Die chinesische KI-Anwendung DeepSeek hat die Spitze der App-Charts erobert und ein Börsenbeben ausgelöst. Doch worin unterscheidet sich DeepSeek von der Konkurrenz – und wie schlägt es sich in der Praxis?
Erfolgreich trotz US-Sanktionen
Allein die Tatsache, dass die App des erst ein Jahr alten Start-ups DeepSeek in einem Atemzug mit den KI-Modellen von OpenAI, Google und Meta genannt wird, ist bemerkenswert. China ist nach Sanktionen, die US-Präsident Donald Trump während seiner ersten Amtszeit verhängt hat, von der Zufuhr von Hochleistungs-Chips wie dem H100 von Nvidia abgeschnitten und muss sich mit älteren, weniger leistungsstarken Chips begnügen.
DeepSeek hat eigenen Angaben zufolge nur knapp sechs Millionen US-Dollar investiert, um sein KI-Sprachmodell zu trainieren. Im Vergleich dazu hat OpenAI bei ChatGPT mehr als 100 Millionen Dollar investiert. Microsoft und OpenAI äußern den Verdacht, dass sich die Chinesen unrechtmäßig bei den US-Konkurrenten bedient haben. Ein möglicher Datenklau könnte jedoch nicht die einzige Ursache sein, warum DeepSeek mit weniger Aufwand zum Ziel kommt als etablierte KI-Anwendungen.
In einer Liga mit ChatGPT
Fakt ist: DeepSeek kann komplexe Fragen beantworten und schwierige Probleme lösen. Und das offenbar genauso gut wie der US-amerikanische Marktführer OpenAI mit ChatGPT oder Google mit seinem KI-System Gemini. Das chinesische Start-up greift jedoch nicht nur KI-Chatbots an, die Texte erzeugen oder Programmcode schreiben: DeepSeek kann auch mit KI-Bildgeneratoren wie Dall-E und Stable Diffusion mithalten.
Zu den Innovationen, die DeepSeek in seinem KI-Modell R1 umgesetzt hat, gehört das Konzept, Aufgaben in einzelne Argumentationsschritte zu unterteilen. Der Algorithmus von DeepSeek arbeitet dabei mit mehreren kleinen KI-Systemen, die nur bei Bedarf aktiviert werden. Das merken auch die Anwender, weil DeepSeek sich mit diesem mehrstufigen Konzept mehr Zeit für die Antworten lässt als ChatGPT oder Google Gemini.
Transparenz durch Open Source – aber auch Zensur
DeepSeek setzt bei seinem System auf eine quelloffene Lizenz ("Open Source") und hat den Code für seine KI-Modelle auf der Programmier-Plattform Github öffentlich zugänglich gemacht. Die großen US-Player wie OpenAI, Google, Microsoft oder Anthropic behandeln ihren KI-Code hingegen als streng gehütetes Betriebsgeheimnis. Unter den großen US-Tech-Unternehmen hat nur der Facebook-Konzern Meta sein KI-Modell Llama als Open Source veröffentlicht.
Der Open-Source-Ansatz soll Transparenz und Flexibilität fördern. Entwickler können das Modell frei nutzen, modifizieren und in ihre Anwendungen integrieren. Allerdings gibt es bei DeepSeek in puncto Transparenz große Defizite, weil das Start-up der Zensur in China unterliegt. So werden Informationen, die der chinesischen Regierung nicht genehm sind, vom Chatbot unterschlagen – etwa Angaben zum Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989.
Inkompatibel mit europäischem Datenschutz
Problematisch ist auch, dass bei DeepSeek die Daten auf Servern in China gespeichert sind. Die Europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) erlaubt nur den Datenaustausch mit Staaten, deren Datenschutz dem Niveau in der Europäischen Union entspricht. Für China gibt es kein Abkommen mit der EU, das den Datenaustausch auf einer rechtlich sicheren Basis ermöglicht.
„Frei“ wie in „Freibier“
Unterschiede gibt es auch bei den Geschäftsmodellen. Bei DeepSeek sind alle Angebote für Endanwender bislang kostenlos. Im übertragenen Sinne lockt DeepSeek mit „frei“ wie in „Freibier“, nicht wie in „freier Rede“.
Bei OpenAI und Google sind dagegen die leistungsstärksten KI-Modelle nicht „frei“, sondern nur mit einem Bezahlabo nutzbar. Für „ChatGPT Plus“ verlangt OpenAI derzeit 20 Dollar pro Monat und bietet schnellere Antwortzeiten sowie bevorzugten Zugang, auch bei hoher Auslastung. Beim Abo „ChatGPT Pro“ werden sogar 200 Dollar pro Monat fällig. Dafür erhalten Nutzer Zugriff auf die leistungsfähigsten Modelle und können längere Videos mit der KI „Sora“ generieren lassen.