Politik

Neuwahl: Termin im Februar oder März im Gespräch

Im Ringen um den Termin für die Neuwahl des Bundestags wird es zunehmend wahrscheinlicher, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Vertrauensfrage früher stellt als bislang für Mitte Januar vorgesehen. Die Union hat indessen akzeptiert, dass eine Neuwahl des Bundestags nicht so rasch wie gewünscht umsetzbar ist. Allerdings lehnt sie den Vorschlag der SPD ab, erst im März den Wahltermin anzusetzen. Welche Möglichkeiten also bestehen?
11.11.2024 20:45
Aktualisiert: 11.11.2024 20:45
Lesezeit: 3 min
Neuwahl: Termin im Februar oder März im Gespräch
Die Kuppel des Reichstagsgebäudes wird über der Fraktionsebene am Morgen erleuchtet: Wann finden Neuwahlen statt? Einen Termin gibt es immer noch nicht (Foto: dpa). Foto: Fabian Sommer

Das politische Tauziehen um den Termin für die Neuwahl des Bundestags nach dem Scheitern der Ampel-Koalition nimmt Fahrt auf. Die mögliche Zeitspanne fokussiert sich auf Februar oder März. Eine frühestmögliche Neuwahl im Januar ist nun ausgeschlossen, da Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – wie von der Union gefordert – die Vertrauensfrage im Bundestag bereits diese Woche hätte stellen müssen, was 48 Stunden vorher beantragt sein müsste. Diese Frist verstrich am Mittwoch.

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz favorisiert nun Bundestag Neuwahlen im Februar. Im CDU/CSU-Fraktionsvorstand nannte der CDU-Parteichef den 16. oder 23. Februar als realistische Termine, wie die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf Teilnehmerkreise berichtet. Laut "Rheinische Post" habe Merz erklärt, der ursprünglich vorgeschlagene Termin am 19. Januar sei zu früh angesetzt. Die SPD wiederum könnte anstreben, erst nach den Hamburger Wahlen zu wählen, da sie sich von ihrer Hochburg Rückenwind für die Bundestagswahl erhofft. Hamburg wählt seine Bürgerschaft am 2. März.

Scholz überträgt Terminfindung an Fraktionsvorsitzende

Ursprünglich plante Scholz, die Vertrauensfrage am 15. Januar zu stellen und damit eine Bundestag Neuwahl Ende März zu ermöglichen. Nach erheblichem öffentlichen Druck äußerte er sich am Sonntag in der ARD-Sendung "Caren Miosga" jedoch offen dafür, die Vertrauensfrage bereits vor Weihnachten zu stellen – vorausgesetzt, die Fraktionschefs von SPD und CDU/CSU, Rolf Mützenich und Friedrich Merz, finden eine Einigung. Die Führung der Unionsfraktion fordert, dass Scholz die Vertrauensfrage noch im laufenden Jahr stellt. "Die SPD ist jetzt gefordert, einen konkreten Zeitplan vorzulegen", hieß es aus der Fraktion. "Sobald der Termin feststeht, könnten auch Gespräche über verbleibende zentrale Themen im Bundestag aufgenommen werden."

Im CDU/CSU-Fraktionsvorstand betonte Merz laut "Rheinischer Post" erneut, dass Scholz zuerst die Vertrauensfrage stellen müsse. Seine Minderheitsregierung habe keine Mehrheit mehr. "Auf die Tagesordnung kommt nur noch, was wir vorher gemeinsam besprochen haben", zitierte ihn die Zeitung.

FDP fordert rasche Bundestag-Neuwahlen

Die FDP, die die Ampel-Koalition ebenfalls verlassen hat, setzt sich ebenso für eine rasche Bundestag Neuwahl ein. "Das Wichtigste ist, dass das Land bald eine Richtungsentscheidung treffen kann", so FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nach der Präsidiumssitzung seiner Partei. Die FDP will sich vor einer Entscheidung zum Wahltermin nicht auf noch offene Reformprojekte festlegen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr warnte vor wirtschaftlichen Schäden durch Verzögerungen. "Wenn es nach Olaf Scholz geht, hätten wir erst im Sommer eine neue Regierung", sagte er der dpa. "Das Vakuum, in das Scholz das Land manövriert hat, kostet täglich Arbeitsplätze und Wohlstand."

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wies die Warnungen der FDP vor einer "Hängepartie" zurück: "Da ist die FDP wirklich schnell auf der Erkenntnisspur", sagte er in Berlin. Sie hätte eine Hängepartie am Mittwoch verhindern können – an jenem Tag zerbrach die Ampel-Koalition.

Kritik an Bundeswahlleiterin

Bundeswahlleiterin Ruth Brand bekräftigte nach Gesprächen mit Landeswahlleitungen ihre Empfehlung, den Wahltermin nicht zu früh anzusetzen. "Um organisatorische Herausforderungen, die sich durch die Fristen ergeben, zu bewältigen, sollte die im Grundgesetz festgelegte Frist von 60 Tagen zwischen der Auflösung des Bundestags und der Bundestag Neuwahl ausgeschöpft werden", teilte sie mit. Wahlleitungen auf allen Ebenen in Bund, Ländern und Gemeinden bereiteten sich bereits auf organisatorische Maßnahmen vor. Am Dienstag wird Brand im Wahlprüfungsausschuss des Bundestags erwartet, der in einer Sondersitzung über den Termin für die Neuwahl des Bundestags beraten wird. In der Union gibt es Kritik an Brand, da sie in einem Brief an den Kanzler vor "nicht kalkulierbaren Risiken" bei einer zu frühen Wahl gewarnt hatte. CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführer Patrick Schnieder (CDU) sagte der dpa, er erwarte von Brand, "sich nicht vor den parteipolitischen Karren des Kanzlers spannen zu lassen".

Regierungssprecher Steffen Hebestreit wies den Vorwurf gegen Scholz als absurd zurück. Er verstehe das Ziel der Opposition, eine schnelle Bundestag Neuwahl anzustreben. "Dennoch sollte es eine ordentliche Wahl sein, bei der nicht alle Hinweise auf Risiken ignoriert werden", so Hebestreit. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verschiebt aufgrund der unklaren Lage eine für nächste Woche geplante Reise nach Saudi-Arabien. Er wolle in Berlin Gespräche mit den politisch Verantwortlichen führen können, hieß es aus dem Bundespräsidialamt. Der "Spiegel" hatte zuerst darüber berichtet. Steinmeier kommt eine Schlüsselrolle zu: Wenn Scholz bei der Vertrauensfrage im Bundestag wie erwartet keine Mehrheit bekommt, kann der Bundespräsident innerhalb von 21 Tagen das Parlament auflösen und eine Neuwahl des Bundestags ansetzen. Diese müsste dann innerhalb von 60 Tagen stattfinden.

Parteien melden neuen Zulauf

FDP-Generalsekretär Djir-Sarai berichtete, dass die Liberalen nach dem Bruch der Ampel-Koalition rund 1.300 Neueintritte von Mitgliedern verzeichneten. Bis zum Wochenende seien etwa 80 Austritte zu verzeichnen gewesen. Die FDP-Mitgliederzahl war zuletzt auf rund 70.000 gesunken. Laut Generalsekretär Matthias Miersch registrierte die SPD seit dem Ampel-Crash mehr als 1.000 Parteieintritte online.

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