Liebe Leserinnen und Leser,
es gibt es: diesen unsichtbaren Kitt, der uns als Gemeinschaft verbindet, der unsere Gesellschaft fast unmerklich zusammenhält. Er zeigt sich in jenen Momenten, in denen Menschen Verantwortung übernehmen, sich ehrenamtlich engagieren, Brücken zwischen Generationen bauen oder das politische Gemeinwesen aktiv mitgestalten.
Zusammenhalt ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein fortwährender Prozess. Er entsteht überall dort, wo Menschen sich für andere einsetzen, wo sie nicht nur ihre eigenen Interessen verfolgen, sondern das Wohl der Gemeinschaft im Blick behalten. Dies geschieht in den Schulen, in denen Eltern sich engagieren, um Bildung lebendiger und gerechter zu gestalten. Es geschieht in den Katastrophengebieten der Welt, wo Freiwillige des Technischen Hilfswerks ihr Wissen, ihr Knowhow und ihre Kraft einsetzen, um anderen zu helfen. Es geschieht in unseren Städten und Dörfern, wo ehrenamtliche Bürgermeister als Bindeglieder zwischen Politik und Bürgerschaft fungieren. Und es geschieht zwischen den Generationen, die aufeinander angewiesen sind und voneinander lernen können.
Doch in der heutigen Zeit muss dafür manchmal mehr gekämpft werden als noch vor einigen Jahren. Unsere Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen. Die politische Polarisierung nimmt zu, wirtschaftliche Unsicherheiten verunsichern viele, und die technologische Entwicklung verändert unsere Arbeitswelt in rasantem Tempo.
Überall sind es Einzelne, die Verantwortung übernehmen und damit den Unterschied machen. Doch sie stehen nicht selten vor Herausforderungen: mangelnde Anerkennung, fehlende Unterstützung, zunehmender gesellschaftlicher Druck. Dennoch bleiben sie aktiv, aus Überzeugung und aus der tiefen Einsicht heraus, dass eine Gesellschaft ohne Engagement und Verantwortung zerfällt.
Es gibt immer wieder Versuche, Jung und Alt gegeneinander auszuspielen. Die einen gelten als „Privilegierte“, die anderen als „Benachteiligte“, und oft wird vergessen, dass beide Seiten einander brauchen. Die jungen Generationen bauen auf dem auf, was ihre Eltern und Großeltern geschaffen haben. Gleichzeitig sind die Älteren darauf angewiesen, dass die Jüngeren Verantwortung übernehmen, Innovation vorantreiben und die Zukunft gestalten. Anstatt die Unterschiede zu betonen, sollten wir die Gemeinsamkeiten suchen. Denn letztlich eint uns mehr, als uns trennt: der Wunsch nach Stabilität, nach Sicherheit, nach einer Gesellschaft, die Möglichkeiten für alle bietet.
Auch in der lokalen Politik zeigt sich, dass Zusammenhalt kein Selbstläufer ist. Ehrenamtliche Bürgermeister stehen vor der Herausforderung, zwischen den Erwartungen der Bürger und den realen Möglichkeiten zu vermitteln. Sie setzen sich für ihre Gemeinden ein, oft ohne große Unterstützung, häufig unter erschwerten Bedingungen. Die Tatsache, dass es immer schwieriger wird, Menschen für diese Aufgaben zu gewinnen, zeigt, wie stark sich unser gesellschaftliches Engagement im Wandel befindet. Die Politikverdrossenheit wächst, während der Anspruch an den Staat steigt. Doch Demokratie lebt vom Mitmachen. Sie erfordert Bürger, die nicht nur fordern, sondern auch gestalten.
Besonders deutlich wird der Wert des Zusammenhalts in Krisenzeiten. Ob Naturkatastrophen, Pandemien oder geopolitische Krisen – immer wieder zeigt sich, dass Menschen bereit sind, über sich hinauszuwachsen, wenn es darauf ankommt. Das Technische Hilfswerk ist hier ein herausragendes Beispiel. Es sind Freiwillige, die ihre Zeit, ihre Kraft und ihr Wissen investieren, um anderen zu helfen. Sie tun dies nicht für Profit, nicht aus Zwang, sondern aus einer inneren Verpflichtung heraus. Sie sind der lebendige Beweis dafür, dass Gemeinsinn noch immer existiert, auch wenn er manchmal verdeckt zu sein scheint.
Es stellt sich die Frage, wie wir diesen Zusammenhalt bewahren und stärken können. Ermutigung ist eine besonders wichtige Antwort: In der Anerkennung derjenigen, die sich engagieren. In der Förderung von Strukturen, die ehrenamtliches Engagement erleichtern. In der Bildung eines Bewusstseins dafür, dass Zusammenhalt nicht von selbst entsteht, sondern eine aktive Entscheidung ist. Schulen können eine große Rolle spielen, indem sie den Wert von Verantwortung und Engagement früh vermitteln. Unternehmen können ihre Mitarbeiter ermutigen, sich in gesellschaftliche Belange einzubringen. Die Politik kann Rahmenbedingungen schaffen, die Ehrenamtlichen den Rücken stärken, anstatt sie durch Bürokratie zu behindern.
Letztlich ist Zusammenhalt eine Frage der Haltung. Es ist die Entscheidung, nicht nur an sich selbst zu denken, sondern auch an andere. Es ist die Bereitschaft, sich einzubringen, Verantwortung zu übernehmen und aktiv an der Gestaltung unserer Gesellschaft mitzuwirken. Es bedeutet, den Wert der Gemeinschaft über den kurzfristigen Eigennutz zu stellen und zu erkennen, dass eine starke Gesellschaft nur auf einem Fundament gegenseitigen Respekts und gemeinsamer Verantwortung bestehen kann.
Unser Magazin widmet sich in diesem Monat genau diesen Fragen. Wir führen vor, wie Menschen aus verschiedenen Bereichen aktiv zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft beitragen. Es schildert Herausforderungen, aber auch Lösungen. Es soll inspirieren und ermutigen. Denn eines ist klar: Zusammenhalt beginnt bei uns allen und bei jedem Einzelnen. Und er ist es, der unsere Gesellschaft auch in schwierigen Zeiten stark macht.
Ihr Markus Gentner
DWN-Chefredakteur