spiegelt die kulturelle Vielfalt der Stadt und das friedliche Miteinander unterschiedlicher Religionen und Kulturen wider.

Der Baumann-Boulevard ist zum Beispiel voller Leben, gesäumt von Cafés, Souvenirläden und Straßenkünstlern. Er ist ein Treffpunkt für Einheimische und Besucher und erinnert ein wenig an Paris in seinen besten Tagen Ende des 20. Jahrhunderts. Die Uferpromenade entlang der Wolga bietet herrliche Ausblicke und lädt zu entspannten Spaziergängen ein. Kasan wirkt dynamisch und modern, mit einem Hauch orientalischer Mystik und herzlicher Gastfreundschaft. Besonders beeindruckend sind die vielen Museen und kulturellen Festivals, die die reiche Geschichte und die Bräuche Tatarstans zelebrieren. Eine Stadt, in der man die Seele Russlands und zugleich den Geist der Tataren spürt – Kasan ist absolut einzigartig – auch kulinarisch. Eher nix für Veganer, aber Fleischliebhaber, insbesondere Freunde von Pferdefleisch, kommen hier voll auf ihre Kosten.

Präsident Putin hat mit dieser Stadt als Austragungsort sicherlich auch ein Zeichen gesetzt und damit erklärt: so wie Kazan bestehen auch die BRICS aus unterschiedlichen Menschen, Traditionen, Kulturen und Religionen und so wie in Kazan kann auch in den BRICS-Staaten ein langandauerndes und erfolgreiches Zusammenleben zur Beförderung aller Einwohner (Mitglieder) gelingen.

DWN: Zum BRICS-Gipfel: Die BRICS-Staaten sind ja kein Staatenbund. Wie könnte man sie bezeichnen? Wo liegen die fundamentalen Unterschiede zur EU?

Thomas Bachheimer: Schon im letzten Jahr in Johannesburg betonten die offiziellen Vertreter der BRICS-Staaten, dass sie von der EU gelernt haben und kein so starres Top-Down-System errichten wollen, wie es die EU hat. Sie wollen auch rechtlich nicht miteinander vernetzt werden und keine gemeinsame Gesetzeslage schaffen – schließlich handelt es sich nicht um eine bundesstaatliche Struktur. Vielmehr versteht man sich als ein informelles Forum und eine politische Allianz zur wirtschaftlichen und politischen Kooperation, für multilateralen Dialog und gemeinsames Handeln in internationalen Angelegenheiten, jedoch ohne rechtliche Verpflichtungen und ohne überstaatliche Organisation.

Weitere Unterschiede zur EU sind, dass kein rechtlich-institutioneller Rahmen vorhanden ist. Die Ziele und der Fokus der BRICS liegen nicht auf wirtschaftlicher Integration und politischer Einheit, wie es für eine engere politische Union typisch wäre. Stattdessen geht es um die Förderung multipolarer Machtstrukturen und wirtschaftlicher Kooperation sowie um die Bildung eines Gegengewichts zu westlichen Institutionen wie dem IWF und der Weltbank. Während die EU auf gemeinsame politische und wirtschaftliche Standards setzt, Demokratie, Menschenrechte und Marktwirtschaft betont, vereinen die BRICS-Staaten unterschiedliche Systeme (von Demokratien wie Indien und Brasilien bis zu autoritären Elementen wie Russland und China).

Die EU ist ein Binnenmarkt mit freiem Waren-, Personen- und Kapitalverkehr sowie einer Zollunion. BRICS hingegen besitzt keine gemeinsame Wirtschaftspolitik und nur eingeschränkte Handelsabkommen untereinander, bietet aber die gegenseitige Zusicherung, sich bei internationalen Handelsgeschäften zu bevorzugen. Während die EU-Länder ähnliche Entwicklungsstandards haben, sind die BRICS-Staaten in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung sehr unterschiedlich: Während China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist, zählt sich Südafrika noch immer zu den Emerging Markets.

DWN: Bereits am letzten BRICS-Gipfel in Johannesburg im August 2023 nahmen Sie teil. Was hat sich seitdem in der Welt bewegt? Haben die BRICS-Staaten an Einfluss gewonnen?

Thomas Bachheimer: Natürlich haben die BRICS-Staaten massiv an Einfluss gewonnen. In Johannesburg wurde beschlossen, dass Saudi-Arabien (im Nachhinein allerdings eingeschränkt), die Vereinigten Arabischen Emirate, Iran, Ägypten, Äthiopien und auch Argentinien (dieses ist inzwischen wieder ausgetreten) dem Pakt beitreten würden. Diese Erweiterung brachte nicht nur wirtschaftliche, sondern vor allem auch geostrategische und logistische Machtzugewinne. Man bedenke, dass nun die Straße von Hormus und der Suezkanal komplett in BRICS-Hand sind.

Daher kann man davon ausgehen, dass hier neben der Zusammenarbeit in der Rohstoff-Gewinnung auch durch die geopolitische Aufstellung ein Machtschub für die nächsten Jahrzehnte generiert wurde. Immerhin laufen mehr als 40 Prozent des europäischen Rohstoffbedarfs aus Asien über diese beiden Seewege. Zudem hat man strategische Bündnisse geschmiedet und die diesjährigen Beitritte vorbereitet. Es wurde eine neue Klasse von BRICS-Staaten begründet: Es gibt die klassischen BRICS-Staaten, die BRICS+ und die BRICS-Partnerstaaten. Das Bündnis hat sich also extrem erweitert und wird so seine strategische Bedeutung fast exponentiell steigern. Gleichzeitig bleiben die BRICS jedoch flexibel und informell, wodurch sie für viele weitere Staaten attraktiv sind.

DWN: Welche konkreten Beschlüsse wurden in Kasan gefasst? Und wo sind die Ergebnisse hinter den Erwartungen zurückgeblieben?

Thomas Bachheimer: Erstens: Erweiterung um die BRICS-Partnerstaaten: Die neuen Staaten Algerien, Belarus, Bolivien, Kuba, Indonesien, Kasachstan, Malaysia, Nigeria, Thailand, Uganda, Usbekistan und Vietnam wurden aufgenommen. Einige dieser Länder sind echte Bevölkerungsriesen, andere wirtschaftsstarke und rohstoffreiche Staaten. Ähnlich wie im Vorjahr (bei Argentinien und Saudi-Arabien) ist jedoch auch dieses Jahr bei einigen Neuen nicht ganz klar, ob und wie genau sie mit im Spiel sind. Bei der Türkei, die sehr gerne beitreten würde, haben die BRICS ein äußerst reserviertes Verhältnis, aufgrund der Einbindung des Landes in die NATO und in westliche Interessen. Die NATO hat jedoch über Generalsekretär Rutte verlauten lassen, dass sie einem Beitritt der Türkei gelassen entgegensehe, da es sich ja um „nichts Militärisches“ handle.

Zweitens: Schaffung einer BRICS-Getreidebörse: Diese Börse soll die Ernährungssicherheit stärken und den landwirtschaftlichen Handel innerhalb der BRICS-Staaten fördern – angesichts globaler Unsicherheiten auf den Rohstoffmärkten ein wichtiger Schritt. Für „den Westen“ könnte dies eine Herausforderung darstellen, da die wichtigsten Rohstoffbörsen seit der Nachkriegszeit in westlichen Ländern angesiedelt waren. Bisher hatten wir diese Einblicke in globale Angebots- und Nachfragestrukturen, was sich jetzt ändern könnte. Besonders die Märkte für Energie und Getreide könnten für uns weniger transparent werden und dadurch werden wir lernen, welche luxuriöses Leben wir bzgl. Preistransparenz hatten.

Drittens: Eine umfassende Reform des globalen Finanzsystems: Die BRICS-Staaten forderten eine Neustrukturierung globaler Finanzinstitutionen wie des IWF, um die Vertretung der Schwellenländer zu stärken und das System inklusiver und repräsentativer zu gestalten.

Viertens: Reform der UNO, WTO, WHO und anderer „Nachkriegs-Agenturen“: Dabei bekennen sich die BRICS einerseits zu diesen Strukturen und möchten sie sogar verstärken, insbesondere in der Pandemievorsorge und Gesundheitskooperation mit der WHO. Einige BRICS-freundliche Beobachter sehen diesen Fokus jedoch skeptisch, besonders das geplante BRICS-Forschungszentrum für Impfstoffe und ein Frühwarnsystem zur Prävention von Infektionskrankheiten, das in Zusammenarbeit mit der WHO entstehen soll.

DWN: Ist das nicht Wasser auf die Mühlen der BRICS-Skeptiker und ruft Verschwörungstheoretiker auf den Plan, die meinen, dass die BRICS nun die „Neue Weltordnung“ umsetzen, wie sie in den 90ern von Schwab und den Bushs erdacht wurde?

Thomas Bachheimer: Absolut, und viele BRICS-Skeptiker haben sich zu Wort gemeldet. Die Motivation für das Pro-WHO könnte jedoch an einer Tatsache liegen, auf die uns die niederländische Gesundheitsministerin kürzlich hingewiesen hat. Vergangene Woche erklärte sie während einer Parlamentsdebatte zur Pandemievorsorge, dass sie an die Verpflichtungen der NATO gebunden sei. Ein neuer Bericht mit dem Titel „NATO 2030: Gemeinsam für eine neue Ära“ beschreibt das Engagement der NATO in den Bereichen „Pandemien“ und „Klima“ sowie die mögliche Einrichtung einer „institutionalisierten Stabsverbindung“ zwischen NATO und EU – für viele ein fragwürdiger und wenig bekannter Plan. Möglicherweise wollten die BRICS mit ihrer verstärkten Einbindung der UNO-Organisationen diesem westlichen Einfluss etwas entgegensetzen.

DWN: Welche Handels- und wirtschaftlichen Ziele dürften die BRICS-Staaten in den nächsten Jahren besonders verfolgen?

Thomas Bachheimer: Die BRICS-Staaten sind darauf ausgerichtet, ihre Handels- und Wirtschaftspolitik verstärkt auf eine multipolare Weltordnung auszurichten, indem sie sich weiter von westlichen, insbesondere US-dominierten Finanzstrukturen lösen. Eine Schlüsselrolle dürften dabei Infrastrukturprojekte spielen, vor allem im Rahmen der Belt-and-Road-Initiative, die asiatische, afrikanische und südamerikanische Märkte enger verbinden soll. Ressourcensicherung, insbesondere für Rohstoffe und Energie, sowie die Förderung technologischer Unabhängigkeit sind ebenfalls bedeutende Ziele, um die Resilienz gegenüber westlichen Sanktionen zu stärken. Ein wichtiger Punkt ist auch, dass die BRICS als führende Rohstoff-Exporteure künftig die Art und Weise der Abrechnung von Rohstofflieferungen an den Westen bestimmen könnten. Zum ersten Mal seit der Nachkriegszeit hätten Produzenten und nicht Konsumenten bzw. deren Börsen die Kontrolle über Preise und Abrechnungsmodalitäten.

DWN: Viel wurde in der letzten Zeit von einer „Ent-Dollarisierung“ der Weltwirtschaft gesprochen. Wie weit sind die Bemühungen der BRICS-Staaten gediehen, Zahlungsmethoden „am Dollar vorbei“ zu etablieren?

Thomas Bachheimer: Sowohl im letzten Jahr als auch 2024 wurde viel über die Ent-Dollarisierungs-Bemühungen der BRICS gesprochen. 2023 waren es vor allem ausländische Medien, die über einen Goldstandard und eine mögliche neue Währung berichteten. Dieses Jahr, im September, gab es jedoch vermehrt Äußerungen aus dem BRICS-Inneren.

Der Chef der Eurasischen Wirtschaftsunion und Ökonom Sergei Glasjew erwähnte eine neue Abrechnungswährung, „The Unit“ (bestehend aus 40 Prozent Gold und 60 Prozent Währungen der fünf klassischen BRICS-Staaten), als potenziellen Befreiungsschlag. Auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow deutete an, dass eine gemeinsame BRICS-Abrechnungswährung die Abhängigkeit vom US-Dollar verringern könnte.

Dennoch war das Thema gemeinsames Zahlungssystem nicht das Hauptthema des Gipfels. Hinter den Kulissen wird jedoch eifrig an „BRICSpay“, „mBridge“ und „The Unit“ gearbeitet – anscheinend sind diese Systeme noch nicht bereit für die Öffentlichkeit. In der Zwischenzeit kommuniziert man nach dem Motto: „Wir arbeiten nicht an der Ent-Dollarisierung, wir stärken nur unsere Währungen, um den US-Dollar nicht mehr nutzen zu müssen.“

Im Übrigen hat man sich heuer überhaupt einer „weicheren Terminologie“ bedient („wir sind nicht antiwestlich – wir sind nur nicht der Westen“), was auch Anlass zu Spekulationen gab, dass es sich bei BRICS um alten Wein in neuen Schläuchen handeln müsse. Dem kann aber gegenüber gehalten werden, dass die Handlungen und Entschlüsse einem Kuschelkurs massiv widersprechen und die neue Terminologie eben der alten asiatischen Kriegskunst geschuldet sein könnte: „Niemand betritt das Feld und sagt ich bin der Feind, sondern gewinne sein Vertrauen und nutze den Vorteil“.

DWN: Welche geo- und sicherheitspolitischen Ziele dürften die BRICS-Staaten in den nächsten Jahren besonders verfolgen?

Thomas Bachheimer: Falls es für den Westen schlecht läuft, könnten die BRICS-Staaten einen eigenen Binnenraum schaffen – wie die Erweiterung in Johannesburg gezeigt hat. Die Straße von Hormus, der Suezkanal und der Persische Golf sind fast vollständig unter BRICS-Einfluss. Der Iran hat China den Ausbau des Hafens Tschahabar im Süden des Landes für über 10 Mrd. USD gestattet. Parallel dazu bauen die Russen mehrere Cargo-Bahnstrecken, etwa von Moskau über den Kaukasus bis in den Südiran oder über Kasachstan nach Zentralasien. Damit wird eine Verbindung von Moskau bis Indien und China geschaffen, was westliche Strategen alarmieren dürfte.

DWN: Könnte eine Annäherung an die BRICS-Staaten auch für einige europäische Länder interessant sein? Und wenn ja, für welche und warum?

Thomas Bachheimer: Ja, mittlerweile haben die BRICS einen Anteil von bald 40 Prozent am globalen BIP und sind größer als die G7. Sie sind ein sicherer Rohstofflieferant und mit einiger Sicherheit auch ein potenzieller Abnehmer europäischer Produkte. Als heimatliebender Österreicher, der angesichts des europäischen Polit-Irrsinns um die künftige Rohstoffsicherheit bangt, wäre mir eine Annäherung an die BRICS lieber als die „hochneurotische“ EU, der Arbeitnehmerrechte Transsexueller wichtiger erscheinen als Energielieferkontingente für die nächsten Jahrzehnte.

Ein Beitritt des derzeit isolierten Serbien könnte ebenfalls möglich sein. Vizepremier Aleksandar Vulin war in Kasan und sagte auf die Frage, ob BRICS für Serbien infrage käme: „Ja, selbstverständlich. Die BRICS haben nämlich die drei Grundwerte – Gott, Vaterland und Familie – nicht vergessen. Diese Werte kann man in der EU nicht mehr finden.“ Die Türkei hat ebenfalls ein Beitrittsgesuch eingereicht, das jedoch von den BRICS-Staaten zurückgestellt wurde. Man möchte die politischen und militärischen Verbindungen der Türkei zur NATO erst genauer prüfen. NATO-Generalsekretär Rutte erklärte dazu: „Von uns aus okay, es ist ja nur eine wirtschaftliche und keine militärische Vereinigung.“

Gut vorstellen könnte ich mir auch, dass in einigen Jahren das der eine oder andere Visegrad-Staat die Nase voll von der EU hat und die Seiten wechseln könnte.

DWN: Herr Bachheimer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Thomas Bachheimer: Darf ich noch zum Abschluss eine (nicht gestellte) „Bonus-Frage“ beantworten: Was hat Putin in Kasan den Deutschen ausgerichtet?

DWN: Selbstverständlich.

Thomas Bachheimer: Putins O-Ton zu Nord Stream II: „Es gibt noch einen Strang auf dem Grund der Ostsee. Es kostet die deutschen Behörden nur einen Knopfdruck – und alles geht. Aber sie tun es nicht. Aus politischen Gründen“, betonte der russische Regierungschef. „Schrauben Sie das Ventil auf und sagen Sie, wir wollen empfangen. Morgen werden sie anfangen zu empfangen, eine Woche ist nötig. Sie wollen es nicht. Offensichtlich haben sie erwartet, dass, wenn sie unser Gas nicht nehmen, wir schneller zusammenbrechen, als sie irreversible Prozesse haben werden. Aber die irreversiblen Prozesse fangen gerade erst an.“

Als gelernter Österreicher fällt mir dazu nur der geniale Sprachkünstler Falco ein, der schon vor 40 Jahren gesungen hat:

„Hallo, hallo, Deutschland, hört ihr mich – ist da jemand oder täusch’ ich mich?“

Titel des Songs „No Answer“.

Info zur Person: Thomas Bachheimer ist seit 2020 Chefökonom des österreichischen Edelmetall-Handelshauses GVS/Goldvorsorge und baut seit 2022 in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Filiale der GVS auf. Er ist speziell in den Bereichen der Wirtschaftsanalyse bekannt. Bachheimer war über 10 Jahre Gastanalyst für Edelmetalle und Energie-Rohstoffe für diverse US-TV-Sender (CNBC Bloomberg, Reuters) und ist auch als Redner und Kommentator in verschiedenen Medien, klassisch und online, präsent, wo er seine Perspektiven zu Wirtschafts- und Finanzthemen teilt. Seit 2016 betreibt er die Wirtschaftsplattform bachheimer.com. Bachheimer ist der Generalsekretär des Goldstandard Institutes Europa, einer Organisation, die sich für die Rückkehr zum Goldstandard als Basis des Währungssystems einsetzt, und er vertritt häufig Ansichten, die sich kritisch mit der Fiat-Währungspolitik, der Schuldenwirtschaft und den Praktiken der Zentralbanken auseinandersetzen.

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