Die EU plant, ab dem 13. April US-Produkte wie Jeans, Harley-Davidson-Motorräder und Bourbon-Whisky mit höheren Zöllen zu belegen. Man könnte angesichts dessen Verbrauchern nun raten, sich schnell noch ein Paar Blue Jeans zu sichern, solange sie nicht zu teuer sind. Oder, mit Blick auf möglicherweise kommende weitere Zölle, auch iPhones, Nike-Schuhe oder andere US-Produkte. Aber das wäre zu kurz gedacht.
Mandeln: zu 92 Prozent importiert
Denn letzten Endes sind das Kinkerlitzchen angesichts der aktuellen Disruption des Welthandels durch die USA. Peanuts, wie man dort sagen würde – zu deutsch: Erdnüsse. Die übrigens zu einem großen Teil aus den USA importiert werden, ebenso wie beispielsweise Pistazien und Walnüsse. Bei Mandeln beträgt der Anteil der USA an den Importen in die Europäische Union sogar sage und schreibe 92 Prozent. "Mit den Zollerhöhungen schaden die USA nicht nur europäischen Herstellern, sondern auch den US-Partnern unserer Branche und ihrer eigenen Landwirtschaft", sagt Carsten Bernoth vom Süßwarenverband BDSI. Ob sich die USA damit selbst schaden oder nicht - das neue Zeitalter des protektionistischen Merkantilismus scheint eingeläutet - mit heftigen Konsequenzen für uns.
Ein verstörendes Gesamtbild
Unser gigantisch hoher Importanteil von amerikanischen Mandeln ist nur eines von vielen kleinen Beispielen für weltweite Arbeitsteilung, wirtschaftliche gegenseitige Abhängigkeit und sensible Lieferketten in verschiedene Richtungen. Der zerstörerische Umgang Trumps mit diesem filigranen Netzwerk ergibt ein verstörendes Gesamtbild, das im Prinzip vor allem den Schluss zulässt, dass er gerne Dinge kaputt macht, die anderen wichtig sind. Letzten Endes dürfte ein weltweit eskalierender Handelskrieg natürlich alle teuer zu stehen kommen – auch die Amerikaner, zumindest kurzfristig. Für Deutschland, die Exportnation, eh schon gebeutelt, sind die Zölle und ihre Folgen eine Katastrophe - die abzusehen war. Nichtsdestotrotz zeigen sich viele überrascht von der Brutalität Trumps.
Handelskrieg trifft Deutschland hart
Der Handelskrieg, wenn er denn wirklich so hart kommt – und danach sieht es gerade aus – dürfte Unternehmen und Verbraucher in Deutschland mit Wucht treffen. Es geht um noch höhere Preise, um weitere Arbeitsplatzverluste, um sinkende Kurse und damit schrumpfende Ersparnisse. Der deutsche Einzelhandel warnt vor Preiserhöhungen als Folge der neuen Importzölle der USA. "Viele Handelsunternehmen werden Zollerhöhungen mindestens mittelfristig auch an die Endverbraucher in den Verkaufspreisen weitergeben müssen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Margen im Einzelhandel seien meist niedrig und könnten nicht einfach "abgepuffert" werden. Alternativ dürften sich einige Handelsunternehmen nach neuen Lieferanten in anderen Ländern umsehen. "Doch auch dieser Prozess und der Aufbau neuer Lieferketten kostet Zeit und Geld", sagte Genth. Die USA hätten etwa bei Cranberries und Schalenfrüchten eine starke Stellung.
200 Milliarden Euro Schaden
Eine Schätzung des Instituts der Deutschen Wirtschaft, die die neuen Zusatzzölle für die wichtigsten US-Handelspartner im Modell von Oxford Economics simuliert, zeigt: Der kumulierte wirtschaftliche Schaden für die Bundesrepublik könnte über die vierjährige Amtszeit Trumps rund 200 Milliarden Euro betragen, für die EU etwa 750 Milliarden Euro. Das deutsche BIP läge im Jahr 2028 um etwa anderthalb Prozent niedriger als ohne Zölle. Was allerdings noch nicht Entwicklungen in der Sicherheitspolitik Europas angesichts des Verhaltens der USA in der Ukraine berücksichtigt. Es könnte also problemlos noch teurer kommen – von den Folgen möglicher Kipppunkte in der wirtschaftlichen Entwicklung ganz zu schweigen.
Folgen der US-Zölle für die deutsche Wirtschaft
Außenhandelspräsident Dirk Jandura erwartet ebenfalls negative Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. "Ich sage es ganz offen: Das werden wir spüren", erklärte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) gegenüber Reuters. "Die Zölle müssen wir in Preissteigerungen umsetzen, was in vielen Fällen einen Umsatzrückgang zur Folge haben wird." Bei kleineren Unternehmen, die bereits geschwächt aus den letzten schwierigen Jahren hervorgegangen seien, könne dies auch das Aus bedeuten. In diesem Fall würde es auch die dort beschäftigten Arbeitnehmer treffen.
US-Zölle als fundamentale Veränderung der Handelsordnung
Die Präsidentin des deutschen Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, bezeichnete den US-Schritt als fundamentalen handelspolitischen Einschnitt. "Es ist die Abkehr der USA von der regelbasierten globalen Handelsordnung – und damit von der Grundlage für weltweite Wertschöpfung und entsprechendes Wachstum sowie Wohlstand in vielen Regionen der Welt. Das ist kein 'America first', das ist 'America alone'", erklärte die VDA-Präsidentin.
VCI fordert besonnenes Handeln
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) bedauerte die Entscheidung der US-Regierung. "Jetzt gilt es für alle Beteiligten, einen kühlen Kopf zu bewahren", sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. "Eine Eskalationsspirale würde den Schaden nur vergrößern. Unser Land darf nicht zum Spielball eines ausufernden Handelskrieges werden." Brüssel müsse in seiner Reaktion flexibel bleiben und im engen Dialog mit Washington agieren. Europa brauche ein starkes Mandat, auch im Interesse der deutschen Industrie. "Das Ziel muss eine beidseitig faire Lösung sein – für Europa und die USA", sagte Entrup.
Schock für den Welthandel
Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, bezeichnete die neuen US-Zölle als einen schweren Schock für den Welthandel. "Wenn diese Zölle in dieser Form bestehen bleiben, ist das eine Zäsur für die Weltwirtschaft, wie wir sie kennen. Dann befinden wir uns in einem anderen Welthandelsregime. Das tut richtig weh, auch den Amerikanern", sagte Schularick dem "Handelsblatt".
ifo Institut warnt vor Folgen für die Weltwirtschaft
Das Münchener ifo Institut für Wirtschaftsforschung übte scharfe Kritik an den US-Zöllen. "Es ist ein bitterer Tag für die Weltwirtschaft", sagte Handelsexpertin Lisandra Flach. "Das, was wir gesehen haben, hat nichts mit Reziprozität zu tun. Die Zolldifferenz zwischen den USA und der EU beträgt im Durchschnitt nur 0,5 Prozentpunkte – im Vergleich zu der angekündigten Zollerhöhung von zwanzig Prozent."
Zollerhöhung als Wendepunkt für die Weltwirtschaft
Die geplante Zollerhöhung markiere "einen Wendepunkt für die Weltwirtschaft und gefährdet damit fast achtzig Jahre des Multilateralismus", sagte Flach. Für die deutsche Wirtschaft erwartet sie als Folge "zunächst einen dauerhaften Rückgang des BIP um null Komma drei Prozent", wobei einige Schlüsselbranchen wie Pharma, Auto und Maschinenbau stärker betroffen seien.
Dreifache Belastung für den deutschen Handel
Insgesamt leidet der deutsche Handel dreifach: "Erstens, weil Deutschland weniger in die USA exportiert. Zweitens, weil Deutschland aufgrund der geringeren Wettbewerbsfähigkeit Chinas weniger nach China exportiert. Und drittens durch einen Anstieg im Wettbewerb in Deutschland, wenn beispielsweise China nach neuen Märkten sucht, um die zuvor in die USA exportierten Produkte zu verkaufen."
Was heißt das jetzt für Unternehmer und Verbraucher?
Wie können sie sich vorbereiten? Zunächst einmal könnte es sein, dass bestimmte Aktienportfolios und ETFs an Wert verlieren, falls Trumps Steuerpolitik den Welthandel weiterhin bremst. In diesem Fall könnten Investitionen in stabilere Anlageformen wie Gold, Immobilien oder Staatsanleihen sinnvoll sein, um das Risiko weiter zu streuen. Andere, die über ein dickes Finanzpolster verfügen, könnten von den Trends profitieren und zu günstigen Preisen einkaufen. Die Volatilität der Märkte dürfte jedoch zunächst weiter bestehen bleiben. Sichere Vorhersagen sind in diesem Umfeld schwer zu treffen.
Rational bleiben und Chancen abwägen
Für alle gilt: keine Panik. Jetzt kopflos das Portfolio umschichten, Anteile verkaufen oder wichtige Unternehmensentscheidungen zu treffen, dürfte nicht zielführend sein. Stattdessen ist es ratsam, rational zu bleiben, sich nicht von der Angst leiten zu lassen und das eigene Kapital zu analysieren – wo lassen sich Einsparungen realisieren, was ist mittelfristig sicher, wo besteht Spielraum und wo nicht? Gerade in Zeiten wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen ist es umso wichtiger, besonnen zu bleiben.
Risiken für bestimmte Sektoren und Berufe
Finanz-Experte Hermann-Josef Tenhagen hebt in „Spiegel-Online“ das Risiko für Beschäftigte in der Pharmaindustrie, der Autoindustrie, dem Maschinenbau oder in Zuliefererunternehmen hervor. Jobs in diesen Bereichen könnten nun wegfallen, da sowohl China als auch die USA als Abnehmer ausfallen. Es könnte also ratsam sein, sich vorsorglich auf Stellensuche zu begeben – zum Beispiel in der Rüstungsindustrie, bei der Bundeswehr oder in der Pflegebranche. Kurzarbeit bleibt zwar eine Option, jedoch nicht auf Dauer.
Herausforderungen für Unternehmen und deren Entscheidungen
Mittelfristig stehen Unternehmen in Europa und Deutschland, die in die USA exportieren, nun vor der Entscheidung, entweder Trumps Plan zu folgen und in die USA zu verlagern oder den Markt dort aufzugeben und weniger Umsatz zu erzielen. Solche Entscheidungen sind in der Vergangenheit bereits getroffen worden. Die weltweit größte Fabrik von BMW, mit elf tausend Mitarbeitern, steht beispielsweise in Spartanburg, South Carolina. Die dort produzierten BMWs werden weltweit exportiert, und BMW ist mittlerweile mit über zehn Milliarden Dollar jährlich der größte Autoexporteur der USA.
Verbraucher sollten sich absichern
Wenn Arbeitsplätze unsicherer werden, die Inflation weiter steigt und der Handelskrieg die Weltwirtschaft belastet, sollten Verbraucher sich so gut wie möglich absichern – durch Geldsparen, das Vermeiden unnötiger Ausgaben und eine genaue Überprüfung der Investitionen. Vielleicht ist es sinnvoller, in europäische Unternehmen oder Schwellenland-Indexfonds zu investieren. Auch der eigene Garten zur Selbstversorgung könnte eine kluge Idee sein. Vielleicht sollte man auch ein paar Hühner halten. Das haben führende Politiker in den USA ihren Bürgern empfohlen, um die dort weiterhin steigenden Eierpreise zu bewältigen (eine 12er Schachtel Eier kostet dort mittlerweile sieben Dollar, im Januar 2024 lag der Preis noch bei 2,35 Dollar). Trumps Landwirtschaftsministerin Brooke Rollins sagte kürzlich: „Die Leute sehen sich um und denken: 'Wow, ich könnte mir ein Huhn in meinem Garten halten, das wäre toll.'“ Wie toll das wirklich ist, das ist eine spannende Frage - deren Antwort vielleicht der ein oder andere bald herausfinden dürfte.