Politik

Russland intensiviert Drohnenangriffe auf die Ukraine

Nach einer kurzen Pause eskaliert Russland seine Drohnenangriffe auf die Ukraine: In Kiew heulen die Sirenen, während an der Front ukrainische Soldaten von Einkesselung bedroht sind. Internationale Hilfen sollen die Abwehr stärken – doch reicht das aus?
13.12.2024 10:03
Aktualisiert: 13.12.2024 10:03
Lesezeit: 3 min
Russland intensiviert Drohnenangriffe auf die Ukraine
Durch einen russischen Raketeneinschlag wurden Gebäude in Saporischschja im Südosten der Ukraine beschädigt. Mindestens drei Menschen sind getötet worden und 14 Personen verletzt. Ein Bürogebäude, ein medizinisches Zentrum und andere Gebäude sind beschädigt. (Foto: dpa) Foto: -

Russland hat die Ukraine nach einigen Tagen Pause über Nacht erneut mit einer großen Zahl von Kampfdrohnen angegriffen. Für die Hauptstadt Kiew wurde am Donnerstagabend erstmals nach vier Tagen Ruhe wieder Luftalarm ausgelöst. Die ukrainische Luftwaffe berichtete auf ihrem Telegram-Kanal von feindlichen Kampfdrohnen in fast allen Regionen der Mitte, des Nordens und des Ostens des Landes.

„Achtung! Stadt Kiew! Bleiben Sie in Schutzräumen. Feindliche Kampfdrohne im Anflug von Norden“, warnten die Behörden die Bürger der Metropole. In einem Stadtteil nahe dem Zentrum fielen laut Bürgermeister Vitali Klitschko Teile einer Drohne nieder, ohne Brände oder Verletzungen zu verursachen.

Explosionen wurden aus Sumy, Charkiw und Wynnyzja im Westen gemeldet. Genaue Angaben zu Schäden lagen zunächst nicht vor. Neben den Drohnen setzte die russische Armee laut ukrainischen Angaben auch lenkbare Gleitbomben ein, die von Flugzeugen abgeworfen werden. Russland intensivierte die Angriffe mit Kampfdrohnen iranischer Bauart in den vergangenen Wochen und setzte manchmal mehr als 100 Fluggeräte in einer Nacht ein. Gleichzeitig schoss Russland nach Moskauer Militärangaben zahlreiche ukrainische Drohnen über den Grenzregionen Belgorod und Rostow ab.

Ukrainischen Soldaten droht Einkesselung bei Kurachowe

An der Front in der Ostukraine verschlechtert sich die Lage der ukrainischen Verteidiger weiter. Nach Angaben ukrainischer Militärbeobachter droht einer ungenannten Zahl von Soldaten die Einkesselung südlich von Kurachowe im Gebiet Donezk. Sie hatten dort lange Stellungen auf beiden Seiten des Flusses Suchi Jaly gehalten, doch das Vorrücken der Russen in den Ort Uspeniwka schneidet ihren Rückzugsweg ab. „Es ist schwer zu verstehen, welchen Sinn es hat, den ‚Sack von Uspeniwka‘ zu halten, wenn der Feind weiterhin schrittweise Kurachowe einnimmt“, hieß es auf dem Militärblog „DeepState“.

Der Generalstab äußerte sich nicht detailliert zur Lage an diesem Frontabschnitt und berichtete nur von heftigen Kämpfen um Kurachowe. Ebenso umkämpft sei Pokrowsk. Aus dieser Stadt wurden weitere Zivilisten evakuiert, die bislang dort ausgeharrt hatten.

Selenskyj in Fast-Frontstadt Saporischschja

Zwei Tage nach einem russischen Raketenangriff mit elf Toten reiste der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in die ebenfalls immer stärker vom Krieg betroffene Großstadt Saporischschja. Er besuchte die beschädigte Klinik, in der am Dienstag eine Rakete eingeschlagen war, und gedachte der Opfer. Ebenso besichtigte er eine neu gebaute unterirdische Schule für 1.000 Kinder.

„Es gibt viel zu tun in Saporischschja: die Sicherheitslage, der Schutz des Himmels“, sagte Selenskyj in einer Videobotschaft. In der Stadt im Süden, die vor dem russischen Angriffskrieg 700.000 Einwohner hatte, beriet der Präsident mit dem Militär über die Lage an der näher rückenden Front. Sollten ukrainische Truppen die letzten Städte im östlichen Gebiet Donezk räumen müssen, sind es bis Saporischschja am Dnipro nur 130 Kilometer offenes Steppenland.

Jermak: Ukraine zu schwach für Verhandlungen mit Moskau

Zur laufenden internationalen Diskussion über Auswege aus dem Krieg sagte der ukrainische Präsidialamtschef Andrij Jermak, das Land sei derzeit nicht stark genug für Verhandlungen mit Moskau. „Heute sind wir noch nicht so weit. Uns fehlen Waffen, uns fehlt ein Status“, sagte er im ukrainischen Fernsehen. „Wir sprechen über eine Einladung in die Nato und klare Garantien, die sicherstellen würden, dass (Kremlchef Wladimir) Putin nicht in zwei oder drei Jahren zurückkehrt.“

In Berlin sicherten die Außenminister mehrerer europäischer Länder der Ukraine standhafte Unterstützung und den Einsatz für tragfähige Sicherheitsgarantien zu, falls es nach der Amtsübernahme von Donald Trump als US-Präsident im Januar zu Verhandlungen über einen Waffenstillstand kommen sollte. Unklar bleibt, wie die Garantien aussehen könnten. Pläne für eine europäische Friedenstruppe sind derzeit nicht konkret. In Warschau berieten am Mittwoch der polnische Ministerpräsident Donald Tusk und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron über die Lage. Macron mahnte einen Schulterschluss mit den USA an.

Die scheidende US-Regierung unter Präsident Joe Biden stellt der Ukraine weitere Waffen zur Verfügung, um die Abwehr des russischen Angriffskriegs zu unterstützen. Das Hilfspaket hat einen Umfang von 500 Millionen US-Dollar (rund 477 Millionen Euro), wie das US-Außenministerium mitteilte. Es umfasst unter anderem Systeme zur Drohnenabwehr, Munition für das Raketenwerfersystem vom Typ Himars sowie gepanzerte Fahrzeuge. Erst vor wenigen Tagen hatte die US-Regierung ein Paket im Umfang von rund 988 Millionen US-Dollar (rund 935 Millionen Euro) bekanntgegeben.

Unter Präsident Biden sind die USA der größte Waffenlieferant und politisch wichtigste Unterstützer der Ukraine. Doch am 20. Januar steht der Machtwechsel in Washington an – und der Kurs in Bezug auf die Ukraine könnte sich unter Trump deutlich ändern. In Kiew besteht die Sorge, dass der Republikaner die US-Militärhilfe drastisch zurückfahren könnte. Daher hat sich die Biden-Regierung zum Ziel gesetzt, alle bereits vom Kongress genehmigten Mittel in den verbleibenden Wochen schnell und effektiv zu nutzen.

Deutsche Löschroboter in der Ukraine im Einsatz

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze beendete einen Besuch in Kiew, bei dem sie Ausrüstung übergab, die helfen soll, das beschädigte ukrainische Energiesystem winterfest zu machen. Zuletzt ließ sich die SPD-Politikerin in einer Feuerwache den Einsatz ferngesteuerter Löschroboter aus Deutschland vorführen.

Die ukrainische Vizeregierungschefin Julia Swyrydenko erinnerte bei einer Pressekonferenz mit Schulze daran, dass Deutschland die Ukraine bereits mit 37 Milliarden Euro seit Kriegsbeginn unterstützt hat. „Mir scheint, diese Summe ist die größte von allen Hilfen europäischer Staaten“, sagte Swyrydenko. Sie würdigte auch ein Umschulungsprojekt in Deutschland und anderen Ländern für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer. Die neuen Kenntnisse würden dem Land nach deren Rückkehr zugutekommen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Grüner Wasserstoff aus Dänemark: Export nach Deutschland eröffnet Chancen für die grüne Transformation
12.11.2025

Dänemark produziert grünen Wasserstoff im Überfluss, doch der heimische Markt bleibt hinter den Erwartungen zurück. Kann das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft "Wirtschaftsweise": Auch 2026 kein spürbarer Aufschwung
12.11.2025

Die deutsche Wirtschaft kommt auch 2026 kaum voran. Der Sachverständigenrat warnt vor fehlendem Aufschwung, kritisiert den Einsatz des...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kontrolle von Krankschreibungen: Wie Unternehmen Fehlzeiten effektiv prüfen
12.11.2025

Die Kontrolle von Krankschreibungen wird für Unternehmen zunehmend wichtiger, um Fehlzeiten und Missbrauch effektiv zu managen. Doch wie...

DWN
Finanzen
Finanzen Bayer-Aktie: Milliardenschwere Glyphosat-Klagen belasten Konzern
12.11.2025

Die Bayer-Aktie steht erneut unter Druck: US-Rechtsstreitigkeiten um Glyphosat und PCB zwingen den Konzern zu hohen Rückstellungen,...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis-Prognose 2026: Rohstoffexperten sehen weiteren Kursanstieg
12.11.2025

Laut aktuellen Prognosen dürften 2026 sowohl Edelmetalle als auch Industriemetalle weiter ihren Wert steigern. Analysten und Händler...

DWN
Politik
Politik COP30 in Brasilien: So sollen Milliarden die grüne Transformation und das Klima sichern
12.11.2025

Auf dem Klimagipfel COP30 in Belém stehen nicht nur ökologische Ziele im Mittelpunkt, sondern vor allem die Finanzierung der globalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation: Keine Entlastung für Verbraucher in Sicht
12.11.2025

Die Inflation in Deutschland verliert an Tempo – doch im Alltag spüren viele davon wenig. Zwar sind Energie und manche Lebensmittel...

DWN
Finanzen
Finanzen Infineon-Aktie: Warum der KI-Hype die Probleme nicht verdeckt
12.11.2025

Infineon-Aktie: Der Halbleiterkonzern Infineon enttäuscht mit seinem Ausblick – trotz florierender KI-Sparte. Während die Nachfrage aus...