Wirtschaft

500 Milliarden Euro für die deutsche Infrastruktur: Eine Chance für europäische Bauunternehmen?

Deutschland plant das größte Infrastrukturprogramm seiner Geschichte. Doch es fehlen Bauarbeiter. Können andere europäische Firmen und Fachkräfte, z.B. aus Slowenien, davon profitieren? Details stehen noch aus – man kann aber spekulieren.
09.07.2025 05:58
Lesezeit: 6 min
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Deutschlands Infrastrukturplan öffnet Tür und Tor

Deutschland hat eine historische Investition in die Infrastruktur angekündigt: In den nächsten zehn Jahren sollen 500 Milliarden Euro investiert werden. Klingt vielversprechend. Weniger schön ist, dass das Vorhaben – ceteris paribus – nur schwer umsetzbar ist. Denn Geld allein reicht nicht. Deutschland fehlt es nämlich an Bauarbeitern, es mangelt an Zehntausenden Ingenieuren und IT-Fachkräften, es gibt zahllose bürokratische Hürden und erhebliche Zweifel daran, ob das Geld tatsächlich zweckmäßig verwendet wird. Gebaut wird auf jeden Fall – die Frage ist nur: von wem? Werden Bauunternehmen aus der EU beauftragt, obwohl sie mit ähnlichen Problemen wie die deutschen zu kämpfen haben?

Wird man Bauarbeiter aus Drittstaaten anwerben? Wird man mit höheren Löhnen locken, sodass z.B. slowenische Bauarbeiter nach Deutschland gehen? Was würde das für die zweite Gleisverbindung, den dritten Entwicklungskorridor und zahlreiche kleinere Projekte bedeuten? Wie werden sich slowenische Bauunternehmen auf die zu erwartende deutsche Nachfrage nach Dienstleistern einstellen, und was könnte das für Bauvorhaben in Slowenien bedeuten? Unsere slowenischen Kollegen von Casnik Finance haben bei der Wirtschaftskammer Slowenien (GZS), der Handwerks- und Unternehmerkammer (OZS) sowie der Deutsch-Slowenischen Industrie- und Handelskammer (AHK) nachgefragt. Die Antworten sind aufschlussreich. Am interessantesten: Vielleicht werden Arbeitsvermittlungsagenturen zu den größten Gewinnern zählen.

Große slowenische Bauunternehmen bleiben wohl zu Hause

Angesichts der aktuellen Kapazitäten und der Auslastung durch Bauprojekte im Inland sowie im ehemaligen Jugoslawien, werden große slowenische Bauunternehmen voraussichtlich nicht am deutschen Bauboom teilnehmen, meint Gregor Ficko, Direktor der Kammer für Bauwesen und Baustoffindustrie (ZGIGM) bei der GZS. Er hält es zwar für möglich, dass sie sich um spezialisierte Einzelprojekte wie Kläranlagen oder besondere Hochbauten bewerben – solche Fälle seien jedoch sehr selten. Was eine breitere Teilnahme an Projekten der kritischen Infrastruktur betrifft – Straßen, Bahnen, Energie, Kommunalwesen, Telekommunikation –, sieht Ficko kaum Chancen. Jedenfalls keine großen.

Man müsse außerdem wissen, dass Deutschland für ausländische Baufirmen derzeit ein extrem abgeschotteter Markt sei, so Ficko. Vorschriften wie auch traditionelle Praktiken erschweren den eigenständigen Markteintritt ausländischer Firmen erheblich – außer für jene, die schon lange in Deutschland tätig sind, wie etwa die österreichische Strabag. Daraus lässt sich schließen, dass slowenische Firmen – obwohl sie durchaus die Referenzen für Großprojekte vorweisen können – wohl nur als Subunternehmer tätig sein werden. Auch das hänge aber von den konkreten Bedingungen ab, die ein deutscher Auftraggeber in der Ausschreibung stellt.

Der slowenische Arbeitsmarkt ist angespannt

Die slowenische Bauwirtschaft ist grundsätzlich noch in der Lage, inländische Projekte umzusetzen, sagt Ficko. Die Firmen vernetzen sich bei Bedarf personell und helfen sich gegenseitig – doch die Lage sei nicht ideal. Fiele eines der großen Bauunternehmen aus, würde die Situation deutlich schwieriger. Die Verantwortung für den Arbeitskräftemangel trage zu großen Teilen der Staat – aufgrund seiner Vernachlässigung der Baubranche und der inkonsistenten staatlichen Investitionspolitik, was die Ressourcenplanung erheblich erschwere.

Mehr als die deutsche Nachfrage beunruhigt Ficko die aktuelle Haltung der Regierung, wie sie der Premierminister zuletzt deutlich gemacht habe: Man setze nur auf Arbeitskräfte mit überdurchschnittlicher Wertschöpfung. Das bedeute, dass man Fahrer, Maurer, Köche, Schornsteinfeger und ähnliche nicht mehr brauche, und dass alle nur noch „Hightech-Business“ machen sollen. „Mich interessiert, wer dann noch Lkw fährt, Häuser baut, Schnitzel brät oder Kamine reinigt“, fragt Ficko.

Ein Nachfrageanstieg in Deutschland könne natürlich zu höheren Preisen im Bauwesen führen, insbesondere im Wohnungsbau. Doch es gibt viele weitere Einflussfaktoren: Inflation, Lohnkosten, Materialpreise, Energiepreise. Auch der Ausbildungsgrad und die Ausrüstung der Unternehmen spielen eine Rolle. All das unterscheidet sich von Land zu Land – aber laut Jahresberichten europäischer Bauverbände kämpfen die meisten EU-Länder mit ähnlichen Problemen wie Deutschland. Fast überall fehlen Arbeitskräfte und die Digitalisierung ist schwach. Das kann Projekte verlangsamen.

Arbeiter bleiben – Agenturen profitieren

In Slowenien gibt es derzeit genügend Aufträge für kleinere Bauhandwerker, wie die Bau-Sektion der OZS mitteilt. Auch sie leiden unter Fachkräftemangel, sodass es kaum zu einer Abwanderung nach Deutschland kommen dürfte. Für kleine Unternehmen bedeutet ein Markteintritt im Ausland ohnehin großen Aufwand: Jedes Land hat eigene Vorschriften und Gesetze, was Übersetzungen, Logistik, Genehmigungen usw. erforderlich macht.

Die meisten kleinen Unternehmen, die in Deutschland arbeiten wollen, werden sicher nur als Subunternehmer agieren – wegen der Anforderungen an Referenzen, Bankbürgschaften usw. Die besten Chancen dürften hingegen Arbeitsvermittlungsagenturen haben. Letztlich hängt alles auch von den Arbeitsbedingungen in Slowenien ab – Ausschreibungen, Steuerpolitik. Es liege an der slowenischen Regierung, mit einem klaren Investitionsprogramm die heimischen Firmen zu halten.

Deutschland kämpft mit Unsicherheiten

Klar ist bislang nur, wohin die Mittel fließen sollen: Katastrophenschutz, Verkehr, Krankenhäuser, Energie, Bildung und Forschung, Digitalisierung. 200 Milliarden Euro sind bereits verplant – zur Hälfte für die Bundesländer, zur Hälfte für den Klima- und Transformationsfonds. Doch es bestehen Zweifel, ob das Geld wirklich für neue Investitionen vorgesehen ist – oder nur für alte Verpflichtungen. Die Definition „zusätzlicher“ Investitionen lässt verschiedene Auslegungen zu, wie auch die Bundesbank kritisiert.

Zudem ist fraglich, ob die Wirtschaft die Gelder überhaupt absorbieren kann – viele Sektoren, etwa das Bauwesen, sind bereits überlastet. Das könnte zu Preissteigerungen ohne nennenswerte Bauleistungen führen. Auch Effizienz und Transparenz werden bezweifelt – trotz Regierungsversprechen auf Kontrolle und zweckgebundene Verwendung. Erst mit der Umsetzungsgesetzgebung, die Ende Juni verabschiedet werden soll, wird Klarheit erwartet.

Nur der Rahmen steht: Die Ausführungsbestimmungen kommen vor dem Sommer

Ob hier Überraschungen zu erwarten sind, haben wir bei der Deutsch-Slowenischen Industrie- und Handelskammer (AHK) erfragt. Die Verabschiedung des Ausführungsgesetzes sei sehr wahrscheinlich, heißt es – denn es handelt sich um einen Teil der strategischen Ziele der deutschen Regierung zur Modernisierung der Infrastruktur und zur Lösung des Fachkräftemangels.

Konkret bedeutet dies Investitionen in die Sanierung und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur, einschließlich Elektrifizierung und digitale Systeme, in den Bau und die Instandhaltung von Straßen und Brücken mit Fokus auf Nachhaltigkeit, in den Ausbau der Strom- und Gasnetze, in die Förderung von Wasserstofftechnologien sowie in die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Ebenso wird die digitale Infrastruktur modernisiert, mit dem Ausbau von Breitband-Internet und der Digitalisierung von Verwaltungsverfahren.

Ausländische Fachkräfte sind willkommen

Auf die Frage, wie der Fachkräftemangel bei der Umsetzung der Mega-Investition ausgeglichen werden soll, antwortet die AHK, dass bereits mehrere Maßnahmen greifen: Es wird nach jungen Talenten gesucht, die berufliche Bildung und Umschulung gefördert sowie lebenslanges Lernen gestärkt. Es wird in die Kinderbetreuung investiert, um insbesondere Müttern die Rückkehr ins Berufsleben zu erleichtern und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Auch die Beschäftigung von Rentnern wird gefördert, z. B. durch steuerfreies Zusatzeinkommen bis 2.000 Euro. Wo möglich, wird automatisiert und robotisiert – auch mit Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Optimierung von Planung und Bau. Zudem wirbt Deutschland aktiv um ausländische Fachkräfte – der neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz macht dies möglich.

Seit Juni 2024 hat Deutschland das Verfahren zur Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte vereinfacht – mit weniger Bürokratie und beschleunigten Visa-Verfahren. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes ist die Zahl der erteilten Erwerbsvisa um mehr als zehn Prozent gestiegen. Es wurde auch die sogenannte „Chancenkarte“ eingeführt, die es Fachkräften aus Drittstaaten erlaubt, über ein Punktesystem einen Job zu suchen – Punkte werden für Qualifikationen, Erfahrung und Verbindungen zu Deutschland vergeben. Anerkennungsverfahren für ausländische Abschlüsse wurden vereinfacht, ebenso die Gehaltsschwelle für die Blaue Karte gesenkt, mit der Aufenthaltsgenehmigungen für bis zu vier Jahre möglich sind.

Auch ausländische Unternehmen können leichter am deutschen Markt tätig werden

In deutschen Medien war zu lesen, dass deutsche Unternehmen lieber auf Projekte verzichten, als sich auf den mühsamen Prozess der Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte einzulassen. Bei der AHK heißt es jedoch, dass der Zugang für Arbeitskräfte aus Drittstaaten durch verschiedene Programme erleichtert wurde. Dazu zählen auch kurzfristige Kontingentbeschäftigung, Anerkennungspartnerschaften und Sonderregelungen für Bürger des westlichen Balkans.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz erleichtert – wie erwähnt – die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte durch Abbau administrativer Hürden. Wichtige Maßnahmen sind zentralisierte und digitale Informationsplattformen mit einheitlichen Kontaktstellen, beschleunigte Visaverfahren mit Vorabzustimmung durch den Arbeitgeber sowie Beratungs- und Unterstützungsangebote der Bundesagentur für Arbeit.

Auch Unternehmen aus Drittstaaten sind willkommen

Da der deutsche Markt für ausländische Bauunternehmen in der Regel sehr schwer zugänglich ist, haben wir nachgefragt, ob dies beim Infrastrukturpaket anders sein wird. Obwohl die konkreten Regeln noch nicht feststehen, heißt es bei der AHK, dass Unternehmen aus Drittstaaten grundsätzlich teilnehmen können – ebenso wie Unternehmen aus EU-Mitgliedstaaten.

Deutschland fördert internationale Zusammenarbeit, insbesondere bei großen Infrastrukturprojekten. Öffentliche Ausschreibungen sind in der Regel auch für ausländische Unternehmen offen, sofern diese die deutschen und europäischen Standards für Bauverfahren, Sicherheit und Arbeitsrecht einhalten. Slowenische Bauunternehmen sind wegen ihrer Erfahrung und Wettbewerbsfähigkeit geschätzt – insbesondere im Straßen-, Bahn- und Hochbau. Sie arbeiten regelmäßig mit deutschen Auftraggebern zusammen, wobei Subunternehmer eine wichtige Rolle für kleinere Spezialarbeiten spielen. Die AHK unterstützt bei der Beschaffung von Dokumentation und Arbeitserlaubnissen in Deutschland.

Effizientere Umsetzung durch Digitalisierung

Die Digitalisierung ist entscheidend für mehr Effizienz und Transparenz im Bauwesen, weil sie Planungsfehler reduziert und Prozesse optimiert – betont die AHK. Seit 2019 fördert die deutsche Regierung aktiv den Einsatz der BIM-Technologie („Building Information Modeling“) mit finanziellen Zuschüssen. Diese wird in Ausschreibungen für öffentliche Projekte einbezogen, und der Datenaustausch zwischen allen Projektbeteiligten läuft über das bundesweite BIM-Portal. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Fördermittel für digitale Technologien, Software und Mitarbeiterschulungen. Auch die Entwicklung smarter Städte wird durch branchenübergreifende Raumstrategien unterstützt.

Weniger Bürokratie und schnellere Baugenehmigungen

Die AHK weist auch darauf hin, dass seit November 2023 der sogenannte „Bau-Turbo-Pakt“ gilt. Das Baugesetz wurde vorübergehend so angepasst, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Die Bürokratie wurde abgebaut, die Behörden für Baugenehmigungen entlastet. Hauptmaßnahmen sind: Digitalisierung der Verwaltung, elektronische Antragstellung und Kommunikation, Vereinfachung von Gesetzen und Prozessen sowie Zentralisierung der Zuständigkeiten – ein Bauantrag genügt auch für weitere notwendige Zustimmungen. Für kleinere Projekte mit geringer Umweltbelastung gelten beschleunigte Verfahren, zudem gibt es gesetzliche Fristen: Raumordnungsverfahren müssen binnen eines Jahres abgeschlossen werden.

Chancen für gut vernetzte Anbieter

Ob sich das für slowenische Firmen lohnt, hängt von den Spielregeln ab. Die Chancen liegen weniger bei Generalunternehmern als bei Subunternehmern, spezialisierten Dienstleistern und Leiharbeitsfirmen. Deutschland selbst setzt auf Vereinfachung von Verfahren, Digitalisierung, Arbeitskräftegewinnung aus Drittstaaten und europäische Partnerschaften. Gerade Letzteres eröffnet slowenischen Firmen realistische Optionen, vor allem im Bereich Bauausführung und Spezialgewerke – wenn sie frühzeitig in Ausschreibungsprozesse eingebunden werden. Aber wahrscheinlich wird es statt sinnloser Spekulationen besser sein, auf die nächsten Schritte zu warten, um genau zu wissen, wer in Deutschland bauen wird.

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