Wirtschaft

Krisenmodus in der Industrie: Autohersteller weichen Chinas Regeln aus

Weil China den Export kritischer Magnetstoffe drastisch beschränkt, geraten weltweite Lieferketten ins Wanken. Autohersteller suchen eilig nach Schlupflöchern – und bringen damit das globale Machtgefüge ins Wanken.
14.06.2025 11:03
Lesezeit: 3 min
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Krisenmodus in der Industrie: Autohersteller weichen Chinas Regeln aus
Abbau von Seltenen Erden in einer Mine in Ganxian. (Foto: dpa)

Umgehungsstrategien im Schatten geopolitischer Eskalation

Weltweit suchen Automobilkonzerne fieberhaft nach Wegen, um die neuen Exportkontrollen Chinas für Magnetstoffe zu umgehen. Diese werden in Elektromotoren verbaut und sind für Elektro- wie auch Hybridfahrzeuge unverzichtbar.

Einige Hersteller erwägen nun, Teile der Produktion direkt nach China zu verlagern. So könnten etwa Elektromotoren dort mit den kritischen Magneten bestückt werden – ein rechtlicher Umweg, da die chinesischen Exportbeschränkungen aktuell nur für einzelne Magnetkomponenten, nicht aber für fertig montierte Teile gelten. Andere Überlegungen betreffen die Verschiffung bereits produzierter Motoren in die Volksrepublik, wo die Endmontage der Magneten erfolgt.

Eine paradoxe Entwicklung: Produktionsrückverlagerung nach China

Diese Strategien widersprechen der ursprünglichen Intention des von Donald Trump eingeleiteten Handelskrieges, der die industrielle Rückverlagerung in die USA anstoßen sollte. Doch nun – ausgerechnet durch chinesische Maßnahmen – wird dieser Trend wieder rückgängig gemacht. Ein Automobilmanager bringt es auf den Punkt: „Magneten als Einzelteil darf man nicht exportieren. Wenn er aber in einem Motor verbaut ist, schon.“

Seit April verlangt China spezielle Genehmigungen für den Export von Magneten, die aus Dysprosium und Terbium bestehen – zwei seltenen Erden, die für Hochleistungsmagnete unverzichtbar sind. China kontrolliert rund 90 Prozent des globalen Angebots dieser Stoffe, die auch in Smartphones, Windrädern und F-35-Kampfjets verwendet werden.

Die Industrie ringt um Alternativen – vergeblich

Besonders Elektroautos sind auf diese Magneten angewiesen, da sie für den Betrieb bei hohen Temperaturen und Geschwindigkeiten essenziell sind. Die Automobilkonzerne in den USA, Europa, Japan und Indien fürchten, dass sie ihre Werke bald nicht mehr betreiben können.

Branchenverbände wie die Alliance for Automotive Innovation und die US-amerikanische MEMA warnten bereits in einem gemeinsamen Schreiben: Selbst, wenn alternative Lieferketten etabliert würden, dauere das zu lange, um den akuten Bedarf zu decken. Der Transport halbfertiger Motoren um die halbe Welt, nur um ein magnetisches Bauteil einzufügen, sei zwar teuer und ineffizient – aber derzeit die einzige Lösung, um Produktionsstillstände zu verhindern.

Globale Auswirkungen: Auch Europa unter Druck

Nicht nur die USA sind betroffen. Auch europäische Autohersteller geraten unter Druck. BMW teilte mit, dass die Magneten-Knappheit Teile der Lieferkette beeinträchtigt habe – die Werke liefen jedoch bislang weiter, so das litauische Portal Verslo Zinios. Doch laut CLEPA, dem europäischen Verband der Automobilzulieferer, wurden bereits einzelne Fertigungslinien gestoppt.

Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der deutschen Automobilindustrie, warnte, dass „eine Fortsetzung der Lage zur Produktionsverzögerung oder gar zu Werksschließungen führen könnte“. Besonders betroffen seien Hersteller von E- und Hybridfahrzeugen – doch Magneten seien mittlerweile in fast allen modernen Autos verbaut.

Einige Genehmigungen – aber viel zu wenig

Obwohl China seit Mitte April erste Exportlizenzen an europäische und jüngst auch an US-Firmen vergab, reicht das bei weitem nicht aus, um den globalen Bedarf zu decken. Jens Eskelund, Präsident der EU-Handelskammer in China, bestätigt: „Einige Genehmigungen wurden erteilt, aber sie reichen nicht, um eine Produktionsunterbrechung abzuwenden.“

Verschärfend kommt hinzu, dass mehrere chinesische Magnetenhersteller ihre Produktion gestoppt haben – offenbar in Erwartung von Exportlizenzen. Die Verzögerung der Magnetenfertigung setzt sich durch die Lieferketten fort und droht nun, die Produktionsbänder weltweit zum Stillstand zu bringen.

Michael Dunne, Berater für die Automobilindustrie mit Schwerpunkt China, warnt: „China könnte die komplette Autoproduktion in den USA lahmlegen.“

Der Westen hinkt hinterher – strategisch und industriell

In den USA existiert bislang keine nennenswerte Produktion entsprechender Magneten. Zwar sollen in South Carolina und Texas kleinere Fabriken starten, doch bis diese betriebsbereit sind, vergeht Zeit. Seit dem befristeten Exportstopp nach Japan 2010 versuchen US-Regierungen, die Abhängigkeit zu reduzieren – bislang mit wenig Erfolg.

Der Grund: Die Herstellung dieser Hochleistungsmagneten ist extrem kapitalintensiv, erfordert Know-how und ist wirtschaftlich wenig attraktiv. Der weltweite Marktwert für seltene Erden liegt bei rund fünf Milliarden US-Dollar – im Vergleich zu 300 Milliarden im Kupfer- oder Eisenerzsektor ein Nischenmarkt. Und genau hier liegt das strategische Dilemma: Geringe Profite, aber maximale Abhängigkeit.

Die Magneten-Krise offenbart die neue Realität der Abhängigkeit

Die Exportbeschränkungen Chinas für kritische Rohstoffe treffen den Westen dort, wo es wehtut – bei der Transformation zur E-Mobilität. In ihrer Verzweiflung greifen selbst große Autokonzerne zu teuren Umgehungsstrategien. Das zeigt, wie fragil das Gerüst globalisierter Industrien geworden ist.

Die Produktion strategischer Komponenten wie Magneten gehört längst in den sicherheitspolitischen Kompetenzbereich – doch der Aufbau eigener Kapazitäten wurde jahrelang verschlafen. Jetzt diktieren andere das Tempo. Und nicht zuletzt offenbart sich eine brutale Wahrheit: Wer die Rohstoffe kontrolliert, kontrolliert die Weltwirtschaft.

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