Personalmangel in Kitas: Lösungen und Herausforderungen
Wieder einmal ist es eine Notbesetzung in der Kita oder sogar eine kurzfristige Schließung für mehrere Tage wegen Krankheit – um den Betrieb trotz einer dünnen Personaldecke aufrechtzuerhalten, werden immer häufiger Personen ohne formale pädagogische Qualifikation in den Kitas beschäftigt. Laut einer bundesweiten Studie hat sich dieser Trend in den letzten Jahren verstärkt. Gleichzeitig sinkt der Anteil der Fachkräfte, die mindestens eine Ausbildung als Erzieherin oder Erzieher haben. Dies geht aus dem "Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme" der Bertelsmann Stiftung hervor.
Wer zählt in Kitas als Fachkraft?
Pädagogische Fachkräfte, die einen einschlägigen Hochschul- oder Fachschulabschluss besitzen, wie etwa Erzieherinnen, Sozialpädagogen oder Kindheitspädagogen, gelten als qualifizierte Fachkräfte in Kitas, erklärt Studienautorin Kathrin Bock-Famulla der Deutschen Presse-Agentur. Kinderpflegerinnen oder Sozialassistentinnen, die lediglich eine zweijährige Ausbildung absolviert haben, gehören jedoch nicht dazu. Die Regelungen, wer ohne formale pädagogische Qualifikation in den Kitas arbeiten darf, unterscheiden sich je nach Bundesland. In Baden-Württemberg beispielsweise dürfen auch Hebammen oder Logopädinnen problemlos in die Kita-Arbeit einsteigen. In Niedersachsen ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, dass auch Eltern oder Rentner in Kitas tätig werden. In Bremen gibt es den Vorschlag, dass Personen ohne jegliche pädagogische Qualifikation bis zu zwei Stunden pro Tag arbeiten dürfen. In Bayern ist es sogar so, dass eine Kitaleitung keine pädagogische Ausbildung mehr benötigt – eine Betriebswirtin könnte diese Funktion übernehmen.
Fachkraftquote: Absenkung nur in Ausnahmesituationen
Anette Stein von der Bertelsmann Stiftung betont, dass es in Ausnahmefällen vertretbar sein kann, vorübergehend die Anforderungen an das Personal zu senken. Ein dauerhaftes Absenken der Fachkraftquote – wie es in vielen Bundesländern bereits zu beobachten sei – dürfe jedoch nicht der Weg der Wahl sein. Die anspruchsvolle Arbeit mit den Kindern erfordere nach wie vor die entsprechende pädagogische Qualifikation. In der Arbeitsgruppe Frühe Bildung von Bund und Ländern wurde die Empfehlung ausgesprochen, langfristig eine Fachkraftquote von 85 Prozent pro Kita-Team anzustreben. Der Anteil qualifizierter Fachkräfte in den Kita-Teams ist jedoch gesunken: Von 75,8 Prozent im Jahr 2017 auf 72,5 Prozent im Jahr 2023. Besonders aussagekräftig ist die Tatsache, dass 2023 nur noch jedes dritte Kita-Team (32 Prozent) eine Quote von mehr als acht Fachkräften pro zehn pädagogisch tätigen Personen erreichte – 2017 waren es noch 41 Prozent.
Fachkräftemangel und seine Folgen für das Kita-System
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zeigt sich besorgt über diese Entwicklung, da der Fachkräftemangel in den Kitas nicht nur die Qualität der frühkindlichen Bildung beeinträchtigt, sondern auch die Arbeitsbedingungen für das bestehende Fachpersonal erschwert. Die Bildungsgewerkschaft Komba spricht von einem „Riesenproblem für das System Kita“. Auch der Sozialverband Deutschland sieht die Zahlen als alarmierend und warnt vor den langfristigen Folgen – insbesondere in Bereichen wie der Integration von zugewanderten Kindern, der oft nicht umgesetzten Inklusion und dem sinkenden Bildungsniveau.
Belastungen für Fachkräfte in Kitas
Die Tatsache, dass in vielen Kitas immer häufiger Personen ohne formale pädagogische Qualifikation arbeiten, führt zu einer zusätzlichen Belastung für die Fachkräfte. Bock-Famulla weist darauf hin, dass das Fachpersonal oft dazu verpflichtet wird, unqualifizierte Mitarbeitende während des Kita-Betriebs "on the job" anzuleiten. Diese zusätzliche Verantwortung stellt eine hohe Belastung dar, die nicht jeder Fachkraft in vollem Umfang leisten kann. Das wirkt sich nicht nur auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter aus, sondern auch auf die Teamdynamik. Dies bestätigte auch eine Befragung der Universität Gießen, bei der fast die Hälfte der befragten Kita-Beschäftigten angab, sich täglich oder fast täglich überlastet zu fühlen. Viele schätzen die Wahrscheinlichkeit, den Beruf kurz- bis mittelfristig zu verlassen, als sehr hoch ein. Besonders stark ausgeprägt ist das Abwanderungsrisiko bei jüngeren Fachkräften im Alter zwischen 26 und 30 Jahren.
Frühkindliche Förderung: Warum qualifizierte Fachkräfte wichtig sind
Die ersten Lebensjahre eines Kindes sind entscheidend für seine Entwicklung, insbesondere im emotionalen, kognitiven und motorischen Bereich. Bock-Famulla hebt hervor, dass es notwendig ist, die Qualität der Betreuung in dieser wichtigen Phase sicherzustellen. Sie warnt davor, die Anforderungen an Fachkräfte in Kitas aufgrund des Fachkräftemangels dauerhaft zu senken. Kinder benötigen eine individuelle Förderung, besonders im Hinblick auf ihre sprachliche Entwicklung und ihre sozialen Fähigkeiten. Um dies zu gewährleisten, ist eine fundierte Ausbildung der Fachkräfte unverzichtbar.
Quereinsteiger: Eine mögliche Lösung?
Der Landeselternbeirat der Kindertageseinrichtungen sieht Quereinsteiger als eine sinnvolle Ergänzung für Kita-Teams, wenn diese eine angemessene Qualifikation besitzen. Personen wie Ergotherapeuten oder Logopädinnen, die grundlegende Kenntnisse in der Entwicklung von Kindern mitbringen, könnten so eine wertvolle Unterstützung sein. Laut der Sprecherin des NRW-Landeselternbeirats, Daniela Heimann, sei es jedoch entscheidend, dass Quereinsteiger vor ihrem Einsatz in den Kitas eine Basisqualifikation von mindestens 160 Unterrichtsstunden absolvieren. In einigen Bundesländern wird jedoch auch darüber diskutiert, Quereinsteiger ohne jegliche Qualifikation in die Kitas zu bringen und sie dort im laufenden Betrieb fortzubilden. Heimann sieht diese Praxis kritisch und warnt davor, die Fachkräfte weiter zu belasten. Der Fachkräftemangel in den Kitas ist ein ernstes Problem, das auch die Familien stark belastet, wenn es zu Personalausfällen kommt.
Die Herausforderungen, die sich durch den Fachkräftemangel in den Kitas ergeben, sind vielfältig und komplex. Zwar gibt es in einigen Fällen praktikable Lösungen, wie den Einsatz von Quereinsteigern unter bestimmten Voraussetzungen, doch langfristig bleibt die Forderung nach einer Sicherstellung einer hohen Fachkraftquote, um die Qualität der frühkindlichen Bildung in Deutschland zu gewährleisten.