Wirtschaft

Bayer-Aktie: Soll Monsanto pleitegehen?

Seit vielen Jahren schon kämpft die Bayer AG mit Milliardenklagen gegen die Tochterfirma Monsanto und deren Unkraut-Vernichter Glyphosat. Dem soll nun ein Ende gemacht werden und Bayer fährt dabei verschiedene Strategien.
21.05.2025 05:51
Lesezeit: 4 min
Bayer-Aktie: Soll Monsanto pleitegehen?
Wie Bayer die noch offenen Prozesse stoppen will (Foto: dpa). Foto: Oliver Berg

Monsanto belastet Bayer-Aktie

Mit der Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto 2018 hatte sich die Bayer AG eine unendliche Klageflut vornehmlich von US-Privatkunden eingekauft, die gegen die vermeintlich krebserregende Wirkung des Produktes „Roundup“ als Unkrautvernichter vorgehen. Die 63 Milliarden teure Übernahme von Monsanto wurde zu einem Fiasko für die Bayer AG und hat den Konzern nun schon seit Jahren schwer belastet. Ganze 10 Milliarden Euro musste Bayer bislang schon im Rahmen der Glyphosat-Verfahren bezahlen, und es ist kein Ende in Sicht.

Bis zum 31. Januar 2025 hat Bayer eigenen Angaben zufolge 114.000 der circa 181.000 aktuellen Klagen durch Vergleiche beigelegt, oder die Prozesse gewonnen. Weitere 67.000 Fälle sind noch offen und Bayer hat hierfür Rückstellungen in Höhe von 5,9 Milliarden Euro gebildet. Seit der Übernahme von Monsanto ist der Wert der Bayer AG von 100 Milliarden Euro auf jetzt 25 Milliarden Euro gesunken. In den USA wurde zwischenzeitlich der Verkauf von „Roundup“ an US-Privatkunden gestoppt. Diese stellen den Großteil der Kläger.

Bayer will einen Schlussstrich ziehen

Jetzt hat Bayer genug von den endlosen Rechtsstreitigkeiten und will mit vollem Einsatz die Prozessflut stoppen. Bayer-CEO Bill Anderson und sein Cheflobbyist Matthias Berninger unternehmen wirklich alles, um die Glyphosat-Klagewellen in den USA zu beenden. Dafür wenden sie sich an den Obersten Gerichtshof in den USA, werben bereits erfolgreich auf politischer Ebene für Gesetzesänderungen im Sinne von Bayer, mobilisieren öffentliche Unterstützer und arbeiten an Vergleichen mit den Klägern. Die Bayer-Lobbyisten arbeiten aber auch mit Druck und drohen auch damit, den Unkrautvernichter in den USA ganz vom Markt zu nehmen. Das bedeutet dann höhere Kosten für die Landwirte und damit auch höhere Lebensmittelpreise, was von der US-Politik nicht gewollt sein kann.

Bayer hat im vergangenen Monat beim obersten Gericht der USA eine Petition eingereicht, um die Klagewellen einzuschränken und eventuelle weitere Milliardenschäden abzuwenden. Die Entscheidung hierzu könnte bereits im nächsten Monat fallen. Nach Aussage von Bayer könnte bereits hier ein positives Urteil die Rechtsstreitigkeiten weitgehend beenden.

In vielen Berufungsverfahren geht es um die rechtliche Frage, ob die Ansprüche der Kläger wegen fehlender Warnhinweise auf dem Produkt nichtig sind. Das Anbringen von Warnhinweisen wird in den USA im Rechtskreis der einzelnen US-Bundesstaaten geregelt, kann aber durch Bundesrecht ausgeschlossen werden. Da die US-Umweltbehörde „Roundup“ als nicht krebserregend eingestuft hatte und das Produkt ohne Warnung genehmigt hat, ist Bayer der Ansicht, dass die Ansprüche aus den Klagen keinen Bestand haben.

Gesundheitslobby kämpft gegen „Roundup“

Allerdings weht Bayer auch von prominenter politischer Seite Gegenwind ins Gesicht. US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy, ehemals Klägeranwalt gegen Bayer, hält den Unkrautvernichter nach wie vor für gesundheitsschädlich. Er hat persönlich an einem Rechtsstreit gegen Bayer/Monsanto mitgewirkt, bei dem Monsanto letztendlich zu einer Zahlung in Höhe von 289 Millionen US-Dollar verurteilt wurde. Kennedy soll ferner in einem noch unveröffentlichten Bericht zu „Make America Healthy Again“ zuletzt chronische Krankheiten und Glyphosat in Zusammenhang bringen.

Auch hatte die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2025 Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. In Versuchen mit Säugetieren, die mit der Chemikalie gefüttert wurden, hatten diese infolge Tumore entwickelt. Dies hatte zur Folge, dass US-Gerichte Bayer und Monsanto zu hohen Schadenersatzzahlungen verurteilten. Die Kläger hatten ihre eigenen Krebserkrankungen auf den Umgang mit der Chemikalie zurückgeführt.

Bayer hingegen verweist auf die Zulassungsbehörden, die das Glyphosat als sicher eingestuft haben. Glyphosat ist in der Lage, praktisch alle Pflanzen zu töten und entzieht damit auch die Nahrungsgrundlage für die Vogelwelt und Insekten. Umweltschützer mahnen deshalb an, dass das Gift eine Gefahr für die Artenvielfalt darstellt. Trotzdem hat die EU Glyphosat in 2023 für weitere 10 Jahre zugelassen.

Vergleiche mit den Klägern oder Insolvenz

Zentrale Strategie des Leverkusener Konzern gegen die Prozesswelle in den USA ist es, einen Vergleich an einem Gericht in Missouri zu erzielen, an dem die meisten Klagen anhängig sind, wie das Wall Street Journal vergangene Woche berichtete.

Für den Fall, dass ein Vergleich dort scheitern sollte, will Bayer auch eine mögliche Insolvenz von Monsanto prüfen. Diese Optionen werden nun von der beauftragten Anwaltskanzlei Latham & Watkins sowie der Beratungsfirma AlixPartners geprüft. Durch ein Insolvenzverfahren nach geltendem US-Recht könnte sich Bayer von den Gläubigerforderungen schützen und die Klagen stoppen.

Die Strategien sind für Bayer jedoch riskant, denn der Konzern begibt sich dadurch in juristische Abhängigkeiten. Das dies ungünstig ausgehen kann, hat der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson zu spüren bekommen, der mit ähnlichen Strategien mehrfach gescheitert ist vor den US-Gerichten.

Insolvenzverfahren kann für das Unternehmen und die Bayer-Aktie riskant sein

Würde Monsanto in die Insolvenz gehen, wäre das für Bayer außerdem das finale Eingeständnis, dass die Übernahme von Monsanto ein fataler Fehler war, was von Konzernseite jedoch immer noch bestritten wird. Verantwortlich für das Desaster ist allerdings auch nicht der aktuelle CEO Bill Anderson, sondern dessen Vorgänger Werner Baumann und der ehemalige Aufsichtsratschef Werner Wenning.

Brigitte Hincha-Weisel von der Coordination gegen Bayer-Gefahren, hält die Drohung mit einer Insolvenz für eine infame Strategie. Die Glyphosat-Geschädigten würden in diesem Fall fast leer ausgehen. Sie zweifelt aber auch daran, dass die Gerichte in den USA dies mitmachen werden. Mit einem Insolvenzverfahren nach Chapter 11 in den USA wäre Bayer aber auch noch nicht endgültig aus dem Schneider. Selbst wenn es zu einem Konkurs kommen sollte, würden dadurch die anhängigen Verfahren bei Monsanto nur vorübergehend gestoppt. In diesem Fall müsste dann das Insolvenzgericht die Haftungsfragen klären.

Wie Bayer mitteilte, werden jetzt alle möglichen Maßnahmen geprüft mit dem Ziel, die Rechtsstreitigkeiten bis Ende 2026 deutlich einzudämmen. Die Aktionäre der Bayer AG verbreiteten nach den Pressemitteilungen zur neuen Strategie im Monsanto-Krimi hingegen Optimismus. Eine Aussicht auf das Ende der jahrelangen Rechtsstreitigkeiten quittieren sie mit einem Plus am Aktienmarkt.

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