US-Konzerne horten Bauteile – aus Angst vor neuen Zöllen
Die Spannungen zwischen den USA und China haben sich zuletzt leicht abgeschwächt – doch die Erholung der globalen Lieferketten bleibt aus. Im Gegenteil: Die aktuelle Datenlage deutet auf ein System am Rande des Zusammenbruchs hin.
Ein nun veröffentlichter Index zur Volatilität globaler Lieferketten, erstellt von der Beratungsfirma GEP (Global Enterprise Partners), zeigt ein besorgniserregendes Bild: Nach einer Phase hektischer Lageraufstockungen zogen sich die Unternehmen rasch aus neuen Bestellungen zurück. Im April, nach einer Welle von Panikkäufen zur Absicherung gegen drohende Zölle, brach die Einkaufsaktivität im verarbeitenden Gewerbe spürbar ein.
Das temporäre Aussetzen der Zölle – kurz vor Erreichen eines kritischen Punktes für die internationalen Versorgungsketten vereinbart – verschaffte den Produzenten auf beiden Seiten des Pazifiks zwar etwas Luft. Doch echte Entwarnung sieht anders aus.
„Die Aussetzung der Zölle ist zweifellos positiv. Gleichzeitig beobachten wir einen spürbaren Rückgang der Nachfrage nach chinesischen Industrieprodukten, während US-Unternehmen fieberhaft versuchen, sich mit strategischen Komponenten einzudecken – aus Angst vor neuen Handelsbarrieren“, erklärt John Piatek, Vizepräsident für Beratung bei GEP.
Die Unsicherheit bleibt jedoch bestehen. Die Unternehmen suchen weiterhin nach Wegen, um ihre Abhängigkeit von China zu reduzieren und ihre Lieferketten künftig widerstandsfähiger zu gestalten.
Der GEP-Index, der monatlich Daten von über 27.000 Unternehmen weltweit auswertet, berücksichtigt Indikatoren wie Nachfrageveränderungen, Lieferengpässe, Transportkosten und Lagerbestände. Laut Piatek hat der Handelskrieg bereits erste tiefe Spuren in der globalen Industrie hinterlassen. Sollte die 90-tägige Waffenruhe nicht verlängert werden und die Spannungen erneut eskalieren, droht eine weitere Verschärfung der Lage.
Auffällig: Im April kam es in Nordamerika zu einem sprunghaften Anstieg der Lagerbestände – ein „besorgniserregender Trend“, so Piatek. Gleichzeitig meldeten Hersteller in Asien zunehmende Probleme bei der Beschaffung und einen Nachfrageeinbruch – das Einkaufsniveau fiel auf den tiefsten Stand seit Dezember 2023.
Europa zwischen Erholung und Unsicherheit
In Europa ist die Lage insgesamt etwas stabiler: Die industrielle Rezession scheint sich dem Ende zuzubewegen. Während Großbritannien – als erstes Land mit einem vorläufigen Handelsabkommen mit den USA – weiterhin eine schwache Zulieferaktivität verzeichnet, zeigen sich in Deutschland und Frankreich erste Anzeichen industrieller Belebung. Dort steigen die Produktionskapazitäten wieder, nachdem sie im Vorjahr stark unterausgelastet waren.
Experten warnen jedoch: Sollte sich der globale Handelskonflikt erneut verschärfen, könnte die zarte wirtschaftliche Erholung schnell wieder verpuffen.
In Asien hingegen – insbesondere in China, Taiwan und Südkorea – steigen die sogenannten ungenutzten Kapazitäten. Dies gilt als Frühindikator für eine Abschwächung der Konjunktur.
Vor allem die chinesische Automobilzulieferindustrie muss ihre globalen Expansionspläne überdenken. Ob Batterien für E-Fahrzeuge, Radarsysteme oder Steuerungseinheiten – die Ungewissheit über neue Zölle macht Investitionsentscheidungen außerhalb Chinas extrem schwierig. Laut S&P Global hemmen die aktuellen Handelsrisiken gezielt den Bau neuer Fabriken im Ausland.
Vertragspause ohne Vertrauen: Neue Deals auf Eis
Trotz der Entspannung bleiben viele potenzielle Verträge zwischen chinesischen Produzenten und ihren US-Partnern auf Eis. Der Grund: mangelndes Vertrauen in die Nachhaltigkeit der Waffenruhe.
Qian Kang, Eigentümer einer Leiterplattenfabrik in der chinesischen Provinz Zhejiang, bringt es auf den Punkt: Die Lage könne sich schlagartig ändern, sobald die 90-tägige Frist endet.
Stephen Edwards, Geschäftsführer des Hafens im US-Bundesstaat Virginia, äußerte sich im Interview mit CNBC ähnlich: Wenn globale Unternehmen tatsächlich ihre Abhängigkeit von China reduzieren wollten, sei sein Hafen bereit, neue Handelsrouten abzuwickeln – insbesondere mit Südostasien, Indien und Europa.
„In den letzten vier Jahren haben wir das stärkste Wachstum bei Handelsvolumen mit Indien, Vietnam und europäischen Ländern gesehen“, so Edwards. Der Handel mit China sei in diesem Zeitraum weitgehend stabil geblieben.
„China ist weiterhin unser zweitgrößter Handelspartner nach der EU – aber wir sehen, dass sich dieses Gleichgewicht zu verschieben beginnt. Wir sind vorbereitet auf die neuen Realitäten“, sagte Edwards abschließend.