VW-Aktie behauptet sich in schwierigem Umfeld
VW-Aktien haben sich in den vergangenen Tagen dem sonst sehr schwachen Marktumfeld entzogen und zeitweise kräftig zugelegt. „Keine Nachrichten sind gute Nachrichten“, bezeichnete Henning Cosman von der Barclays-Bank in seinem Anleger-Ausblick die Rolle der Wolfsburger Börsen-Büßer während des vierten Quartals 2024.
Auch die Analysten von Jefferies haben die Einstufung für Volkswagen vor den anstehenden Quartalszahlen auf "Buy" belassen. Die Einigung des Automobil-Konzerns mit der IG Metall auf einen Sparplan sei weniger konfliktreich ausgefallen als erwartet, so Analyst Philippe Houchois in seiner Studie. VW sei widerstandsfähig und dürfte die Kosten erheblich senken.
Was zunächst wie eine Palast-Revolution daherkam im VW-Werk, hat sich nach konstruktiven Gesprächen weitgehend beruhigt. Vorstand und Belegschaft verhandeln unaufgeregt über neue Regeln und Gehälter im Konzern. Die Politik, insbesondere der niedersächsische Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat, Stephan Weil von der SPD, halten sich weitgehend bedeckt und lassen die Experten die Probleme lösen und eine neue Strategie für den Automobilkontern abstecken. Die Anleger goutieren es und kaufen nach. Die Sorge vor dem lange noch undenkbaren Crash des Vorzeige-Unternehmens sind perdu.
Probleme erkannt, Einsparungen beschlossen - wie sich Volkswagen neu aufstellt
Vorstand und Gewerkschaftsvertreter hatten sich kurz vor Weihnachten nach zähem Diskurs auf ein Sanierungsprogramm geeinigt, das den Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen in Deutschland bis zum Jahr 2030 vorsieht. Auf eine Tariferhöhung wird verzichtet.
Im Gegenzug hat die Volkswagen-Führung die zuvor aufgekündigte Beschäftigungssicherung wieder in Kraft gesetzt und bis 2030 verlängert. Dadurch ist es möglich, den geplante Stellenabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen abzuwickeln. VW hat in seinen Werken in Niedersachsen, Hessen und Sachsen derzeit noch mehr als 130.000 Mitarbeiter.
Die nächsten Bilanzzahlen kommen zwar erst zum März, doch gab es in der vergangenen Woche erfreuliche Signale. Weder Gezeter mehr über die schwachen Absatzzahlen im verkennen Jahre, aber auch keine Kritik an den angestrebten Ausschüttungsquoten zur. Der VW-Analyst von Barclays sieht mit Hinblick auf das laufende Sparprogramm eher Überraschungspotenzial als neue Risiken. Das verbreitet sich wie ein Lauffeuer: Die VW-Aktien haben sich seit ihrem Tiefpunkt im November 2019 bereits um gut ein Viertel erholt.
Strafzahlungen an Brüssel für das Verfahlen der CO2-Flottengrenzen längst eingepreist
Danach schlägt zwar das Eingeständnis, die von Brüssel gesetzten CO2-Flottengrenzen gerissen zu haben, negativ in die Bilanzen, aber nicht mehr ins Kontor. Derlei schlechte Nachrichten sind längst Geschichte. Wenn auch 1,5 Milliarden Euro fällig werden können, weil der schleppende Verkauf von E-Autos auf der EU-Ebene pekuniär abgestraft wird.
Das VW-Management hatte die drohenden Kosten in eine Analysten-Gespräch beziffert und deutlich gemacht, dass man lange intern von noch schlimmeren Zahlen ausgegangen war. Klingt schon fast, als habe man ein gutes Geschäft getätigt und schaue nun erwartungsfroh auf das neue Jahr. Tatsächlich waren die Analysten vom „grundlegend zuversichtlichen Ton des Managements“ angetan.
Verbrenner gefragt: Wo Volkswagen in den USA tatsächlich doppelstellige Zuwachsraten verzeichnet
Nach derzeitiger Lage müssen Autobauer in der EU wegen der für 2025 verschärften CO2-Emissionsgrenzen einhalten und müssen deshalb mit drakonischen Strafzahlungen rechnen. Immerhin fordern immer mehr Politiker, diesen Mechanismus (angesichts der aktuell schwierigen Lage der deutschen und europäischen Automobilindustrie) wegen negativer Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Wertschöpfung auszusetzen und die Anbieter nicht stärker unter Druck zu setzen - als ohnehin schon.
Die generelle Zurückhaltung der Autokäufer in Europa deutet daraufhin, dass den Verbrauchern im Kern womöglich ganz andere Probleme beschäftigen, als nur die fehlende E-Auto-Prämie. Die Sache mit der mangelnden Reichweite von E-Autos und der schwachen, immer noch völlig unzureichenden Lade-Infrastruktur führt zu immer mehr Ablehnung und dem Wunsch, entweder den alten Verbrenner weiter zu fahren (solange dies finanziell nicht tragfähig ist), oder besser Hybrid- oder benzinsparende Neuwagen zu setzen. Die Meldungen von US-Präsident Donald Trump in den USA, haben viele Autofahrer hellhörig werden lassen. Er hat (trotz seiner Busenfreundschaft mit Tesla-Boss Elon Musk) gleichfalls Prämien für E-Autos ausgesetzt und in Aussicht gestellt, dass in Amerika jeder das Fahrzeug fahren könne, das er will.
Gute Nachrichten für traditionelle Hersteller wie Ford und General Motors, die ihre Trucks in Prärie und Wüste schlechterdings nicht gut mit Batterien ausstatten können. Wer weiß aber, ob nicht auch die deutschen Premiumhersteller mit ihren Werken in Chattanooga/Tennessee (VW), Tuscaloosa/Alabama (Mercedes) und Spartanburg/ South Carolina /BMW) bald schon wider davon profitieren und ihre immer noch am Weltmarkt führende Verbrenner-Technik gewinnbringend verkaufen können. Das gilt zwar bei Fridays for future und anderen Klimaschützern gedanklich als No-No, entspricht aber der Realität.
Vielleicht hilft VW Doppelstrategie bei Motoren: unterschiedliche Länder, unterschiedliche Fahrzeuge
Auch für VW könnte sich somit eine Doppelstrategie abzeichnen, die sehr unterschiedliche Angebote für den deutschen, asiatischen und amerikanischen Markt Part hält. Immerhin hat der Autobauer Volkswagen im vergangenen Jahr weniger Autos seiner Kernmarke verkauft als noch im 2023. "2024 war weltweit ein schwieriges Jahr mit schwacher Konjunktur, politischen Herausforderungen und einem starken Wettbewerb - insbesondere in China", sagt Vertriebschef Martin Sander. Doch das Minus mit 1,4 Prozent auf trotzdem noch 4,8 Millionen Fahrzeuge, ist ja auch nicht der Untergang des Abendlandes. Vor allem in China, der wichtigste Markt für VW, gingen die Verkäufe zurück. Der E-Auto-Absatz schwächelte derweil vor allem bei uns am heimischen Markt. Hier sind weiterhin SUV gefragt - die Deutschen fühlen sich wie Amerikaner, dafür gibt es Gründe.
Zulegen konnte die Marke VW tatsächlich in Nordamerika (plus 18 Prozent) und Südamerika (plus 21 Prozent). Meist verkauftes Modell war erneut das SUV Tiguan gefolgt vom T-Roc. Insgesamt war fast jeder zweite VW-Neuwagen (47 Prozent) ein SUV. Gegenüber 2023 sei der Anteil laut VW an allen Verkäufen nochmals um 1,4 Prozentpunkte gestiegen.
Der Rückgang bei den E-Autos ist sicherlich ernüchternd, zeigt aber womöglich nur auf, dass es am Markt ein Zweierlei geben muss und der VW-Konzern sich darauf entsprechend differenziert einstellen sollte. Weltweit wurden im vergangenen Jahr 383.000 Elektromodelle der ID-Familie ausgeliefert - nicht so viele, wie erhofft.Ein Ladenhüter sind die Wagen dennoch nicht. 2023 waren es früheren Angaben zufolge 394.000 Fahrzeuge - angesichts der psychologischen Umstände kann von einem Einbruch nicht die Rede sein. Insgesamt wurden seit Produktionsstart der ID-Familie 2019 rund 1,35 Millionen ID-Modelle verkauft.
Der wahre VW-Börsenwert im Vergleich zu manchen automobilen Pennystocks aus China
Gut möglich, dass sich die ausgewogene Betrachtung allmählich auch bei den Auguren am Automobilmarkt herumspricht - und zugleich an der Börse. Vor allem der Vergleich zu den chinesischen „Pennystocks des Automarktes“ sollte den Investoren zu denken geben - der Geely-Konzern in Hangzhou mit gerade mal 2,15 Euro pro Share, aber auch der E-Auto-Pionier Nio im Wert von nur 4,10 die Aktie (Stand: 07.02.2025). Die Relationen stimmen nicht und haben sich von den inhärenten Börsennotierungen abgekoppelt. Insofern spricht vieles dafür, dass die VW-Aktien (Stamm- als auch Vorzugspapiere) nie wieder so günstig zu haben sein werden wie aktuell auf dem Börsenparkett.