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Fachkräfte finden und halten: So punkten KMU bei der Generation Z

Fachkräftenachwuchs ist Mangelware und gerade mittelständische Unternehmen spüren den Druck mehr denn je. Die Recruiting-Spezialistinnen Amelie Köpple und Nicole Bauer zeigen auf, wie KMU als attraktive Arbeitgeber sichtbar werden, junge Talente für sich gewinnen – und langfristig an sich binden können.
15.12.2024 05:55
Lesezeit: 6 min
Fachkräfte finden und halten: So punkten KMU bei der Generation Z
Wie KMU junge Fachkräfte ansprechen, finden und langfristig binden können (Foto: iStock/Heiko119). Foto: Heiko119

Berufseinsteigende und Berufserfahrene stehen oft vor einer der wichtigsten Entscheidungen ihrer Karriere: Gehe ich zu einem Großkonzern, einem Start-up oder doch lieber in den Mittelstand? Während Siemens, BMW und andere namhafte Arbeitgeber aufgrund ihres Bekanntheitsgrades und oft attraktiver Gehälter als erste Wahl gelten, gerät der Mittelstand manchmal aus dem Fokus.

Laut einer aktuellen Studie des Berliner Marktforschungsinstituts Trendence unter 13.000 Studierenden gelten vor allem große Automobilhersteller und Technologiekonzerne als beliebteste Arbeitgeber. Doch auch sie haben mit dem anhaltenden Fachkräftemangel zu kämpfen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln schätzt, dass allein im Jahr 2024 rund 49 Milliarden Euro an Wertschöpfung verloren gehen könnten, weil Stellen unbesetzt bleiben ­– bis 2027 könnten es sogar 74 Milliarden Euro sein, so die Prognose der IW-Statistiker.

Fest steht: Gut ausgebildete Fachkräfte sind hierzulande Mangelware. Branchenverbände schlagen daher längst Alarm: Laut des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) waren im ersten Quartal 2024 in Deutschland etwa 148.000 Stellen für Ingenieurberufe unbesetzt. Trotz eines Rückgangs um 15,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bleibe der Bedarf auf einem hohen Niveau.

Personalexpertin Nicole Bauer: „KMU sollten ihre Flexibilität gezielt nutzen“

Auch mittelständische und familiengeführte Unternehmen spüren den Fachkräftemangel deutlich. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) warnte Anfang November in einem Positionspapier vor den erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen der Personalengpässe. Darin betont BVMW-Präsident Markus Ahlhaus: „Der Fachkräftemangel ist längst zu einer existenziellen Gefahr für den Mittelstand geworden.“ Ahlhaus fordert deshalb gezielte Investitionen in Bildung und Weiterbildung, um langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der mittelstdändischen. Unternehmen zu sichern.

Doch wie können kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Wettbewerb mit Großkonzernen hochqualifizierte Bewerberinnen und Bewerber für sich gewinnen? „Indem sie ihre Stärken herausstellen und Talente gezielt ansprechen”, sagt Nicole Bauer, Geschäftsführerin der Talentscout Consulting GmbH, einem auf die Beratung von KMU in den Bereichen Recruiting und Employer Branding spezialisierten Unternehmen. Laut Bauer liegen diese Stärken vor allem in der Flexibilität, der Nähe zu den Mitarbeitenden und der Möglichkeit individueller Entwicklungspfade. Dies sei besonders wichtig, um Bewerbergruppen zu erreichen, die sich in den starren Strukturen großer Konzerne nicht wiederfinden, so die Personalexpertin.

TikTok und Co.: Wie KMU die Generation Z ansprechen und gewinnen

Ein zentraler Aspekt im Wettbewerb um Talente ist die Ansprache potenzieller Bewerberinnen und Bewerber – besonders der Generation Z. Diese bewegt sich überwiegend auf digitalen Plattformen wie TikTok, Instagram und YouTube. „Genau hier müssen KMU präsent sein, um sichtbar zu bleiben und authentisch zu wirken,“ erklärt Amelie Köpple, Gründerin von HR Consulting & Support.

Köpple berät mittelständische Unternehmen bei der Entwicklung moderner HR-Strategien, um ihre Arbeitgebermarke zu stärken und Nachwuchstalente zu gewinnen. Die Rekrutierungsspezialistin empfiehlt dafür den Einsatz von Video-Content: „Kurze und prägnante Videos können die reduzierte Aufmerksamkeitsspanne in sozialen Medien optimal nutzen und gleichzeitig Einblicke in die Unternehmenskultur geben.“

Geht es nach Personalberaterin Köpple sollten KMU folgende Maßnahmen umsetzen, um die Generation Z gezielt anzusprechen:

  1. Setzen Sie auf Plattformen wie LinkedIn, TikTok oder Instagram, um authentische Einblicke in Ihren Arbeitsalltag zu gewähren.
  2. Lassen Sie Ihre Mitarbeitenden oder Azubis aktiv in Social-Media-Kampagnen mitwirken – authentische Stimmen wirken überzeugender.
  3. Nutzen Sie Videos, Livestreams oder interaktive Formate, um den Dialog mit potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern zu fördern.
  4. Kommunizieren Sie aktiv, welche Werte Ihr Unternehmen lebt, und zeigen Sie Beispiele aus dem Arbeitsalltag.
  5. Vereinfachen Sie den Bewerbungsprozess durch mobile und benutzerfreundliche Tools, die Hürden abbauen, junge Talente ansprechen und den direkten Kontakt ermöglichen.

“Wichtig ist, dass über alle genutzten Kanäle hinweg ein stimmiger und glaubwürdiger Eindruck vermitteltb wird”, unterstreicht Köpple.

Gefragt: Authentizität und Storytelling

Die Bedeutung von Inhalten ist auch für Recruiting-Expertin Nicole Bauer maßgeblich: „Die Generation Z möchte spüren, dass sie Teil von etwas Echtem und Bedeutsamem wird”, unterstreicht Bauer. “Ich erinnere mich an ein Unternehmen, das bei einem Recruiting-Video einen Azubi seine persönliche Erfolgsgeschichte erzählen ließ – von der ersten Bewerbung bis zur Übernahme nach der Ausbildung. Die Resonanz darauf war unglaublich: Es kamen nicht nur Likes und Klicks, sondern echte Bewerbungen, weil junge Menschen sich darin wiedererkannten.“ Solche authentischen Einblicke würden eine eine starke Verbindung zur Zielgruppe schaffen.

Eine solche digitale Präsenz von KMU in den Sozialen Medien sei jedoch nur der erste Schritt, weiß Amelie Köpple aus ihrer Beratungserfahrung. Damit aus Likes und Views tatsächlich Bewerbungen und letztendlich Mitarbeitende werden, müssten Unternehmen die Kandidatenerfahrung überzeugend gestalten: „Ein transparenter und unkomplizierter Bewerbungsprozess ist entscheidend, um das Vertrauen der Bewerbenden zu gewinnen und ihr Interesse am Unternehmen aufrechtzuerhalten.”

Bewerbende in der Pflicht: Qualität der Bewerbungen im Fokus

Einerseits müssen KMU ihre Strategien zur Gewinnung und zum Halten von Fachkräften verbessern. Doch andererseits stehen auch die Bewerbenden selbst in der Pflicht. Laut einer Studie des BVMW haben fast 70 Prozent der mittelständischen Unternehmen seit 2023 einen spürbaren Qualitätseinbruch bei Bewerbungen von Schulabgängern verzeichnet. Für Martin Wortmann, Generalsekretär der Bildungsallianz des Mittelstands eine besorgniserregende Entwicklung. „Nicht nur die Leistungen der Bewerbenden sind gesunken, auch die Leistungs- und Risikobereitschaft nimmt ab,“ sagte Wortmann gegenüber den DWN.

Diese Veränderungen hätten direkte Auswirkungen auf die Unternehmen, die zunehmend Schwierigkeiten hätten, motivierte und qualifizierte Nachwuchskräfte zu finden. Wortmann kritisiert insbesondere die Abkoppelung des deutschen Schulsystems von den realen Anforderungen der Wirtschaft. „Die Leistungen der Schüler sinken, die Ausbildung von Fachkräften ist zunehmend veraltet, und der Zustand der Bildungsinfrastruktur ist katastrophal”, so Wortmann weiter.

Die Verantwortung für die Verbesserung dieser Situation liege laut Wortmann jedoch nicht allein bei den Schulen und der Politik. Er fordert, dass auch junge Menschen und ihre Eltern die Bedeutung von Engagement und Eigenverantwortung stärker in den Vordergrund rücken müssten. Der Erfolg im Beruf hänge nicht nur von den Unternehmen ab, sondern auch von der Bereitschaft, sich den Herausforderungen des Arbeitsmarkts aktiv zu stellen.

Schnelle Reaktionen, einfache Prozesse: Der Schlüssel zu Talenten

Gleichzeitig müssen auch die Unternehmen ihre Hausaufgaben machen, denn im Wettbewerb um Talente zählt vor allem eines: Schnelligkeit. KMU müssen in der Lage sein, Bewerbungen schnell zu bearbeiten und zeitnah Rückmeldung zu geben. „Bewerberinnen und Bewerber erwarten heute klare Strukturen und eine wertschätzende Kommunikation. Ghosting, also das Ausbleiben einer Antwort, kann das Image eines Unternehmens nachhaltig schädigen”, warnt Köpple. Sie setze auf einen nachhaltigen Ansatz im Recruiting. Ein reibungsloser Prozess und eine wertschätzende Kommunikation eröffneten zudem die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt wieder in Kontakt zu treten. Dies reduziere den Recruitingaufwand für künftige Bewerbungen.

„Der Bewerbungsprozess ist der erste Eindruck, den Talente von einem Unternehmen bekommen – und dieser muss sitzen“, unterstreicht auch Personalstrategin Nicole Bauer. „Für KMU liegt hier eine große Chance: Ein klar strukturierter, mobilfreundlicher Bewerbungsprozess ohne unnötige Hürden zeigt Respekt und Professionalität, was die Candidate Experience entscheidend verbessert.“

Da viele Bewerbende, insbesondere aus der Generation Z, Stellenanzeigen oft direkt auf ihrem Smartphone lesen und häufig keinen Lebenslauf gespeichert haben, sei es wichtig, einen Bewerbungsprozess zu gestalten, der auch ohne den klassischen Lebenslauf auskomme. Eine unkomplizierte, schnelle Bewerbung via Smartphone erleichtere den Einstieg und steigere die Wahrscheinlichkeit, dass Talente ihre Bewerbung tatsächlich abschicken. “Die nächste Herausforderung für KMUs ist schließlich die langfristige Bindung von Talenten an das Unternehmen”, so Bauer.

Fachkräfte binden: Warum Werte und Kultur entscheidend sind

Doch die langfristige Bindung von Talenten erfordert mehr als nur einen gelungenen Bewerbungsprozess. “Die Generation Z sucht nicht nur einen Arbeitsplatz, sondern ein Umfeld, in dem sie sich entfalten kann”, betont Mittelstandsberaterin Köpple. „Junge Talente möchten wissen, dass ihre Arbeit geschätzt wird und dass sie sich in einem Unternehmen langfristig weiterentwickeln können.“ Eine transparente Kommunikation und regelmäßige Feedbackgespräche seien essenziell, um diese Bedürfnisse zu erfüllen.

Köpple sieht daher die Unternehmenskultur als entscheidenden Hebel: „Unternehmen, die langfristig erfolgreich junge Talente anziehen und halten wollen, müssen die ‚extra Meile‘ gehen. Es reicht nicht, nur oberflächlich Werte zu kommunizieren – diese müssen aktiv im Unternehmensalltag gelebt und auch dahingehende Prozesse hinterfragt werden.“ Besonders junge Talente seien sehr sensibel für Diskrepanzen zwischen dem, was gesagt werde, und dem, was tatsächlich passiere, so Köpple weiter. Nur Unternehmen, die sich wirklich um die Umsetzung ihrer Werte bemühen, könnten sich langfristig im Wettbewerb um Talente behaupten.

Recruiting-Expertin Bauer fasst es mit Nachdruck zusammen: „Langfristige Bindung ist kein Zufallsprodukt. Sie ist das Ergebnis einer Unternehmenskultur, die von Wertschätzung und Mitgestaltung lebt. Jedes mittelständische Unternehmen habe die Chance, aus Herausforderungen Chancen zu machen, indem es die Menschen in den Mittelpunkt stellt. „Wenn Mitarbeitende spüren, dass sie nicht nur eine Nummer sind, sondern ein unverzichtbarer Teil des Ganzen, entsteht eine Loyalität, die Gehalt und Benefits bei weitem übertrifft. Wer Talente fördert, ihnen Raum zum Wachsen gibt und das Gefühl vermittelt, Teil von etwas Großem zu sein, verwandelt Mitarbeitende in leidenschaftliche Botschafter der eigenen Marke.“

Zur Person: Mittelstandsexpertinnen Amelie Köpple und Nicole Bauer

Amelie Köpple ist die Gründerin von HR Consulting & Support. Ihr Fokus liegt auf der Entwicklung moderner HR-Strategien, die KMU dabei unterstützen, ihre Arbeitgebermarke zu stärken und Talente langfristig zu binden. Mit ihrem praxisorientierten Ansatz hilft sie Unternehmen, authentische Werte zu kommunizieren und die Generation Z gezielt anzusprechen.

Nicole Bauer ist Geschäftsführerin von Talentscout Consulting GmbH und Expertin für strategisches Recruiting. Sie berät mittelständische Unternehmen bei der Optimierung von Bewerbungsprozessen, dem Einsatz digitaler Tools und der Entwicklung nachhaltiger Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung. Ihr Fokus liegt darauf, Unternehmen im Wettbewerb um Talente konkurrenzfähig zu machen.

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