Finanzen

Meister des Short Squeeze: Hindenburg Research stoppt Leerverkäufe und verlässt die Börse

Der Absturz des Luftschiffs Hindenburg 1937 in New York - für Nate Anderson war es Sinnbild seiner Mission an der Wall Street. Menschengemachte Katastrophen wollte er verhindern helfen. Man könnte auch sagen: Der Finanz-Analyst versuchte stets, Luftbuchungen zu entlarven, aufgeblasene Manager zu Fall bringen, vermeintliche Börsen-Dickschiffe auf Normalmaß zurechtzustutzen. Jetzt hört er damit auf - von heute auf morgen! Sign of the times!
17.01.2025 16:07
Lesezeit: 4 min
Meister des Short Squeeze: Hindenburg Research stoppt Leerverkäufe und verlässt die Börse
Mann mit Mission: Nathan Anderson - Gründer der Firma Hindenburg Research. (Foto: Hindenburg Research)

Der für seine Wetten gegen große Unternehmen bekannte US-Shortsteller Hindenburg Research löst sich überraschend auf. „Der Plan war, aufzuhören, wenn wir die Pipeline der Ideen, an denen wir gearbeitet haben, umgesetzt haben.“ Das teilte Finanzexperte Nathan Anderson diese Woche auf der Homepage seines Unternehmens mit und unterstrich am Mittwoch: „Dieser Tag ist heute!“

Der Rückzug des zum Helden der Finanzbranche avancierten Leerverkäufers passt in die Zeit. Mit dem Amtsantritt Donald Trumps wird es immer schwerer auf Spielregeln und zivilisierte Umgangsformen hinzuweisen. Mark Zuckerberg lässt Fake News und dem Wahnsinn freien Lauf - auf Facebook und Instagram. Elon Musk will, dass sowieso jeder machen kann, was er will, und nennt es zynisch "Freiheit". Die für die Finanzmärkte zuständige Aufsichtsbehörde SEC ist der Trump-Administration längst schon ein Dorn im Auge. Hindenburg Research hat sich unter diesen Umständen wohl auch überholt. Nate Anderson hat jedenfalls keine Lust mehr, wie er sagt. Geld hat er genug verdient mit seinen spektakulären Börsen-Coups - wobei es ihm ja in erster Linie um das Entlarven von Betrügereien ging.

Hauptfokus seiner Firma mit Sitz in New York war die Erstellung öffentlicher Berichte, in denen Hindenburg Research Firmen mitunter Betrug und kriminelle Praktiken vorwarf und dann gegen ihren aufgeblähten Aktienkurs wettete. Den Berichten lagen zumeist monatelange Recherchen zugrunde, wobei die Analysen nicht immer gleichbleibend stichhaltig waren. Dass Hindenburg Research damit auch Kritiker gegen sich aufbrachte, darf nicht wirklich verwundern. Doch die Abschussquote war enorm.

Ein Schubser reichte: Der Coup mit dem Nikola-Lkw auf abschüssiger Piste

Wie damals 2020 in der Wüste von Arizona. Als der Chef des Lkw-Herstellers Nikola Anlegern und Medien weismachen wollte, dass sein er alle technischen Probleme mit dem Wasserstoffantrieb bereits gelöst habe und demnächst seine Sattelschlepper deshalb als erste klimaneutral auf den Highways der Welt unterwegs sein werden. Beweis sollte das Video eines (wie ein Spaceship anmutenden) Lasters sein, der durch die Wüste rollte. Nate Anderson und sein elfköpfiges Team bei Hindenburg Research konnten nachweisen, dass der Truck lediglich eine abschüssige Straße hinunter rollte - von wegen neuartiger Antrieb, ein Schubser wars. Anderson nennt seine Recherchen „forensisches Finanz-Research“ - so wie man es sonst von Tatorten kennt, wo die Spurensicherung dem Täter eines Verbrechens überführt. Die Nikola-Aktie brach krachend ein - und hat sich seither nicht mehr recht erholt.

Der Gründer des US-Truck-Herstellers Nikola, Trevor Milton, ist 2022 des Betrugs vor einem Bundesgericht in Manhattan schuldig gesprochen worden. Milton wurde in drei Betrugsfällen wegen seiner überoptimistischen Versprechen Nikolas verurteilt. Er habe die Investoren des Elektro-Lkw-Start-ups in die Irre geführt. Die Strafe in solch Fällen von Wirtschaftskriminalität: bis zu 20 Jahre Gefängnis. Der Lohn des Shortsellers indessen ist die staatliche Wette auf fallende Aktienkurse. Er leiht sich Stocks und verkauft diese am Markt, in der Hoffnung, die Anteile später deutlich günstiger zurückkaufen zu können. Die Differenz verheißt zumeist, einen satten Gewinn einzustreichen. Man kann es mit Fug und Recht eine Belohnung nennen.

Wie Nate Anderson beim Maharadscha der indischen Börse die Luft abließ

Anderson deckte seit 2017 (und somit in nur wenigen Jahren) mehrfach erfolgreich Ungereimtheiten in Bilanzen auf, offenbarte illegale Geschäftspraktiken, hinterfragte überzogene Bewertungen und machte dier Täuschung von Anlegern publik. Größtes Opfer war vermutlich 2023 der indische Milliardär und einer der reichsten Männer seines Landes, Gautam Adani. Bilanzbetrug und Kursmanipulation waren nur einige der Vorwürfe gegen dessen Mischkonzern Adani Enterprises. Die Aktien wurden in Deutschland nicht an der Börse gehandelt. Hindenburg Researchs Berichte führten gleichwohl dazu, dass Adani-Papers zwischenzeitlich um fast 70 Prozent nachgaben. Die Vorwürfe gegen den indischen Unternehmer wurden bislang nicht endgültig aufgeklärt und werden es womöglich nie. Das Opfer nannte es einen "Angriff auf Indien" - der Subkontinent steht seither natürlich geschlossen hinter ihm. Die Aktie indessen liegt immer noch unterhalb des Niveaus vor Andersons fulminanter Breitseite. Adani wurde mal gehörig auf die Finger geklopft, möchte man meinen .

Selbst einen der Granden, Börsen-Investor Carl Icahn, brachte Hindenburg Research zu Fall

2023 ging auch einer der Granden unter den US-Investoren, Carl Icahn, Analysten bei Hindenburg ins Netz. Der Verdacht diesmal: Teile der Holding des Milliardärs seien zu hoch bewertet, viele Dividendenzahlungen ungedeckte Checks, die weder durch Cash-Reserven noch Performance gedeckt waren. Prompt schritt die US-Börsenaufsicht SEC ein und prüfte Icahns Bilanzen auf Herz und Nieren. Er soll Kredite in Milliardenhöhe insgeheim mit Stocks seiner Holding Icahn Enterprises (IEP) besichert haben. Im vergangenen Jahr 2024 zahlten IEP und auch Icahn selbst im Rahmen eines SEC-Vergleichs insgesamt zwei Millionen Dollar Strafe. Die IEP-Aktie rutschte ab und hat sich bis heute nicht von der Attacke erholt. Bei Hindenburg klingelte mal wieder ordentlich Kopfgeld in der Kasse.

Wenig später erteilte Nate Anderson dann auch noch der "Hohepriesterin der Börse", Cathie Wood, eine Lektion. Sie hatte Unsummen von Anlegergeldern ihres ARK Fonds in das Gaming-Unternehmen Roblox investiert. Hindenburg Research skandalisierte, dass wichtige Kennzahlen künstlich aufgeblasen worden seien, Vor allem nehme es die Spiele-Plattform mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen nicht ernst genug. Der Dip im Aktienkurs war immerhin schmerzhaft - für Roblox und Woods Geldgeber.

Trefferquote gewaltig: 100 Leute an maßgeblichen Stellen mussten ihre Siebensachen packen

Andersons Trefferliste ist lang und schmutzig. Gut 100 Personen mussten aus juristischen oder wirtschaftlichen Gründen Konsequenzen ziehen und ihren Job räumen. Lordstown, ebenfalls ein Startup in E-Auto-Bereich, wurde attackiert. Auch das kryptolastige Zahlungsunternehmen Block, eine weiteres Standbein des Twitter-Gründers Jack Dorsey. Im undurchsichtigen Bereich der Kryptowährungen ist überdies Tether ins Fadenkreuz Andersons geraten. Zuletzt ist Hindenburg wegen einer fehlerhafte Bilanzprüfung des an der US-Technologiebörse Nasdaq gelisteten Unternehmens Super Micro Computer vorgegangen.

Die Kapitalmärkte bebten eigentlich jedes Mal, wenn Hindenburg Research mit neuen Verdächtigungen in die Öffentlichkeit trug. Das Aufatmen an der Wall Street diese Woche ist jedenfalls deutlich zu vernehmen. So einige der von Anderson angegriffenen Unternehmen erholten sich prompt in ihren Notierungen. Es fühlte sich so an, als sei ein Druckabfall an der Börse zu spüren - fehlt nur noch, dass das FBI bald auch nicht mehr ermittelt und alle völlig unbehelligt ihren Geschäften nachgehen können. Mal sehen, wie sich dies auf das Vertrauen der Anleger auswirkt. Ist es die Rückkehr des Raubtier-Kapitalismus?

Nate Anderson jedenfalls will sich jetzt zur Abwechslung mal mehr Zeit für seine Familie und Freunde nehmen. Einen konkreten Anlass, Geschäftsrisiken oder etwa Gesundheitsprobleme, bestünden nicht, sagte er. Wer weiß deshalb, ob Anderson nicht irgendwann wieder zuschlägt, wenn ihm der Geduldsfaden reißt. Er hat einmal erzählt, dass er als Rettungssanitäter gearbeitet hat und ihn dies maßgeblich geprägt habe. Nicht unwahrscheinlich, dass es an den Börsen in Amerika oder auch anderswo bald neue Notfälle gibt, die seine erste Hilfe erforderlich machen. Auch der Wirecard-Skandal in Deutschland wurde bekanntlich von einem Shortseller angestoßen. Kritische Stimmen braucht jedes System - auch ein freier Markt.

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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