Iran kritisiert US-Vorschlag als unpräzise und widersprüchlich
Der iranische Außenminister Abbas Araghchi hat den von den USA unterbreiteten Vorschlag für ein neues Atomabkommen scharf kritisiert, berichtet eine litauische Quelle. In einer Stellungnahme aus dem Libanon erklärte Araghchi am Dienstag, das über Oman vermittelte Dokument enthalte „viele Mehrdeutigkeiten und offene Fragen“. Die iranische Seite bemängele insbesondere, dass zentrale Punkte nicht eindeutig geregelt seien.
Am Samstag hatte Teheran bekannt gegeben, dass es nach fünf Gesprächsrunden seit April nun die Details des US-Vorschlags erhalten habe. Die Verhandlungen wurden über den Oman als neutralen Vermittler geführt.
Urananreicherung bleibt roter Linienpunkt
Ein zentraler Streitpunkt ist weiterhin Irans Urananreicherung. Präsident Donald Trump bekräftigte am Montag, dass es Iran im Rahmen eines neuen Abkommens untersagt sein müsse, Uran in jeglicher Form anzureichern. Dies steht im Widerspruch zu Berichten der US-Plattform „Axios“, laut denen das US-Angebot Teheran eine begrenzte Urananreicherung zugestehen würde.
Araghchi wies solche Einschränkungen entschieden zurück: „Die Urananreicherung auf iranischem Boden ist unsere rote Linie.“ Man werde sich in den kommenden Tagen offiziell zum US-Vorschlag äußern – unter Berücksichtigung der „prinzipientreuen iranischen Position und der Interessen des iranischen Volkes“.
Zugleich betonte der iranische Chefdiplomat die Bereitschaft, durch technische Maßnahmen nachzuweisen, dass keine militärische Nutzung der Anreicherung beabsichtigt sei.
TATENA warnt vor zunehmender Uranproduktion
Vorangegangen war dem diplomatischen Schlagabtausch ein Treffen Araghchis mit dem Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Rafael Grossi, in Kairo. Grossi hatte Iran aufgefordert, für mehr Transparenz zu sorgen – insbesondere im Hinblick auf die stark gestiegene Produktion hochangereicherten Urans.
Laut einem internen IAEO-Bericht hat Iran seine Produktion von auf 60 % angereichertem Uran deutlich erhöht – ein Wert, der sich der für den Bau von Atomwaffen nötigen Schwelle von 90 % gefährlich nähert.
Geopolitischer Kontext: Rückkehr zur Diplomatie oder neues Wettrüsten?
Die Spannungen um Irans Atomprogramm stehen im Zentrum der strategischen Konkurrenz zwischen den USA und den regionalen Rivalen Iran, Saudi-Arabien und Israel. Teheran spielt bewusst auf Zeit und nutzt die geopolitische Lage im Nahen Osten – einschließlich des Kriegs in Gaza und der israelischen Militäraktionen – um den Verhandlungstisch taktisch zu besetzen. Washington wiederum versucht, ein Abkommen zu erzielen, das nicht nur die Proliferation stoppt, sondern auch neue Eskalationen im Golfraum verhindert. Doch ohne klare Regelung der Urananreicherung bleibt der Pfad zur Einigung schmal.
Deutschland im Dilemma: Wirtschaftliche Interessen vs. Sicherheitsbedenken
Deutschland steht angesichts der Gespräche zwischen Teheran und Washington vor einem altbekannten Dilemma: Einerseits befürwortet Berlin eine Rückkehr zu einem stabilen Nuklearabkommen, auch um wirtschaftliche Beziehungen mit Iran wiederzubeleben. Andererseits wächst die Skepsis gegenüber Teherans tatsächlichen Absichten – insbesondere vor dem Hintergrund neuer TATENA-Berichte und wiederholter Verstöße gegen frühere Abmachungen. Für die Bundesregierung wird es entscheidend sein, sich zwischen sicherheitspolitischer Vorsicht und diplomatischer Öffnung zu positionieren – ohne den europäischen Konsens zu gefährden.
Fazit: Viel Misstrauen, wenig Klarheit – Atomgespräche auf Messers Schneide
Die Aussagen des iranischen Außenministers zeigen: Die Gespräche mit den USA stecken fest – und das Vertrauen ist gering. Ohne klare Zusicherungen über Irans nukleare Ambitionen wird ein neuer Vertrag kaum zustande kommen. Die USA wollen Sicherheitsgarantien, Iran hingegen pocht auf sein Recht auf zivile Nutzung. Zwischen diesen Positionen droht der Verhandlungspfad zu kollabieren – mit weitreichenden Folgen für die Stabilität im Nahen Osten und die Glaubwürdigkeit internationaler Abrüstungsinitiativen.