Milliarden für den Markteintritt – und Nutzerdaten als Türöffner?
Die Enthüllungen wurden am Donnerstag im Rahmen einer Anhörung im US-Kongress publik und zuerst von der BBC berichtet. Meta weist alle Vorwürfe entschieden zurück. Doch die Aussagen der Insiderin werfen erneut ein Schlaglicht auf die engen – und offenbar bewusst intransparenten – Verflechtungen westlicher Tech-Konzerne mit autoritären Regimen.
Laut Wynn-Williams plante Meta eine Investition von rund 18 Milliarden US-Dollar in China, offenbar in der Hoffnung auf regulatorische Genehmigungen und den Zugang zum größten Internetmarkt der Welt. Im Gegenzug, so die Whistleblowerin, sei das Unternehmen bereit gewesen, bei der Zensur und Überwachung politisch unerwünschter Inhalte zu kooperieren – und dabei sogar Daten westlicher, darunter auch amerikanischer Nutzer, preiszugeben.
„Meta hat aktiv mit Peking zusammengearbeitet, um Dissidenten zu identifizieren und zum Schweigen zu bringen“, sagte Wynn-Williams vor dem Ausschuss. Als konkretes Beispiel nannte sie die Löschung des Facebook-Kontos von Guo Wengui, einem chinesischen Regimekritiker im US-Exil. Die offizielle Begründung lautete damals, der Account habe gegen Richtlinien verstoßen – ein Standardargument, das in diesem Zusammenhang einen bitteren Beigeschmack erhält.
Meta dementiert – aber das Misstrauen wächst
Ein Sprecher von Meta, Ryan Daniels, wies die Vorwürfe als „realitätsfern und voller falscher Behauptungen“ zurück. Mark Zuckerberg selbst habe zwar öffentlich sein Interesse an China bekundet, doch Meta betreibe dort „derzeit keine Dienste“, so Daniels.
Eine Aussage, die Fragen aufwirft. Denn wie die BBC berichtet, generiert Meta trotz offizieller Blockade relevante Werbeeinnahmen von chinesischen Unternehmen. Und nicht zuletzt gilt die Meta-Datenstruktur als global vernetzt – ein Zugriff auf Informationen in anderen Regionen ist technisch jederzeit möglich.
„Zuckerberg und die KPCh eint der Wunsch nach Kontrolle“
In ihren Aussagen geht Wynn-Williams noch weiter: Die Politikabteilungen von Meta hätten systematisch Instrumente zur Meinungsunterdrückung entwickelt, die sich eng an den Wünschen und Vorgaben Pekings orientierten. Dabei sei es keineswegs nur um China-spezifische Inhalte gegangen – vielmehr um den Aufbau eines Mechanismus, mit dem globale Zensur möglich wird.
„Eines haben die Kommunistische Partei Chinas und Mark Zuckerberg gemeinsam: Sie wollen ihre Kritiker zum Schweigen bringen. Das kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung sagen“, so die ehemalige Top-Managerin.
Die Aussagen sind brisant – nicht zuletzt, da sie nicht von einer Außenstehenden stammen, sondern von einer Führungskraft, die zwischen 2011 und 2018 tief in die strategische Ausrichtung des Konzerns eingebunden war. In ihrem kürzlich veröffentlichten Buch Careless People beschreibt Wynn-Williams ein internes Klima, das geprägt war von Intransparenz, Opportunismus und geopolitischer Naivität – ein Vorwurf, der auch andere Silicon-Valley-Konzerne wie Apple oder Microsoft betrifft.
Nationale Sicherheit erneut gefährdet?
In Washington wächst der Druck auf Meta. Mehrere Abgeordnete forderten in ersten Reaktionen eine parlamentarische Untersuchung, um den Umfang der mutmaßlichen Datenweitergabe und mögliche Verstöße gegen nationale Sicherheitsgesetze zu prüfen.
„Wenn sich herausstellt, dass ein US-Konzern aktiv mit einer autoritären Regierung kooperiert hat – zum Schaden amerikanischer Bürger –, dann ist das nicht nur ein Skandal. Es ist ein sicherheitspolitischer Ernstfall“, sagte der republikanische Senator Josh Hawley am Rande der Anhörung.
Der digitale Ausverkauf?
Die Enthüllungen fügen sich in ein besorgniserregendes Gesamtbild: Immer mehr westliche Tech-Giganten suchen den Schulterschluss mit autoritären Systemen, um ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Im Gegenzug nehmen sie – bewusst oder stillschweigend – die Preisgabe sensibler Daten, Einschränkungen der Meinungsfreiheit und eine Aushöhlung demokratischer Grundwerte in Kauf.
Meta steht nicht zum ersten Mal am Pranger. Doch die neuen Vorwürfe könnten weitreichende Folgen haben. Sie stellen nicht nur die Glaubwürdigkeit des Konzerns infrage – sondern auch die Frage, wem die digitale Infrastruktur der freien Welt eigentlich noch gehört.
Wenn die Aussagen von Sarah Wynn-Williams zutreffen, steht Meta nicht nur wirtschaftlich, sondern auch moralisch am Abgrund. Es ist ein Lehrstück darüber, wie Konzerne, getrieben von Profitgier, bereit sind, die Grundlagen westlicher Gesellschaften zu verraten – für ein paar Milliarden Dollar und einen Platz im chinesischen Markt.