Wirtschaft

Steigende Arbeitslosigkeit: Wirtschaftskrise treibt Arbeitslosenquote auf historisches Hoch

Schon im Sommer droht eine neue Welle der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland. Es wird der höchste Anstieg seit 15 Jahren erwartet: Eine Studie zeigt den rasanten Anstieg der Arbeitslosen auf knapp drei Millionen – und das BIP schrumpft weiter. Bayern und Baden-Württemberg, bisher die größten Einzahler beim Länderfinanzierungsausgleich, trifft es am härtesten.
20.06.2025 05:53
Lesezeit: 4 min
Steigende Arbeitslosigkeit: Wirtschaftskrise treibt Arbeitslosenquote auf historisches Hoch
Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) warnt: Die deutsche Wirtschaft schrumpft weiter – ab Sommer droht eine Massenarbeitslosigkeit von mindestens drei Millionen Menschen. (Foto: dpa) Foto: Patrick Pleul

Die wirtschaftliche Stagnation verschärft die Lage am Arbeitsmarkt spürbar: Laut einer aktuellen Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) könnte die Zahl der Arbeitslosen bis August auf bis zu drei Millionen ansteigen – ein Negativniveau, das zuletzt im Jahr 2010 erreicht wurde!

IW-Prognose: Arbeitslosigkeit steigt im Sommer auf drei Millionen

Die schlechte wirtschaftliche Entwicklung trifft mit voller Wucht den Arbeitsmarkt – bisher schleichend und aber immer mehr sicht- und spürbar: Es gibt aktuell 2.932.000 Millionen arbeitslose Menschen in Deutschland. Tendenz steigend, denn seit Mitte 2024 schrumpft die Zahl der Erwerbstätigen konstant. In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden den Arbeitsagenturen fast 10 Prozent weniger neue Stellen gemeldet als im entsprechenden Vorjahreszeitraum, in nahezu gleichem Tempo sank der Stellenbestand. Arbeitsplätze, die durch natürliche Fluktuation – gegebenenfalls in Verbindung mit Abfindungen – frei geworden sind, werden mithin seltener wieder neu besetzt. Die Abgangschance aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung liegt zurzeit auf dem niedrigsten Niveau seit 2008, als dieser Indikator das erste Mal erfasst wurde.

Arbeitslosigkeit erreicht historisches Niveau

Der Grund für Sparmaßnahmen und Stellenabbau: die anhaltende Rezession, die Deutschland nun schon das dritte Jahr in Folge plagt. Zusätzlich setzen die Inflation und steigende Betriebskosten den Unternehmen zu. Infolgedessen kommt es nicht nur vermehrt zu Entlassungen, sondern auch zu Zurückhaltung bei Neueinstellungen.

Industrie und Bau geraten massiv unter Druck

Der Rückgang der Beschäftigung betrifft zahlreiche Branchen: Industrie und Bauwirtschaft leiden besonders stark unter der aktuellen Entwicklung. Die Industrie verzeichnete 2024 bereits ein Minus von drei Prozent. Auch 2025 sinkt die Wertschöpfung weiter. Hauptgründe sind hohe Energiepreise, steigende Löhne und wachsender Regulierungsdruck.

Die Bauwirtschaft trifft es noch härter: Nach einem Einbruch um 3,7 Prozent im Vorjahr droht erneut ein Rückgang. Hohe Baukosten und politische Vorgaben blockieren Investitionen und hemmen die Konjunktur. Neben der Industrie geraten aber auch viele Dienstleistungsbereiche unter Druck.

Rekord-Arbeitslosigkeit durch Zuwanderung

Schaut man sich die Entwicklung der Arbeitslosigkeit, ist zu erkennen, dass es kontinuierlich weniger deutsche Arbeitslose gibt. Das exakte Gegenteil ist mit Blick auf ausländische Arbeitslose der Fall. Damit ist die Arbeitslosenquote unter Ausländern in Deutschland ist deutlich höher als bei Deutschen. Die Arbeitslosenquote für Ausländer liegt oft mehr als dreimal so hoch wie bei den Deutschen. Im Jahr 2020 betrug die Arbeitslosenquote bei Ausländern 14,4 %, während sie bei Deutschen bei 4,7 % lag.

Vergleich Bundesländer: Arbeitslose nach Ländern

Wie der aktuelle Arbeitsmarktbericht der Bundesagentur für Arbeit zeigt, ist die Arbeitslosigkeit in den Bundesländern unterschiedlich stark angestiegen: am stärksten in Bayern (+13 Prozent), gefolgt von Baden-Württemberg (+9,6 Prozent) und dem Saarland (+8,1 Prozent). Die Spannweite zwischen den Ländern ist insgesamt groß und reicht von +1 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern bis zu +13 Prozent in Bayern.

Der Zuwachs der Arbeitslosigkeit ist in südlichen Bundesländern deutlich höher als in den Nördlichen: Die relativ stärkste Abnahme gab es in Schleswig-Holstein. Im Vergleich zum Vorjahr jedoch hat die Arbeitslosigkeit durchgängig in allen Bundesländern zugenommen.

Auswirkungen wird diese unterschiedliche Entwicklung in den Bundesländern auch auf den Länderfinanzausgleich haben. Der Länderfinanzausgleich verteilt Gelder zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern um und soll für annähernd gleiche Lebensverhältnisse in Deutschland sorgen. Aktuelle Zahlen zeigen: nur vier der 16 Länder zahlen ein – Bayern erneut am meisten.

Ungleichgewicht beim Länderfinanzausgleich

Mit dem Länderfinanzausgleich sollen Unterschiede zwischen wirtschaftlich stärkeren und schwächeren Bundesländern geglättet werden: Begründet wird das an mehreren Stellen im Grundgesetz – mit der sogenannten Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse in Deutschland.

Dabei erfolgt die Berechnung des Länderfinanzausgleichs nach einem komplizierten System, in dem die Wirtschaftskraft der Bundesländer, gemessen an ihren Steuereinnahmen, ins Verhältnis zu ihren Einwohnern gesetzt wird. So sind im Zuge des Länderfinanzausgleichs 2024 rund 18,65 Milliarden Euro in Deutschland umverteilt worden. Größter Einzahler war erneut Bayern, mit rund 9,77 Milliarden Euro. Das entspricht 52 Prozent des Gesamtvolumens. Weitere Geberländer sind Baden-Württemberg (rund 5,03 Milliarden Euro), Hessen (3,73 Milliarden Euro) und Hamburg (106 Millionen Euro).

Bayern fordert schon lange eine Reform des Länderfinanzausgleichs: Die anhaltende Krise in der Automobilindustrie und die steigenden Arbeitslosenzahlen im Freistaat werden das Ausgleichsvolumen innerhalb der Solidargemeinschaft der Bundesländer zusätzlich verändern.

Wirtschaftliche Stagnation: Chancen durch Infrastrukturprojekte

Trotz der kritischen Lage existieren Hebel für einen wirtschaftlichen Impuls. „Die neue Regierung hat es jetzt in der Hand“, erklärt IW-Konjunkturchef Michael Grömling. Besonders das Infrastruktursondervermögen könne die Konjunktur stützen – vorausgesetzt, Genehmigungsverfahren verlaufen schneller, regulatorische Hemmnisse werden abgebaut und die Standortkosten sinken.

Zielgerichtete Maßnahmen könnten Vertrauen schaffen und Investitionen anregen. Doch ohne politische Dynamik bleibt die Arbeitslosigkeit eine der größten Herausforderungen der kommenden Monate und Jahre. Langfristig braucht Deutschland strukturelle Veränderungen. Nur durch verlässliche Rahmenbedingungen kann sich das Investitionsklima verbessern.

Wirtschaftswachstum in anderen EU-Ländern

Während die Bundesrepublik weiterhin in einer wirtschaftlichen Dauerkrise festhängt, zeichnet das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) für den Rest Europas ein deutlich optimistischeres Bild. Fast jede Volkswirtschaft in der EU dürfte demnach im Jahr 2025 ein positives Wachstum des Bruttoinlandsprodukts verzeichnen. So rechnet das IW etwa für Frankreich mit einem Anstieg des BIP um 0,7 Prozent, während Spanien sogar mit einem Zuwachs von 1,9 Prozent rechnen kann. Polen hebt sich besonders ab: Hier erwartet das Institut ein Wirtschaftswachstum von 2,1 Prozent.

Fazit: Arbeitslosigkeit erreicht historisches Niveau

Für das Gesamtjahr rechnet das Institut mit einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 6,3 Prozent. Parallel dazu geht das IW von einer weiteren Schrumpfung der Wirtschaftsleistung aus. Sollte sich diese Prognose bewahrheiten, wäre Deutschland das dritte Jahr in Folge in der wirtschaftlichen Stagnation gefangen.

Die IW-Prognose zeigt deutlich: Wenn es keinen wirtschaftspolitischen Kurswechsel gibt, droht Deutschland eine Phase anhaltender Stagnation – mit gravierenden Folgen für Beschäftigung, Wachstum und Wohlstand.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Schmuck aus Holz und Stein: Holzkern – wie Naturmaterialien zum einzigartigen Erfolgsmodell werden
07.11.2025

Das Startup Holzkern aus Österreich vereint Design, Naturmaterialien und cleveres Marketing zu einem einzigartigen Erfolgsmodell. Gründer...

DWN
Finanzen
Finanzen Wall Street: Wie die Märkte alle Warnsignale ignorieren
07.11.2025

Die Wall Street kennt derzeit nur eine Richtung – nach oben. Während geopolitische Krisen, Schuldenstreit und Konjunkturrisiken...

DWN
Politik
Politik Donald Trump: Warum die Wahlsiege der Demokraten kein Wendepunkt sind
07.11.2025

Vier Wahlsiege der Demokraten in Folge, und doch kein politisches Erdbeben: Donald Trump bleibt erstaunlich unerschüttert. Während die...

DWN
Politik
Politik Pistorius will mehr Mut und neue Führungskultur in der Bundeswehr
07.11.2025

Angesichts russischer Bedrohungen und interner Bürokratie fordert Verteidigungsminister Boris Pistorius tiefgreifende Reformen in der...

DWN
Panorama
Panorama Mehr Mobbing in Schule, Beruf und Netz – Studie warnt vor zunehmender Schikane
07.11.2025

Mobbing ist längst kein Problem von gestern: Eine aktuelle Studie zeigt, dass immer mehr Menschen sowohl am Arbeitsplatz als auch online...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rheinmetall startet Satellitenproduktion – Rüstung geht jetzt ins All
07.11.2025

Rheinmetall, bisher vor allem bekannt für Panzer, Haubitzen und Drohnen, wagt den Schritt ins Weltall. Der deutsche Rüstungskonzern hat...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Sichtbar mit KI: Wie KMU auf ChatGPT und Gemini gefunden werden
07.11.2025

Nach der Einführung von Googles KI-Übersicht ist der Website-Traffic im Schnitt um sieben Prozent gesunken. Klassisches SEO verliert an...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Teure Naschzeit: Preise für Schoko-Weihnachtsmänner steigen deutlich
07.11.2025

Süße Klassiker wie Schoko-Weihnachtsmänner, Dominosteine und Lebkuchen gehören für viele zur Adventszeit dazu – doch in diesem Jahr...