Noch nie hat der deutsche Staat so viel Geld eingenommen wie im Jahr 2024: Die Einnahmen des deutschen Staats sind im vergangenen Jahr erstmals über die Marke von zwei Billionen Euro gestiegen. Insgesamt habe der Staat 2,013 Billionen Euro eingenommen und damit 4,8 Prozent mehr als im Jahr davor, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mit.
Neuer Regierung fehlt Zweidrittelmehrheit: Verfassungsänderungen werden schwieriger
Führende Grünen-Politiker dringen trotzdem auf Korrekturen an der Schuldenbremse oder Beschlüsse zu möglichen Sondervermögen noch durch den bisherigen Bundestag. „Wir haben noch die Möglichkeit, im bestehenden Bundestag finanzielle Hilfen durch eine Reform der Schuldenbremse zu beschließen, wenn wir sehr schnell sind“, sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Nach der Bundestagswahl machen die neuen Mehrheitsverhältnisse Grundgesetzänderungen schwieriger – etwa für Reformen der Schuldenbremse oder neue Sondervermögen.
Weil das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nicht in den Bundestag kommt und die FDP aus dem Bundestag verschwindet, entsteht eine ungewöhnliche politische Konstellation im Parlament: AfD und Linke verfügen über 216 der 630 Sitze (§ 1 Abs. 1 S. 1 Bundeswahlgesetz) und damit über knapp mehr als ein Drittel. Die Konsequenz: Mit 413 Mandaten haben Union, SPD und Grüne künftig keine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Dafür wären 420 Stimmen erforderlich. Somit fehlen Union, SPD und Grünen sieben Stimmen zur erforderlichen Zweidrittelmehrheit im Parlament, mit der Gesetzesänderungen möglich sind.
Sperrminorität von AfD und Linken im neuen Bundestag
Die Linke wäre zwar dafür, die Schuldenbremse zu verändern, aber nur, um in „soziale Infrastruktur“ und nicht in die Verteidigung zu investieren. Die AfD ist klar dagegen, die Schuldenbremse anzufassen. Beide Parteien verfügen damit gemeinsam über eine sogenannte Sperrminorität. Sie könnten also Gesetzesvorhaben blockieren, für die eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, und damit einige wichtige Vorhaben, um die es in der nächsten Legislatur gehen wird.
Dazu zählen Änderungen des Grundgesetzes (GG), wie sie etwa für eine Reform der dort verankerten Schuldenbremse (Art. 115 GG) nötig wären. Auch die Einigung auf ein Sondervermögen für das Verteidigungsbudget müsste mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Ebenso benötigen neue Bundesverfassungsrichter eine solch qualifizierte Zustimmung.
Fällt die Schuldenbremse noch im alten Bundestag?
Für eine Reform der Schuldenbremse sprechen sich die Grünen und die SPD aus. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) hatte gestern im ARD-Morgenmagazin vorgeschlagen, dass noch der bestehende Bundestag eine Reform der Schuldenbremse beschließen könnte. „Wir haben keine Zweidrittelmehrheit mehr im neuen Deutschen Bundestag, um die Verfassung zu ändern, damit wir mehr für Bildung, mehr für Infrastruktur, mehr für Verteidigung tun können. Wir könnten aber noch in diesem Monat mit dem bestehenden Bundestag uns zusammensetzen, also mit den Grünen, mit CDU/CSU, mit der SPD“, sagte Özdemir.
Nach Wahlsieg: Merz signalisiert Bereitschaft für kurzfristige Schuldenbremse-Reform
Während Friedrich Merz vor rund einem Jahr der Schuldenbremse noch eine klare Absage erteilte, zeigte sich der Unions-Kanzlerkandidat seit dem Ampel-Aus gesprächsbereiter. Eine Woche nach dem Ampelbruch sagte er, darüber könne man reden, je nachdem, wofür das Geld gebraucht werde. Einigen Medienberichten vom gestrigen Montag zufolge signalisiert Merz jetzt sogar Bereitschaft, mit Rot und Grün über eine kurzfristige Schuldenbremse-Reform zu sprechen und noch vor Ende der alten Legislaturperiode zu verabschieden. Für Merz beschleunigen der neue US-Präsident und dessen Übernahme russischer Argumentationslinien die Erkenntnis, dass mehr Geld nötig sein wird, um Deutschland verteidigungstüchtig zu machen.
Olaf Scholz ist ja schon lange der Ansicht, die Kosten, die Deutschland aufgrund des Ukraine-Krieges zu schultern hat, seien im normalen Haushalt nicht abzudecken. Es sei „selten, aber nicht unmöglich“, dass der alte Bundestag nach einer Wahl noch einmal zusammenkomme, sagte der Kanzler.
Bedenken in der Union – vor allem bei der CSU
Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU Thorsten Frei hingegen lehnt eine schnelle Reform noch durch den bestehenden Bundestag ab. „Ich bin nicht der Auffassung, dass es notwendig ist, die Schuldenbremse zu reformieren. Diese Auffassung haben wir immer vertreten, und das bleibt auch heute bestehen“, sagte der CDU-Politiker bei seinem Eintreffen zu Beratungen der CDU-Spitzengremien in Berlin nach der Bundestagswahl. Eine Verfassungsänderung sei keine kleine Sache, rechtlich würd er davon abraten, sagte Frei im Deutschlandfunk.
Er erinnert daran, dass seine Partei vor der Wahl gesagt habe, dass die Schuldenbremse richtig und wichtig sei. Noch auf ihrer Herbstkonferenz hatten sich die Haushalts- und Finanzpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktionen im Bund und den Ländern klar für eine Beibehaltung der Schuldenbremse ausgesprochen. Reformvorschlägen erteilten sie eine Absage. Die CSU will bisher bei ihrem Wahlversprechen bleiben.
Fazit: Viel Zeit, für eine Last-Minute-Reform der Schuldenbremse oder gar ein neues Sondervermögen für die Verteidigung, bleibt der amtierenden Bundesregierung nicht. Spätestens in vier Wochen, am 25. März, konstituiert sich der neue Bundestag. Dann gilt die Sperrminorität von AfD und Linke, mit der sie Vorhaben blockieren können. Knapp die Hälfte der Deutschen spricht sich in einer Umfrage für eine Lockerung der Schuldenbremse aus. 49 Prozent der Befragten einer Insa-Erhebung für t-online befürworten eine Aufweichung unter der kommenden Bundesregierung, 28 Prozent sprechen sich dagegen aus.
Was ist die Schuldenbremse? Die Schuldenbremse ist das Prinzip, nicht mehr Geld auszugeben, als man hat. Jede Bundesregierung darf nur 0,35 Prozent des Bruttoinlandprodukts an Schulden machen, Schulden sind also gedeckelt. Diese Grundgesetzänderung wurde 2009 beschlossen. Es ist aber möglich, die Schuldenbremse auszusetzen. Entweder mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag oder durch die Ausrufung einer Haushaltsnotlage.