Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland entspricht nach Einschätzung des Insolvenzforschers Steffen Müller mittlerweile ungefähr dem Niveau der Finanzkrise von 2009. "Wir sind in der Größenordnung, wo einzelne Monate durchaus 20-Jahres-Hochs abgeben", erklärt der Leiter der Insolvenzforschung am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).
"Wir hatten zu Zeiten der Finanzkrise 2009 um die 1400 insolvente Personen- und Kapitalgesellschaften pro Monat. Jetzt haben wir das Niveau wieder erreicht", so Müller. Damals sei die Zahl der insolventen Kleinstunternehmen jedoch deutlich höher gewesen. Heute seien es nur noch etwa 500, wodurch vermehrt größere Unternehmen betroffen seien und somit mehr wirtschaftliche Substanz verloren gehe.
Insolvenzen in Deutschland: Niveau der Finanzkrise in Reichweite
Ein Bericht der Wirtschaftsauskunftei Creditreform aus dem Dezember zeigt, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland 2024 den höchsten Stand seit 2015 erreicht hat. Insgesamt wurden rund 121.300 Insolvenzverfahren registriert, einschließlich Verbraucher- und sonstiger Insolvenzen – ein Anstieg von 10,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Betrachtet man die Jahreswerte, sieht Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung, das Niveau der Finanzkrise zwar noch nicht erreicht, aber in Reichweite. "Damit könnten bald wieder Insolvenzzahlen nahe an den Höchstwerten der Jahre 2009 und 2010 in Sichtweite kommen, als über 32.000 Unternehmen in die Insolvenz gingen", erklärte er bei der Veröffentlichung im Dezember.
Insolvenzexperte: Immer mehr Unternehmen geraten durch steigende Zinsen unter Druck
Ein Teil der Insolvenzen sei auf Nachholeffekte zurückzuführen, erläutert Müller vom IWH. Dazu zählen sowohl die Auswirkungen der Corona-Pandemie als auch die lange Phase niedriger Zinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB). "Unternehmen, die sich früher für wenig Geld finanzieren konnten, kommen jetzt durch steigende Zinsen unter Druck." Trotz der Härte für Betroffene bedeuten Insolvenzen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eine Marktbereinigung.
Langfristige Prognosen bleiben jedoch schwierig, betont Müller. "Selbst bei einer wirtschaftlichen Erholung könnten steigende Insolvenzzahlen auftreten, wenn der Rückstau noch nicht abgearbeitet ist.
Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH): Insolvenzzahlen auch Anfang 2025 auf hohem Niveau
Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland liegt laut dem aktuellen IWH-Insolvenztrend im Januar 2025 bei 1342. Ein Wert, der auf dem Niveau von November und Dezember 2024 liegt, jedoch 24 Prozent über dem Wert von Januar 2024.
Der aktuelle Wert liegt laut IWH-Daten 49 Prozent über dem durchschnittlichen Januarwert der Jahre 2016 bis 2019, also vor der Corona-Pandemie. Für die Monate Februar und März prognostiziert das in Halle ansässige Wirtschaftsinstitut eine stagnierende Zahl an Firmenpleiten auf konstant hohem Niveau.