Die Unterschiede zum Westen bleiben zwar sichtbar, doch Ostdeutschland hat wirtschaftlich inzwischen an vielen Stellen den Abstand rasant verringert. Eine Studie vom Ifo-Institut zeigt: Ostdeutschland ist kein homogener Wirtschaftsraum, sondern vielmehr von regionalen Stärken geprägt.
Ifo-Studie macht deutlich: Wirtschaft im Osten holt auf
Ostdeutschland hat bei wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, Forschung und Lebensqualität teils deutlich zum Westen aufgeschlossen. Das zeigt der neue ifo-Faktenmonitor Ostdeutschland, der beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum (OWF) im brandenburgischen Bad Saarow vorgestellt wurde. Präsentiert wurde der Bericht vom sogenannten „Saarower Kreis“, einem Zusammenschluss ostdeutscher Wirtschaftsakteure, der faktenbasierte Impulse für die Strukturpolitik geben will.
So liegt etwa Sachsens Exportquote mit 32 Prozent über dem westdeutschen Durchschnitt, und Thüringens Industrieanteil erreicht das Niveau von Bayern. Auch bei den Forschungsausgaben punkten Berlin und Sachsen – beide zählen europaweit zu den Spitzenregionen.
Ifo-Studie: Leistung bei 86 Prozent des Westniveaus
Die Studie, erstellt vom ifo-Institut Dresden im Auftrag der Mitteldeutschen Stiftung Wissenschaft und Bildung vergleicht auf Grundlage von rund 170 Indikatoren die wirtschaftliche, gesellschaftliche und wissenschaftliche Entwicklung zwischen Ost und West – sowie innerhalb Ostdeutschlands selbst.
Der ifo-Studie zufolge liegt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Ostdeutschlands gemessen am Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde bei 86 Prozent des westdeutschen Durchschnitts. Zwischen 2019 und 2024 lag das jährliche Wirtschaftswachstum im Osten mit 0,3 Prozent über dem Westen, was vor allem dem Berliner Wirtschaftsboom zugeschrieben wird.
Der Monitor beleuchtet auch die strukturellen Unterschiede: Der Anteil ausländischer Bevölkerung ist mit 7,2 Prozent deutlich geringer als im Westen (15,6 Prozent), die Löhne liegen real jedoch bei über 90 Prozent des Westniveaus – dank niedrigerer Lebenshaltungskosten.
Umfrage: Firmen im Osten zweifeln an aktueller Wirtschaftspolitik
Dennoch haben Unternehmen in Ostdeutschland einer Umfrage nach wenig Zuversicht, dass die neue schwarz-rote Bundesregierung wirksame Wachstumsimpulse für die Wirtschaft setzt. Das ergab das sogenannte Transformationsbarometer 2025 anlässlich des Ostdeutschen Wirtschaftsforums im brandenburgischen Bad Saarow:
- 58,2 Prozent der Befragten gaben an, nicht an wirksame Wachstumsimpulse der neuen Bundesregierung zu glauben.
- Für eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts wünschen sich die befragten Unternehmen vor allem einen Bürokratieabbau (68 Prozent) und eine Senkung der Energiepreise (54,4 Prozent).
OWF: Wirtschaftsministerin Katherina Reiche kündigt Entlastungen an
Zum Wirtschaftsforum kommen jedes Jahr Schwergewichte der Bundespolitik. In diesem Jahr sind die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und der neue Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) in Bad Saarow.
Kurz nach Amtsantritt der neuen schwarz-roten Bundesregierung soll über Wege aus der angespannten wirtschaftlichen Lage diskutiert werden. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche kündigte bereits ein erstes Entlastungspaket für Unternehmen bis Mitte Juli an.
Reiche verspricht Entlastungspaket und „Investitionsbooster“
Die CDU-Politikerin sagte auf dem Ostdeutschen Wirtschaftsforum (OWF), das Paket werde die Senkung der Stromsteuer und erste Reformen zum Arbeitsmarkt enthalten.
Die ostdeutsche Wirtschaftsministerin und frühere E.ON-Energiemanagerin versprach in ihrem Grußwort außerdem einen „Investitionsbooster“, deutlich verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten und eine Unternehmenssteuerreform in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode. Sie forderte auch den Ausbau „gesicherter Leistung“ – also Kraftwerke, die unabhängig von Wind und Sonne sicher Strom liefern. Das könne Gas sein. Wegen des Kohleausstiegs sei Tempo wichtig.
Zudem wies sie darauf hin, dass in acht der letzten zehn Jahre die Wirtschaft in Ostdeutschland stärker gewachsen sei als in den alten Ländern. Für Investoren sei Ostdeutschland attraktiv. Die Arbeitslosigkeit liege unter der Rate im Saarland oder Nordrhein-Westfalen, die Löhne hätten sich nach oben entwickelt. Das erfülle sie mit Stolz und Zuversicht.
Weltwirtschaft am Scharmützelsee – the next Level?
Das OWF25 findet vom 18. bis 20. Mai statt und ist somit die erste Wirtschaftskonferenz in der neuen Legislaturperiode der schwarz-roten Bundesregierung, unter Kanzler Merz. Man darf gespannt sein, wie die Politik die aktuellen Herausforderungen am Wirtschaftsstandort Ostdeutschland bewertet. Für die ostdeutschen Unternehmen jedenfalls in das OWF, was bereits zum zehnten Mal stattfindet, ein fester Termin im Jahr. OWF-Direktor Philipp Mehne ist überzeugt: „Das OWF ist längst zu einem überregional relevanten Forum geworden, mit nationaler Strahlkraft.“ Das Motto in diesem Jahr: „Next Level“.