Wirtschaft

Börsenboom trotz Pleitewirtschaft: Drei Konzerne täuschen die deutsche Stärke vor

Während die deutsche Wirtschaft stagniert und die Industrie schwächelt, feiert die Börse Rekorde. Doch hinter dem Höhenflug stecken nur drei Konzerne – der Rest verliert.
05.06.2025 13:28
Aktualisiert: 05.06.2025 13:48
Lesezeit: 2 min
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Börsenboom trotz Pleitewirtschaft: Drei Konzerne täuschen die deutsche Stärke vor
Die Euphorie an der Börse steht auf einem schmalen Grat. (Foto: dpa | Boris Roessler) Foto: Boris Roessler

DAX-Rekord trotz Konjunkturflaute

Die deutsche Wirtschaft tritt weiter auf der Stelle. Von dieser Schwäche ist an der Börse jedoch nichts zu spüren, so das Wirtschaftsmagazin Dagens Industri: Der Aktienmarkt in Frankfurt hat in den vergangenen Jahren viele internationale Konkurrenten deutlich hinter sich gelassen – und am Mittwoch erneut ein Allzeithoch erreicht.

Auslöser für die jüngste Rally war ein starker Handelsschluss an der Wall Street am Dienstagabend, der den europäischen Börsen Schwung verlieh. Besonders der Frankfurter DAX legte am Mittwochmittag um rund ein Prozent zu und markierte damit einen neuen historischen Höchststand. Damit setzt sich die Entwicklung der letzten zwölf Monate fort: Unter den großen Börsenplätzen der Welt ist Deutschland der klare Spitzenreiter.

Der DAX konnte binnen eines Jahres um satte 21 Prozent zulegen – deutlich mehr als etwa die Indizes in Stockholm oder New York. Bemerkenswert ist dabei die Diskrepanz zwischen Börse und Realwirtschaft: Am selben Tag, an dem das neue Börsenhoch verkündet wurde, legte der Branchenverband VDMA Zahlen vor, die zeigen, wie sehr die deutsche Industrie weiterhin unter Druck steht. So sanken die Maschinenbauaufträge im April im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent.

Diese Schere zwischen realer und finanzieller Wirtschaft ist in Deutschland inzwischen chronisch: Während die Industrie mit anhaltenden Belastungen kämpft, läuft der Aktienmarkt zur Hochform auf. Die deutsche Wirtschaft steckt bereits seit 2023 in einer Rezession, und laut jüngster Prognose der EU-Statistikbehörde wird es auch 2024 kein Wachstum geben.

Industrie verliert an Gewicht – Tech und Rüstung dominieren

Der Grund für diese gegensätzliche Entwicklung liegt in der Zusammensetzung des DAX. Während der Industriesektor, insbesondere die Autobranche, in der Realwirtschaft weiterhin rund 20 Prozent der Bruttowertschöpfung ausmacht, verliert er an der Börse rasant an Einfluss. Vor zehn Jahren hatten deutsche Autokonzerne noch einen Anteil von 16 Prozent am DAX. Heute sind es nur noch 6 Prozent.

Ganz anders verläuft die Entwicklung bei SAP: Der Softwarekonzern war 2015 mit 6 Prozent im Index gewichtet – heute sind es fast 16 Prozent. Damit übersteigt die Marktkapitalisierung von SAP – umgerechnet rund 350 Milliarden Euro – inzwischen das 2,5-Fache der gesamten deutschen Autoindustrie.

Der Aufstieg von SAP ist vor allem dem Erfolg im Cloud-Geschäft zu verdanken. Die Aktie legte seit Jahresbeginn um 57 Prozent zu und ist mittlerweile ein entscheidender Treiber der DAX-Performance.

Siemens Energy und Rheinmetall treiben DAX mit

Neben SAP sorgen zwei weitere Unternehmen für die überdurchschnittliche Entwicklung des Frankfurter Börsenbarometers: Siemens Energy, 2020 von Siemens abgespalten, sowie der Rüstungskonzern Rheinmetall. Beide Aktien verzeichneten im Jahresverlauf Zuwächse von über 240 Prozent. Zusammen machen diese drei Unternehmen zwar nur rund 22 Prozent des DAX aus, trugen aber allein 15 Prozentpunkte zur Gesamtentwicklung des Index im vergangenen Jahr bei – und erklären damit fast vollständig die Outperformance gegenüber der Stockholmer Börse.

Konzentrationsrisiko steigt

Doch genau diese Entwicklung birgt Risiken: Die positive Entwicklung des DAX basiert aktuell auf nur wenigen Einzeltiteln. Zwar laufen SAP, Siemens Energy und Rheinmetall derzeit aufgrund unternehmensspezifischer Faktoren sehr gut – was das Risiko kurzfristiger Einbrüche reduziert –, doch Stimmungsumschwünge unter Investoren könnten diese Konstellation rasch verändern.

Hinzu kommt: Der Bewertungsmaßstab des DAX hat sich dramatisch verschoben. Lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) zu Zeiten der dominanten Automobilbranche noch bei 10 bis 12, liegt es nun bei 18 – so hoch wie zuletzt während der Dotcom-Blase.

Die Euphorie an der Börse steht damit auf einem schmalen Grat. Anleger sollten sich bewusst sein: Die deutsche Wirtschaft steckt weiter in der Krise – der Höhenflug des DAX ist keine breite Hausse, sondern das Resultat einer hochkonzentrierten Spekulation auf wenige Gewinner.

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