Wirtschaft

Analyse: Chinesische Exportbeschränkungen für seltene Erden setzen westliche Industrie unter Druck

Ein bislang wenig beachteter Aspekt im Handelskonflikt zwischen China und den USA sind die seit April geltenden chinesischen Ausfuhrbeschränkungen für bestimmte seltene Erden. Diese Rohstoffe sind in westlichen Industrien zunehmend schwer verfügbar.
09.06.2025 11:00
Lesezeit: 3 min
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Analyse: Chinesische Exportbeschränkungen für seltene Erden setzen westliche Industrie unter Druck
Chinas Exportbeschränkungen für seltene Erden führen zu Engpässen in der Auto- und Rüstungsindustrie. (Foto: dpa/Heraeus | Steffen Runke) Foto: Steffen Runke

China bremst Export seltener Erden: Folgen für Industrie

Die neuen Exportauflagen betreffen unter anderem sieben schwer zu ersetzende Metalle, die vor allem in der Automobilindustrie und im Hightech-Sektor verwendet werden. Branchenvertreter in den USA, Deutschland, Japan und Indien berichten über wachsende Engpässe und appellieren an ihre Regierungen, diplomatische Lösungen mit Peking zu finden. Die Maßnahmen Chinas gelten als Reaktion auf frühere handelspolitische Schritte der US-Regierung. Das berichtet das dänische Nachrichtenportal Børsen.

Denn immer mehr Unternehmen fehlt es akut an einer bestimmten Gruppe seltener Erdmetalle, deren Export China im April fast vollständig untersagte – ein gezielter Gegenschlag gegen Donald Trumps Zollkrieg, der lange Zeit im weltweiten geopolitischen Diskurs kaum Beachtung fand, da Trumps lautstarke Rhetorik die Substanz der Eskalation überdeckte.

Während Washington lautstark auf Konfrontation setzte, hielt sich Peking an das außenpolitische Diktum des ehemaligen US-Präsidenten Theodore Roosevelt: „Sprich leise und trage einen großen Knüppel.“

Chinas Reaktion blieb wortkarg – doch der Knüppel, den Peking nun schwingt, bringt ganze Industriesektoren ins Stocken. Trumps Verhalten hingegen folgt laut Kommentatoren eher dem neuen Spott-Akronym TACO – Trump Always Chicken Out: lautstarkes Säbelrasseln ohne anschließendes Handeln.

Pekings Monopol als geopolitisches Druckmittel

Da China nahezu ein Monopol auf die Förderung und Verarbeitung dieser für moderne Industrien unverzichtbaren Metalle hält, zeigen die Exportrestriktionen nun Wirkung.

Der Export von sieben spezifischen seltenen Erden unterliegt seit April einer Lizenzpflicht. Die Erteilung dieser Lizenzen kann Peking je nach geopolitischer Wetterlage beschleunigen oder verzögern.

Aktuell herrscht politischer Frost. In den USA, Deutschland, Japan und Indien richten sich Industrieverbände mit dringenden Appellen an ihre Regierungen – in der Hoffnung auf diplomatische Lösungen mit Peking. Doch angesichts der konfrontativen US-Handelspolitik unter Trump sind rasche Zugeständnisse Chinas kaum zu erwarten.

Automobilindustrie schlägt Alarm

Besonders laut ertönt der Alarmruf aus der globalen Automobilbranche. Ohne eine rasche Wiederaufnahme chinesischer Lieferungen, so warnen Hersteller wie Volkswagen, General Motors und Hyundai gemeinsam mit dem US-Zuliefererverband MEMA, sei man nicht mehr in der Lage, zentrale Fahrzeugkomponenten herzustellen. Dazu zählen unter anderem Automatikgetriebe, Generatoren, Elektromotoren, Sensoren, Lenksysteme, Lautsprecher und Kameras.

Laut Reuters warnt das Branchenbündnis: Ohne Nachschub müsse die Produktion gedrosselt oder im Extremfall ganze Fertigungslinien stillgelegt werden.

Ähnliche Warnungen kommen aus Deutschland. Japan entsendet in Kürze eine Delegation von Wirtschaftsvertretern nach Peking, um beim Handelsministerium auf eine Lockerung der Restriktionen zu drängen. Auch EU-Diplomaten versuchen in Peking durch eilige Treffen mit chinesischen Beamten Freigaben der dringend benötigten Mineralien zu erreichen.

Aus Indien – inzwischen bedeutender Standort für die E-Auto-Produktion – reist eine Delegation führender Manager ebenfalls nach Peking.

Gefahr für die US-Rüstungsindustrie

Im größeren geopolitischen Rahmen bedroht Chinas Exportverbot auch die US-Produktion von Kampfflugzeugen und Hightech-Rüstungsgütern. Betroffen sind auch Länder wie Dänemark, die beispielsweise F-35-Kampfjets beziehen – Maschinen, in denen etwa 450 Kilogramm seltener Erden verbaut sind.

Die sicherheitspolitischen Auswirkungen analysieren Gracelin Baskaran und Meredith Schwartz vom Center for Strategic and International Studies (CSIS). In ihrer Studie schreiben sie: „Seltene Erden sind essenziell für Verteidigungstechnologien wie F-35-Kampfjets, Atom-U-Boote der Virginia- und Columbia-Klasse, Tomahawk-Marschflugkörper, Radarsysteme, Drohnen vom Typ Predator und präzisionsgelenkte Bomben.“

USA in strategischer Rücklage

Laut CSIS-Analyse ist die USA besonders anfällig in diesen Lieferketten. Baskaran und Schwartz weisen darauf hin, dass China 2023 für 99 Prozent der globalen Verarbeitung schwerer seltener Erden verantwortlich war – ein faktisches Monopol.

Während China seine Industrie auf einen Ernstfall vorbereitet, operieren die USA weiterhin im Modus friedlicher Normalität, kritisieren die Analysten. Bereits vor Inkrafttreten der chinesischen Exportrestriktionen im April habe Washington Schwierigkeiten gehabt, seine Waffenproduktion auszuweiten.

Die Schlussfolgerung der CSIS-Studie ist klar: Weitere chinesische Exportverbote würden die strategische Kluft vergrößern und es Peking ermöglichen, seine militärischen Fähigkeiten schneller auszubauen als die USA.

Gesprächsbereitschaft – mit Misstönen

Ob eine Lösung absehbar ist, bleibt offen. Die knappen Metalle sind mittlerweile zu einem zentralen Streitpunkt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt geworden.

Sprecher des Weißen Hauses teilten mit, dass ein Gespräch zwischen Präsident Xi und Trump „wahrscheinlich“ noch in dieser Woche stattfinden werde. Doch die diplomatische Atmosphäre bleibt angespannt: Um 2:15 Uhr nachts US-Zeit veröffentlichte Trump auf Truth Social eine kryptische Botschaft: „Ich mag Xi. Das tat ich immer und werde es immer tun. Aber er ist SEHR HART UND EXTREM SCHWER ZU EINER VEREINBARUNG ZU BEWEGEN.“

Auslöser für diesen nächtlichen Ausbruch dürften unterschiedliche Auffassungen über ein Genfer Friedensgespräch im Mai gewesen sein. Washington war davon ausgegangen, dass China als Geste der Entspannung seine Exportrestriktionen aufhebt – im Gegenzug dafür, dass die USA auf eine Strafzoll-Erhöhung von 145 Prozent zunächst verzichten.

Doch Peking hatte andere Vorstellungen. Trump will mit Xi nun offenbar Klartext reden – denn Chinas „großer Knüppel“ beginnt spürbare Schmerzen zu verursachen – in der US-Produktion ebenso wie in der nationalen Sicherheit.

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