Nachdem CDU, BSW und SPD letzten Freitag den gemeinsamen Koalitionsvertrag präsentierten, schienen die wochenlangen Streitigkeiten um die Bildung einer Landesregierung scheinbar beseitigt. Doch jetzt regt sich interner Widerstand in der SPD: Während CDU und BSW den Koalitionsvertrag auf einer Mitgliederversammlung beziehungsweise von Funktionären bestätigen lassen möchten, hat die SPD eine Online-Abstimmung ins Leben gerufen, die bis zum 9. Dezember laufen soll. Und die könnte die Brombeer-Koalition noch platzen lassen!
Thüringer SPD startet Mitgliederbefragung
Daran sollen die 3.400 Mitglieder des thüringischen Landesverbandes teilnehmen. Jedoch könnten die stimmenstarken Jusos, die immerhin 700 der Mitglieder ausmachen, dort für Widerstand sorgen. Zudem ist fraglich, ob alle älteren Parteimitglieder an der technischen Abstimmungsmethode teilnehmen.
Eine Abstimmung in Echtzeit auszurichten, beispielsweise in Zusammenhang mit der Listenaufstellung für die Bundestagswahl am 14. Dezember, hatte die Parteiführung abgelehnt. Vermutlich auch, weil sich der CDU-Landesvorsitzende Mario Voigt noch vor Weihnachten zum Ministerpräsidenten wählen lassen möchte.
Jusos lehnen Regierungsbildung ab
Die Jusos hatten sich wie auch der linke Flügel der SPD vor wenigen Tagen gegen eine Koalition mit den Christdemokraten und dem BSW ausgesprochen – zahlreiche Parteimitglieder könnten daher gegen den 100-seitigen Koalitionsvertrag stimmen. Für die mögliche Regierung wäre das ein fatales Signal. Schon jetzt kommen die drei Parteien auf nur 44 der 88 Sitze und haben somit keine absolute Mehrheit.
Dementsprechend müssten die Linke oder eben die AfD im Landtag für Anträge der Koalition stimmen – vor allem mit letzterer wollen die Genossen aber unter keinen Umständen zusammenarbeiten. Würden die SPD-Mitglieder den Koalitionsvertrag deshalb oder wegen der migrationskritischen Ausrichtung des Papiers ablehnen, müsste neu verhandelt oder die SPD ausgeschlossen werden.
Kommt es doch zu einer Minderheitenregierung?
Das wiederum würde bedeuten, dass sich die Regierungsbildung weiter verzögert oder eine Minderheitsregierung aus CDU und BSW erst recht auf die Stimmen der AfD angewiesen wäre – und einer Zusammenarbeit aufgrund der fehlenden Gegenstimmen der SPD aufgeschlossener wäre.
Mit 32 Sitzen stellt die AfD die stärkste Fraktion im Thüringer Landtag und verfügt damit obendrein über eine Sperrminorität. Die sowieso starke Stellung der Partei könnte durch den innerparteilichen Widerstand in der SPD also noch einmal gestärkt werden.
Wagenknecht sah positive Entwicklungen
Das BSW hat bereits für den 7. Dezember einen Parteitag einberufen, bei dem über die Zustimmung zum Koalitionsvertrag abgestimmt wird. Anders als beim Sondierungspapier kamen von der Parteigründerin Sahra Wagenknecht diesmal positive Reaktionen auf den geplanten Koalitionsvertrag.
Die bisherigen Verhandlungen in Thüringen wurden maßgeblich durch Forderungen von Wagenknecht zu den Themen Krieg und Frieden beeinflusst. Die Namensgeberin des BSW zeigte sich nun zufrieden mit dem Verlauf der Gespräche. Nach allem, was sie wisse, sei der geplante Koalitionsvertrag ihrer Partei mit CDU und SPD „deutlich anders als das Sondierungspapier. Und darüber sind wir sehr froh“, sagte Wagenknecht in der ARD-Talksendung „Maischberger“. Allerdings habe es dafür auch Druck gegeben.
Die drei Parteien einigten sich auf eine Präambel zum Koalitionsvertrag, die das Thema Krieg und Frieden aufgreift, was jedoch bisher nicht im Sinne von Wagenknecht war. Das BSW wollte daraufhin nachbessern. Es hieß, dass die friedenspolitischen Positionen des BSW nun auch im Vertragstext berücksichtigt würden.
Ziele festgelegt, Ressortverteilung noch offen
Laut den Beteiligten umfasst der Koalitionsvertrag konkrete Projekte und Ziele in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wirtschaft, Migration, Verwaltungsmodernisierung, Soziales und kommunale Entwicklung. Weitere Details sollen am Freitag bekannt gegeben werden. „Uns ist ein guter Aufbruch gelungen, der das Leben der Thüringer spürbar verbessern wird“, erklärten die Partner. Die Gespräche seien zügig und pragmatisch verlaufen, wobei alle Beteiligten gezeigt hätten, „dass sie über parteipolitische Grenzen hinweg im Interesse des Landes handeln“.
Es wurde auch der Zuschnitt der Ministerien diskutiert. Derzeit hat Thüringen neben dem Ministerpräsidenten acht Fachministerien sowie einen Staatskanzleichef im Ministerrang. Der Ressortzuschnitt sei noch nicht endgültig festgelegt, hieß es aus Verhandlungskreisen.
Thüringen-Koalition auf knappen Sitzvorsprung angewiesen
CDU, BSW und SPD verfügen im Thüringer Landtag über 44 von 88 Sitzen. Eine mögliche Brombeer-Koalition, die nach den Parteifarben benannt wird, wäre somit bei Entscheidungen auf mindestens eine Stimme der Opposition – also von Linke oder AfD – angewiesen.