Wirtschaft

Der DWN-Marktreport: Trump-Euphorie lässt nach, aber Investmentbanken behalten positiven Ausblick bei

Nach den deutlichen Marktreaktionen auf den klaren US-Wahlausgang setzt Beruhigung ein, doch zwischen Notenbank und Donald Trump deutet sich Konfliktpotenzial an. Erste Investmentbanken veröffentlichen Jahresprognosen für 2025.
19.11.2024 12:15
Lesezeit: 5 min
Der DWN-Marktreport: Trump-Euphorie lässt nach, aber Investmentbanken behalten positiven Ausblick bei
Wall Street-Größen präsentieren optimistische Prognosen für das kommende Jahr. (Foto: iStock.com, Fabrice Cabaud) Foto: Fabrice Cabaud

Ganz entgegen den Erwartungen, nach denen die Finanzmärkte ein Wahlsieg Donald Trumps weitestgehend eingepreist hätten, lieferten diese am Folgetag ab und bescherten den Anlegern den besten Nachwahltag in der Geschichte des US-Aktienmarktes. Für Rückenwind sorgte dabei der Umstand, dass in den vorangegangenen Tagen auf Grund des bestehenden Unsicherheiten bezüglich des Wahlausgangs ein nicht unerheblicher Teil der sogenannten Trump-Trades, also der Positionen, die besonders von einem Sieg Donald Trumps profitieren würden, aufgelöst worden sind und nun abermals aufgebaut wurden sowie die überraschende Deutlichkeit des Sieges, der den Republikanern auch die Mehrheit im Senat und Repräsentantenhaus sichert und damit ein weitgehend ungestörtes durchregieren erlaubt.

Dabei läuft es naturgemäß besonders gut für die US-Märkte, außerhalb zeigt sich ein anderes Bild. So fiel der MSCI-Index für globale Aktien ohne die USA in der vergangenen Woche auf den niedrigsten Stand seit drei Monaten, der Index für die Schwellenländer verzeichnete die schlechtesten vier Tage seit Anfang August, und auch der europäische STOXX Europe 600 Index lässt seit dem Wahltag Federn. Insbesondere die Rohstoffmärkte leiden unter dem starken US-Dollar. Dieser befindet sich seit Anfang Oktober in einem kräftigen Aufwärtstrend, welcher mit dem für die US-Wirtschaft potenziell günstigen Wahlausgang weiter fortsetzt. Aktuell notiert der Greenback auf einem 13-Monatshoch.

Die Fed hat es nicht mehr eilig

Derzeit kühlt die durch den Trump-Sieg ausgelöste spekulative Euphorie ab und es werden einige der in den Tagen nach den Präsidentschaftswahlen getätigten Haussegeschäfte aufgrund der Aussicht auf langsamere Zinssenkungen wieder aufgelöst. So betonte Notenbankchef Jerome Powell unmittelbar nach der jüngsten Viertelprozentpunkt-Zinssenkung am vorvergangenen Donnerstag, dass der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl „keine Auswirkungen“ auf die kurzfristigen Entscheidungen der Zentralbank haben würde und sie es nicht eilig habe, die Zinssätze zu senken. Trump hatte den Fed-Chef in der Vergangenheit mehrfach öffentlich kritisiert und während seiner ersten Amtszeit im Weißen Haus die Möglichkeit erwogen, Powell zu entlassen. Trumps Agenda¸ die höhere Zölle, niedrigere Steuern und eine lockerere Regulierung beinhaltet, könnte die Teuerung erneut anfachen und die langfristigen Zinsen nach oben treiben, was die Fed zwingen könnte, geplante Zinssenkungen wieder zurückzunehmen. Powell hat in seiner vielbeachteten Pressekonferenz sehr deutlich gemacht, dass er die längerfristigen Inflationserwartungen für unverändert intakt hält und dem eingeschlagenen Zinspfad treu zu bleiben gedenkt, betonte aber auch die fortbestehende Datenabhängigkeit.

Sprich, man wird die eingehenden Inflationsdaten weiter genau prüfen, um festzustellen, ob eine weitere Zinssenkung angebracht ist. Abwarten und Tee trinken statt forschem „weiter so“. Dies wohl auch angesichts zunehmender Stimmen aus den Reihen der Zentralbanker, die ihr Unsicherheit darüber bekräftigen, wie weit die Fed in ihrem Lockerungszyklus gehen muss. Bemerkenswert deutlich wies Powell darauf hin, dass er bereit sei, sich jeglichem aufkommendem politischen Druck zu widersetzen - auf die Frage, ob er zurücktreten würde, wenn Trump seinen Rücktritt forderte, antwortete er mit einem sehr entschiedenen „Nein“. Zum Ende der vergangenen Woche reduzierten die Marktteilnehmer ihre Schätzungen für eine Zinssenkung im nächsten Monat auf weniger als 60 Prozent gegenüber bis dahin rund 80 Prozent.

Starker Dollar drückt den Rohstoffsektor

Während die Edelmetalle Gold und Silber dem Anstieg des US-Dollars (sowie der Anleiherenditen) im Vorfeld der US-Wahl beeindruckend widerstanden haben, entzieht ihnen der klare Ausgang zum einen einen großen Teil der Unsicherheitsprämie. Zum anderen schüren die jüngsten Aussagen von US-Notenbankchef Jerome Powell Zweifel an einer weiteren Zinssenkung in den USA noch vor Jahresende, was den Dollar weiter unterfüttert und die dollarsensitiven Vertreter des Rohstoffsektors belastet. Auch der bevorstehende Amtsantritt des designierten US-Präsidenten im Januar dürfte den Dollar weiter stärken und damit den Edelmetallen zusetzen. Als Sonderfaktor kommt zu dieser Zeit des Jahres auch bei Gold und Silber das zum Jahresende besonders bedeutsame Window-Dressing der Anlagegesellschaften hinzu, im Zuge dessen Gewinnmitnahmen zu erwarten sind und bestimmte Kursbewegungen nicht überinterpretiert werden sollten. Im neuen Jahr ist davon auszugehen, dass die von Donald Trump angekündigt Politik die Inflation deutlich erhöhen wird, was dem Edelmetallsektor mittel- bis langfristig wieder zugutekommen sollte.

Wie mittel- bis langfristig hingegen das „digitale Gold“ vom Trump-Effekt profitieren kann, muss sich erst noch zeigen. Zwar ist Bitcoin von seinem Allzeithoch am vergangenen Mittwoch bei über 93.400 Dollar leicht zurückgefallen, hat aber seit der Präsidentschaftswahl immer noch 30 Prozent zugelegt. Ob, und In welchem Umfang, Donald Trump seine für digitale Vermögenswerte tatsächlich bahnbrechende regulatorische Agenda wie versprochen umsetzen, und darüber hinaus einen strategischen US-Bitcoin-Bestand anlegen, kann bleibt abzuwarten. Immerhin hat Trump im Wahlkampf versprochen, die USA in den Mittelpunkt der Krypto-Industrie zu stellen, und mit wohlgesonnen Regulierungsbehörden und billiger Energie die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Bis jetzt glauben die Marktteilnehmer daran. Nach Angaben der Bank of America flossen allein in den ersten drei Tagen der vergangenen Woche rekordverdächtige 6 Milliarden Dollar in Krypto-Fonds. Mit einem Gesamtvermögen von 35 Milliarden Dollar ist der iShares Bitcoin Trust von BlackRock mittlerweile mehr als zwei Milliarden Dollar schwerer als der iShares Gold Trust.

Der Rohölsektor wirkt angesichts dessen glanzlos und mit seinen ganz profanen Angebots- und Nachfragefaktoren buchstäblich fossil. Neben dem starken Dollar lastet hier vor allem die schwächelnde chinesische Konjunktur auf den Preisen, die sich bereits seit Anfang Juli in südliche Richtung bewegen. So enttäuschte auch Chinas jüngster Konjunkturplan die Anleger, die auf ein Nachfragewachstum im zweitgrößten Ölverbraucher der Welt hofften. Parallel dazu droht das Angebot im kommenden Jahr zu steigen, auch, da Donald Trump entsprechend seines schon aus der letzten Amtszeit bekannte Slogans „drill, Baby, drill“ agieren und die US-Produktion anheizen dürfte. Und während die eher verbraucherorientierte International Energy Agency (IEA) angesichts der kommenden Nachfrage schon lange pessimistisch ist, senkt nun mit der OPEC auch die Produzentenlobby die Prognosen. Neben einer erneuten Ausweitung des Nahost Konflikts ist es vor allem die Befürchtung einiger Anleger, dass der künftige US-Präsident Sanktionen gegen den Iran verhängen könnte. Dies würde im kommenden Jahr das Rohölangebot belasten und ist derzeit einer der wenigen preisstützenden Faktoren.

Wall Street mit Ausblick für 2025

Derweil beginnen auch die großen Wall Street-Namen damit, ihre Prognosen für das kommende Jahr zu veröffentlichen, mit einem grundsätzlich positiven Tenor. So sehen die Analysten von Goldman Sachs die globalen Aktienmärkte in 2025 im Schnitt um 10 Prozent steigen, unterstützt durch den weltweit eingeleiteten Zinssenkungszyklus und damit einhergehendem Wirtschaftswachstum. Für den US-Markt zeigt sich bemerkenswerterweise der für seine zumeist äußerst bärischen Positionen bekannte Morgen Stanley-Stratege Michael Wilson ungewöhnlich optimistisch. Seiner Erwartung nach wird der S&P 500 das nächste Jahr bei etwa 6.500 Punkten beenden, was einem Anstieg von fast 11 Prozent gegenüber dem Stand zum Wochenschluss entspricht. Auch für europäische Aktien sehen die großen Investmentbanken eine gute Entwicklung voraus, nachdem der STOXX Europe 600 im laufenden Jahr mit einem Plus von bis jetzt 4,6 Prozent weit hinter seinem US-Pendant zurückgeblieben ist (S&P 500 plus 23 Prozent).

Wenn dieser Trend bis Dezember anhält, wäre dies die größte Underperformance seit 1995. Für das kommende Jahr erwartet Barclays hingegen einen Anstieg um immerhin 7 Prozent. China gegenüber bleibt der Konsens jedoch pessimistisch, vor allem auf Grund des dort herrschenden Deflationsdrucks und der nur geringen Chance, dass die chinesische Regierung genügend fiskalische Anreize bereitstellen wird, um die schwächelnde Wirkung ausreichend anzuschieben. Für Gold bleibt insbesondere Goldman Sachs optimistisch und empfiehlt das gelbe Edelmetall als einen seiner Top-Rohstofftrades für 2025. Das Kursziel sehen die Analysten vor dem Hintergrund sich fortsetzender Zentralbankkäufe und Zinssenkungen in den USA bei 3.000 Dollar bis zum Jahresende.

Allerdings scheinen Prognosen angesichts der kommenden Machtübergabe in Washington mehr denn je dem Blick in die Kristallkugel zu gleichen. Schließlich beruhen Prognosemodelle auf stabilen Beziehungen und wahrscheinlichen Annahmen, ob die kommenden Beziehungen jedoch stabil sein werden oder welches die Annahmen überhaupt sind, ist mit einem für eine gewisse Sprunghaftigkeit bekannten Donald Trump eher ungewiss.

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Markus Grüne

                                                                            ***

Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 

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