Wirtschaft

Warum die Schweiz eine Inflation nahe null hat - und Deutschland nicht

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird am Donnerstag eine Entscheidung über die Zinssätze treffen. Im Vergleich zu anderen Ländern wirken die damit verbundenen Herausforderungen nahezu trivial, denn die Inflation in der Schweiz bleibt bemerkenswert niedrig. Doch wie gelingt ihr das?
24.03.2025 10:58
Aktualisiert: 24.03.2025 20:20
Lesezeit: 2 min

Zinsentscheidung sorgt für Diskussionen

Für Ökonomen ist die Entscheidung der SNB ein spannendes Thema. Im vergangenen Jahr senkte die Nationalbank ihren Leitzins deutlich von 1,75 auf 0,5 Prozent. Nun wird diskutiert, ob eine weitere Senkung um 0,25 Prozentpunkte erfolgen soll. Die Mehrheit der Experten rechnet mit einer solchen Reduzierung, jedoch gibt es auch kritische Stimmen.

Diese Entscheidung ist aus zwei Gründen auch für andere Länder von Interesse. Zum einen betrifft sie all jene, die Schulden in Schweizer Franken haben und daher direkt von Zinsänderungen betroffen sind. Zum anderen stellt sich die Frage, warum es der Schweiz gelingt, die Inflation so niedrig zu halten, während viele andere Industrieländer weiterhin mit steigenden Preisen kämpfen.

Inflation in der Schweiz: Hohe Produktivität als Inflationsbremse

Die SNB steht vor dem Dilemma, ob sie die Zinsen weiter senken soll, um die Konjunktur angesichts globaler Handelskonflikte zu unterstützen, oder ob sie einen sicherheitspolitischen Puffer beibehalten will. Zwar liegt der aktuelle Leitzins bei nur 0,5 Prozent, doch die Inflation sank im Februar auf lediglich 0,3 Prozent.

Ein wichtiger Faktor für die Preisstabilität ist die hohe Produktivität der Schweizer Wirtschaft. Die Industrie des Landes ist hochmodern und stark auf Hochtechnologiesektoren spezialisiert, wodurch die Produktivität kontinuierlich gesteigert wird. In den letzten 14 Jahren wuchs die Arbeitsproduktivität in der Schweizer Industrie jährlich um durchschnittlich 3 Prozent – deutlich mehr als in Deutschland (1,1 Prozent) oder Frankreich und Italien (jeweils 0,7 Prozent). Diese Effizienzsteigerungen stärken langfristig den Schweizer Franken.

Ein starker Franken wiederum macht Importe, insbesondere Rohstoffe, günstiger und trägt so zur niedrigen Inflation bei. Auch wenn der Franken in den vergangenen Monaten etwas an Wert verlor, zeigt sich im langfristigen Vergleich eine stete Aufwertung gegenüber dem Euro.

Stabilitätskultur und geringe soziale Konflikte

Neben wirtschaftlichen Faktoren spielt auch die Kultur eine entscheidende Rolle. Die Schweiz hat seit Jahrzehnten eine niedrige Inflation, wodurch Preisstabilität fester Bestandteil der Geschäftskultur ist. Unternehmen zögern, Preise zu erhöhen, da sie fürchten, dadurch Kunden zu verlieren. Dieses Verhalten ist in der Schweiz ausgeprägter als in anderen Industrieländern.

Zudem entstehen hohe Inflationsraten oft aus sozialen und wirtschaftlichen Konflikten, bei denen verschiedene Gruppen um begrenzte Ressourcen konkurrieren. Dies führt häufig zu steigenden Staatsausgaben und einer Erhöhung der Geldmenge. Die Schweiz hingegen ist ein wohlhabendes Land mit vergleichsweise geringen sozialen Spannungen, wodurch es ihr leichter fällt, eine niedrige Inflation beizubehalten.

Die Inflation in der Schweiz - und ein Blick auf Deutschland

Die Schweiz befindet sich in einer privilegierten Lage: Während viele Länder weiterhin mit hoher Inflation kämpfen, kann sie darüber diskutieren, ob der Leitzins bei 0,5 oder 0,25 Prozent liegen sollte. Ein Luxusproblem, das sich andere Volkswirtschaften derzeit wohl nur wünschen könnten.

Auch in Deutschland wird intensiv über die geldpolitische Zukunft diskutiert. Während die Inflation hierzulande zuletzt zurückging, bleibt sie mit 2,4 Prozent deutlich höher als in der Schweiz. Die Europäische Zentralbank verfolgt eine andere Strategie als die SNB, was zu einer langsameren Normalisierung der Inflation führt. Die Entwicklungen in der Schweiz könnten daher als Modell dienen, um langfristige Preisstabilität zu gewährleisten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis-Prognose: Experten sehen weiterhin Potenzial am Markt
30.11.2025

Die Entwicklung am Goldmarkt sorgt derzeit für besondere Aufmerksamkeit, da viele Anleger Orientierung in einem zunehmend unsicheren...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Start-ups: Talente ziehen lieber in die USA statt nach Europa
30.11.2025

Immer mehr europäische Start-ups verlagern ihre Aktivitäten in die USA, um dort leichter an Risikokapital zu gelangen. Kann Europa durch...

DWN
Politik
Politik Militärischer Schengen-Raum: Wie die EU die Truppenmobilität beschleunigen will
30.11.2025

Die sicherheitspolitischen Spannungen in Europa erhöhen den Druck auf die EU, ihre militärische Handlungsfähigkeit neu auszurichten. Wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Digital Champions: Das sind die neuen deutschen Tech-Vorbilder
30.11.2025

Von Leipzig bis Heidelberg entsteht eine Generation von Startups, die KI-Forschung in Markterfolg übersetzt. Digitale Champions wie Aleph...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase durch steigende Investitionen: Wie EU und deutsche Wirtschaft betroffen sind
30.11.2025

Die rasanten Investitionen in künstliche Intelligenz lassen Experten vor einer möglichen KI-Blase warnen. Droht diese Entwicklung, die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Rüstungsindustrie im Aufschwung: USA profitieren von der Aufrüstung
30.11.2025

Europa versteht sich gern als Friedensmacht, die auf Diplomatie und Werte setzt, während in ihrem Inneren eine hochdynamische Sicherheits-...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland übernimmt ausländische Markenrechte: Mehr als 300 Brands gefährdet
30.11.2025

Ausländische Marken geraten in Russland zunehmend unter Druck, seit viele Unternehmen ihre Aktivitäten im Land eingestellt haben. Wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europa im Schuldenstrudel: Warum die alten Mächte wanken und der Süden aufsteigt
29.11.2025

Europa war lange in zwei Gruppen geteilt. Es gab die Staaten mit fiskalischer Disziplin, angeführt von Deutschland, und die...