Wirtschaft

Wirtschaftskrise Deutschland: 6 Branchen, die sich 2025 in Deutschland besonders warm anziehen müssen

Handelskonflikte, Bürokratie und Energiekosten - 6 Branchen zittern vor dem Wirtschaftsjahr 2025 besonders. Sie haben mit massiven Standortschwächen zu kämpfen und befinden sich in einer hartnäckigen Dauerkrise.
25.01.2025 11:03
Lesezeit: 5 min
Wirtschaftskrise Deutschland: 6 Branchen, die sich 2025 in Deutschland besonders warm anziehen müssen
Die deutsche Wirtschaft steht 2025 vor einer massiven Herausforderung: Insolvenzen, Arbeitsplatzabbau und die Stilllegung von Produktionsstätten prägen das Bild der Industriebranche. (Foto: dpa) Foto: Clara Margais

Es gibt nur wenige Branchen in Deutschland, die optimistisch auf das neue Wirtschaftsjahr blicken. Neben der Pharmabranche steht auch die Medizintechnik ganz gut da und zukunftsorientierte Player wie SAP oder junge Unternehmen, die sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigen. Auch der große Lebensmitteleinzelhandel ist zuversichtlich.

Aber in unseren Schlüsselindustrien, dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft, sieht es düster aus. Stellenabbau wohin man schaut, Abwanderung ins Ausland, stillgelegte Produktionsbetriebe. Nach der neuesten IWF-Konjunkturprognose bildet Deutschland mit erwarteten 0,3 Prozent Wirtschaftswachstum im Jahr 2025 ein absolutes Schlusslicht im internationalen Vergleich und auch in Europa. Diese düstere Prognose folgt nun auf bereits zwei Jahre rezessive Dauerkrise in der deutschen Wirtschaft.

Insolvenzen auf Niveau der Finanzkrise von 2009

Das wirtschaftliche Dauertief hat seine Spuren hinterlassen, nicht zuletzt bei einem Blick auf die Insolvenzen wird dies deutlich. Nach Einschätzung des Insolvenzexperten Steffen Müller liegt die Anzahl der deutschen Unternehmensinsolvenzen derzeit auf dem Niveau der schweren Finanzkrise im Jahr 2009, mit ca. 1.400 Unternehmensinsolvenzen pro Monat.

Die strukturelle Krise in Deutschland ist nicht so schnell zu durchschreiten wie 2009

Wie der langjährig erfahrene Insolvenzverwalter Christopher Seagon von der Kanzlei Wellensiek ausführte, ist die derzeitige Wirtschaftskrise in Deutschland ein viel hartnäckigeres Thema als viele frühere Wirtschaftsflauten. Die Finanzmarktkrise 2009 konnte durch Interventionen der Notenbanken und ein damals deutlich höheres Zinsniveau stabilisiert werden. Die damals stark zurückgehende Nachfrage konnte relativ schnell wieder gestoppt werden.

Aktuell hat Deutschland jedoch mit einer ganzen Reihe an strukturellen Problemen zu kämpfen. Hierbei geht es nicht nur um eine vorübergehende Absatzflaute mit schwacher Konsumnachfrage als vielmehr um eine Reihe von echten Standortthemen, die grundlegende strukturelle Reformen benötigen und viel Zeit in Anspruch nehmen werden, so Seagon weiter. Auch der renommierte Insolvenzexperte Hans-Joachim Ziems warnt davor, dass die aktuelle Krise nur wenige Branchen verschonen wird, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht radikal ändern in Deutschland. Er sieht die Wettbewerbsfähigkeit in wichtigen Branchen für nachhaltig gefährdet.

Wohin das Auge schaut – die Lage spitzt sich zu

Massiver Stellenabbau in der Automobilindustrie, Produktionsdrosselungen und Anlagenstilllegungen in Chemie und Maschinenbau, Absatzschwund im Einzelhandel, die Baubranche als Dauerbaustelle und keine Nachfrage nach Stahl – die Lager sind voll.

Autoindustrie und Zulieferer am Limit

Die Automobilbranche als Deutschlands umsatzstärkste Industrie mit 770.000 Beschäftigten kämpft jetzt schon lange mit einer schwachen Nachfrage, den floppenden E-Autos und einer immer aggressiveren Konkurrenz aus China. Volkswagen hat bereits zu drastischen Maßnahmen gegriffen und auch Mercedes und BMW sparen um die Wette. Nach einer im Herbst 2024 erstellten Studie des Verbands der Automobilindustrie könnte die deutsche Automobilindustrie bis zum Jahr 2035 bis zu 190.000 Arbeitsplätze verlieren. Die dramatischen Probleme der deutschen Autobauer sind natürlich auch bei der Zulieferindustrie angekommen, die mit in den Abgrund gezogen wird. Der Stellenabbau bei ZF mit 10.000 bis 14.000 Arbeitsplätzen ist dabei nur der größte Brocken, auch bei Bosch fallen bis zu 3.800 Stellen weg, bei Continental über 7.000 weltweit und bei Schaeffler 2.800. Auch Michelin will zwei Reifenwerke in Deutschland schließen. Viele weitere Insolvenzen kleinerer Zulieferer ergänzen das Bild.

Auch die US-Regierung unter Donald Trump verheißt nichts Gutes für die deutsche Automobilindustrie, wenn er tatsächlich Zölle auf europäische Importe einführen wird. Die USA sind der wichtigste Auslandsmarkt der deutschen Automobilindustrie. 2025 steht unter keinem guten Stern für die deutschen Autobauer und ihre Zulieferer, die Unternehmensberatung Beryll sprach bereits von einer ähnlich existenzkritischen Krise für die deutschen Zulieferer, wie sie sie schon während der Corona-Pandemie erlebt haben.

Maschinenbauer suchen Kunden

Auch in Deutschlands zweitgrößter Industriebranche, dem Maschinenbau, sieht es mau aus und die Insolvenzen häufen sich. 14 Maschinen- und Anlagenbauer mit einem Umsatz von über zehn Millionen Euro haben bereits im ersten Halbjahr 2024 Insolvenz angemeldet. Darunter auch große Player wie Franken Guss, Illig Maschinenbau, Deubis-Gruppe, Global Retool Group und Kurt Erxleben. Im Dezember folgte der schwäbische Maschinenbauer Manz. Auch Weltmarktführer der Branche bleiben nicht verschont. Seit vielen Monaten schon macht die schwächelnde Konjunktur der Branche zu schaffen, in der in Deutschland mehr als 1,2 Millionen Menschen beschäftigt sind.

Sie leidet insbesondere unter der schwachen Nachfrage aus China und den USA und sie könnte von zukünftigen Handelskonflikten ähnlich stark betroffen sein wie die Automobilbranche. Aufgrund der weltweit schwächelnden Konjunktur fehlen dem Maschinenbau die Kunden, die in ihre Produktionsanlagen aktuell investieren wollen. Der Branchenverband VDMA rechnet in diesem Jahr mit einem Produktionsrückgang von 2 Prozent.

Chemie-Riesen ohne Perspektive

Auch der Chemie-Branchenverband VCI rechnet für 2025 mit einer Stagnation bei Aufträgen und Umsätzen. Branchenriesen wie BASF und auch Evonik ziehen drastische Sparprogramme durch und bauen tausende Stellen ab. Andere Player der Branche befinden sich bereits in Restrukturierungsprogrammen, um aus der Krise zu kommen, wie beispielsweise OQ Chemicals. Fast jedes zweite Unternehmen der Branche erwartet laut einer aktuellen Mitgliederbefragung des VCI eine weitere Verschlechterung der Ertragslage in 2025.

Bereits im Jahr 2024 waren die Produktionsanlagen nur zu 75 Prozent durchschnittlich ausgelastet und sind damit bereits im vierten Jahr in Folge unter der Auslastung geblieben, die es braucht, um einen rentablen Betrieb zu führen. Neben umfangreichen Produktionsdrosselungen werden auch immer mehr Werke stillgelegt in Deutschlands drittgrößter Industriebranche. Im Gegensatz zur Automobilbranche wären jedoch einige Probleme der Chemieindustrie relativ einfach zu lösen – sie leidet insbesondere unter den hohen Energiepreisen, die sie ihre Wettbewerbsfähigkeit kosten. Wie Ziems ausführt, könnte hier mit politischem Willen relativ schnell viel bewegt werden, denn die Probleme seien hier nicht so vielfältig wie in anderen Branchen.

Stahlindustrie kämpft mit vollen Lagern

Ähnlich kritisch wie in der Automobilbranche ist auch die Lage in der Stahlindustrie. Auch hier fehlt es an Nachfrage, da die somit wichtigste Abnehmerindustrie, die Automobilbauer als Kunden, ebenfalls mit Nachfrageproblemen zu kämpfen hat. Aber auch andere wichtige Kundengruppen leiden unter Absatzmangel. Die Bestelleingänge sind rückläufig und die Lager füllen sich. Zusätzlich muss die Branche auch noch eine kräftezehrende und milliardenteure Transformation in Richtung Klimaneutralität stemmen und gegen Billigkonkurrenz aus Asien behaupten. Wie Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbandes Wirtschaftsvereinigung Stahl bestätigte, kämpft die gesamte Branche um das Überleben und eine Zukunft in Deutschland. Auch die Stahlbranche leidet unter den besonders hohen Energiepreisen in Deutschland und subventionierten Billigprodukten aus China. Der größte Stahlhersteller in Deutschland, Thyssenkrupp, plant bereits einen Stellenabbau von 11.000 Arbeitsplätzen in den kommenden sechs Jahren.

Bau als Dauerbaustelle

Ein anderes Dilemma plagt die Baubranche. Sie kann sich nicht über mangelnde Nachfrage im Wohnungsmarkt beklagen. Wohnraum fehlt gerade in den Ballungsgebieten an allen Ecken und Enden. Und trotzdem steckt die Branche in einer tiefgreifenden Krise. Das liegt besonders an den hohen Baupreisen und den gestiegenen Zinsen, die sowohl Investoren als auch private Bauherren abschrecken. Die Bundesregierung hat ihr Ziel, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, weit verfehlt. Aktuell liegt das Niveau bei den Baugenehmigungen eher bei 200.000. Auch hier gab es bereits viele Insolvenzen.

Der Baugewerbeverband ZDB schätzt, dass im Jahr 2024 alleine 15.00 Arbeitsplätze in der Baubranche weggefallen sind und viele weitere tausend Stellen im Jahr 2025 folgen werden. Doch in der Baubranche mag es Licht am Ende des Tunnels geben. Durch die gesunkenen Leitzinsen der Europäischen Zentralbank ist bereits der Trend zu verspüren, dass zunehmend wieder Immobilienkredite nachgefragt werden, wie Ökonom Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) bestätigte. Er erwartet eine Erholung der Branche im zweiten Halbjahr 2025, sofern die allgemeine Konjunktur sich entsprechend entwickelt.

Die Schwäche in der Baubranche zieht auch ihre Zulieferer in Mitleidenschaft – Insolvenzen bei Baustoffherstellern wie dem Holzverarbeiter Ziegler häufen sich und auch die Solarindustrie kämpft. Hält die Krise an, könnten in Zukunft auch Handwerksbetriebe verstärkt betroffen sein.

Handel im Nachfrageloch

Im stationären Einzelhandel reißen seit langer Zeit die Pleiten nicht mehr ab. Auch die ganz Großen müssen daran glauben – ob KaDeWe und Galeria oder Esprit und unzählige andere Händler haben in den letzten Jahren Insolvenz angemeldet. Und auch für die bestehenden Händler war das vergangene Geschäftsjahr eine Herausforderung. Kaufzurückhaltung, wohin man schaut, die Verbraucher sind verunsichert und sparen – kein Aufschwung in Sicht. Der Handelsverband, der für 2024 zunächst ein Umsatzplus von 3,5 Prozent prognostiziert hatte, musste im Herbst die Prognose auf nominal 1,3 Prozent zurücknehmen, was bereinigt um die Preissteigerungen einer Nullrunde entspricht. Auch das Weihnachtsgeschäft war für viele Händler enttäuschend.

Die Menschen in Deutschland haben Zukunftssorgen und Job-Ängste. So schlagen die Krisen in anderen Branchen auch auf den Konsum durch, eine Krise zieht die nächste nach sich. Um aus diesem Teufelskreis herauszukommen, braucht es nach der Meinung vieler Wirtschaftsexperten in Deutschland grundlegende Reformen – die neue Bundesregierung steht vor einem gewaltigen Berg an Arbeit.

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