Lieber Neuwahlen als schwarz-rote Koalition?
Gerade hat das ifo Institut für das laufende Jahr ein Wirtschaftswachstum von nahezu Null Prozent prognostiziert. Kein Wunder, dass der wirtschaftspolitische Kurs von Friedrich Merz bisher für Enttäuschung sorgt: Statt Reformen gibt es Schulden. Friedrich Merz hat der SPD in den Sondierungsgesprächen nahezu freie Hand gegeben. Doch geht die Rechnung für die Union auf?
Die deutsche Wirtschaft und Industrie stagnieren, die Stimmung unter Unternehmern ist mies und Investoren machen einen weiten Bogen um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die neue Regierung müsste die Wirtschaft ins Zentrum rücken. Leider ist die schwarz-rote Koalition meilenweit davon entfernt. Im Gegenteil: Die Union schafft Sonderschulden und eine Klimaschutz-Klausel – doch was, wenn die SPD die Koalition nach der geplanten Grundgesetzänderung einfach platzen lässt?
Schwarz-Rot: Kommt der Bruch der Koalitionsverhandlung?
Die Verabschiedung des Sonder-Finanzpaketes könnte auch zu einem Bruch der schwarz-roten Koalition führen, noch bevor Merz Kanzler werden kann, denn die SPD kann immer noch mit den Grünen und die Linke paktieren.
Während die Union für ihre Schuldenpläne massiv in der Kritik steht, steht die SPD entspannt an der Seitenlinie. Sie konnte mithilfe der Union einen großen Teil der eigenen Wahlversprechen umsetzen – die Kritik dafür ernten die Christdemokraten. Nach der Schuldenbremse und der Migration haben sich CDU und sogar CSU auch mit der Aufnahme der sogenannten Klimaneutralität an die Grünen angebiedert – um es in Habecks Worten zu sagen: „Grün wirkt!“
Die linken Parteien haben somit alles erreicht, was mit der Union unter Friedrich Merz möglich gewesen wäre.
SPD, Grüne und Linke: Minderheitenregierung möglich
Sollte die für die Schuldenpläne notwendige Grundgesetzänderung im Laufe der Woche im alten Bundestag beschlossen werden, wären die Sonderschulden für die kommenden Jahre gesichert. Dann stünde die Tür für die Sozialdemokraten offen, eine Minderheitsregierung mit den Grünen und den Linken anzuvisieren. Gegebenenfalls kommt es dann zu Neuwahlen, weil die drei Parteien nicht mehrheitsfähig sind.
Der Union steht in diesem Falle ein noch schwererer Wahlkampf bevor, aus dem sie kaum als Sieger hervorgehen könnte, immerhin hat sie das Vertrauen der Wähler massiv in Mitleidenschaft gezogen. Denn obwohl die SPD mit 16,4 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis erzielte und die Grünen nur noch auf 11,6 Prozent der Stimmen kamen, haben beide Parteien die Union vorgeführt. Sie haben die Sondierungsverhandlungen diktiert und auch die Gespräche danach – obwohl die SPD nur als Juniorpartner infrage kommt und die Grünen nicht einmal an einer Regierungsbildung beteiligt sind.
Doch für SPD und Grüne könnte es mit Neuwahlen bergauf gehen. Für die Union ist die Fallhöhe hoch, sie könnte auch unter das historisch schlechte Ergebnis von 24,1 Prozent fallen, das die Partei 2021 eingefahren hatte. Zwei Parteien könnten von diesem Szenario profitieren: die AfD und die Linke. Während SPD und Grüne auch mit der Linken zusammenarbeiten – im Moment hält die CDU noch an einem Unvereinbarkeitsbeschluss fest –, verhindert die Brandmauer weiterhin eine Koalition mit der AfD.
Habeck: Friedrich Merz für Zuwachs der Linken verantwortlich
Was unterscheidet nach Ansicht Robert Habecks seine Partei von der Linken? Dass die Grünen als Teil der aktuellen rot-grünen Minderheitsregierung keinen scharfen Oppositionskurs fahren könnten. Eine rot-rot-grüne Koalition würde er „natürlich nicht“ ausschließen, erklärte der Vizekanzler bei RTL und ntv.
Aktuell steigende Umfrageergebnisse der Linken führt der Vizekanzler auf den Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz zurück. Er sei dafür verantwortlich, „dass die Linke jetzt wächst“, berichtet die „Bild“. Seit der zweiten Januarhälfte haben sich die Umfragewerte für die Linke nahezu verdoppelt.
Diese Hürden muss das Finanzpaket noch nehmen
Am Dienstag stehen Union und SPD bereits vor dieser Situation: Im bestehenden Bundestag in alter Zusammensetzung soll über den Schuldenplan der zukünftigen schwarz-roten Koalition abgestimmt werden. CDU-Chef Friedrich Merz jedenfalls rechnet fest damit, dass es die nötige Mehrheit für die Änderung des Grundgesetzes geben wird. Doch nachdem sich die womöglich künftigen Koalitionäre vergangene Woche mit den Grünen auf Änderungen geeinigt hatten, rückt die Frage in den Mittelpunkt, ob bei der Abstimmung die nötige Zweidrittelmehrheit auch wirklich zustande kommt, Stichwort: Abweichler.
Falls der Bundestag Ja sagt, ist das Ganze aber noch nicht in trockenen Tüchern. Denn am Freitag ist der Bundesrat dran – auch in der Länderkammer braucht das Vorhaben eine Zweidrittelmehrheit. Und auch das Bundesverfassungsgericht hat noch ein Wörtchen mitzureden. Einige Abgeordnete wollen das Finanzpaket per Eilantrag in Karlsruhe stoppen. Mehrere Termine, mehrere Fallstricke, mehrere Akteure.
Fazit: Der Bundestag entscheidet über Milliardenschulden, Union und SPD verhandeln (noch) intensiv über eine Koalition. Eine weitere historische Woche in Berlin bahnt sich an. Dass CDU und CSU in so eine Situation geraten sind, in der solche Szenarien möglich sind, obwohl sie im Wahlkampf zuvor noch mit Stärke und einem souveränen Deutschland geworben hatten, spricht Bände.