Serielles Bauen gegen Wohnungsnot: Immer mehr Fertigteile im Neubau
Schneller bauen, günstiger wohnen – die Bundesregierung setzt auf den Wohnungsbau mit Fertigmodulen. Erste Projekte laufen bereits, doch der große Boom bleibt bislang aus.
Auf einer weiten Wiese mit sandigem Boden und einem Kiefernwäldchen in der Nähe steht ein Kasten, der dabei helfen soll, die Wohnungsnot in Deutschland zu lindern. Fünf Etagen, vorgesetzte Balkone, die Fassade aus Holz. An den Briefkästen des Musterhauses prangen noch die Namen von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und der früheren Bauministerin Klara Geywitz (SPD), die vor drei Jahren mal hier waren. Schon die alte Ampel-Regierung setzte auf große Wohnungsprojekte in Fertigbauweise. Und auch die neue Regierung hat das sogenannte serielle Bauen im Koalitionsvertrag verankert.
"Das serielle Bauen hat sich in Deutschland zu einem strategisch wichtigen Instrument entwickelt, um den Wohnungsbau zu beschleunigen und effizienter zu gestalten", sagt eine Sprecherin des Bauministeriums. In Deutschland werden laut einer Prognose im Auftrag des Ministeriums bis 2030 jedes Jahr rund 320.000 neue Wohnungen benötigt. Die Ampel-Regierung hatte sich vorgenommen, jährlich 400.000 Wohnungen bauen zu lassen, dieses Ziel aber verfehlt. Nach Angaben des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) wurden 294.400 Wohnungen im Jahr 2023 fertiggestellt. Auch das liegt noch ein Stück weit hinter den Zielen der Prognose.
Häuser im Baukastenprinzip: Erste Projekte sind angelaufen
Helfen könnten seriell gebaute Wohnkomplexe, wie sie in der Fabrik von Nokera in Sachsen-Anhalt entstehen. An der einen Seite der rund 700 Meter langen Fabrikhalle lagert das Holz und wird vollautomatisiert über Bandanlagen transportiert. Zehn Minuten später kommt am anderen Ende eine fertige Häuserwand heraus. Von den Abläufen her werde im Grunde fast überall immer noch gebaut wie vor einhundert Jahren, sagt der Geschäftsführer der Nokera AG, Jan Hedding. Das Unternehmen setzt dagegen auf Automatisierung wie in der Autoindustrie. Es handele sich dabei keineswegs um Plattenbauten. "Wir produzieren hier den Golf unter den Häusern."
Dabei geht es nicht um einzelne Wohnungen oder Einfamilienhäuser, sondern um Wohnungen und Häuser im großen Stil. In Mannheim (Baden-Württemberg) ließ eine Wohnungsgesellschaft gleich mehrere Wohnblöcke in einem neuen Stadtteil errichten: mehr als 360 Wohnungen.
Anteil des seriellen Bauens wächst auf 11,5 Prozent
Mehr als jede zehnte neu gebaute Wohnung wurde im vergangenen Jahr mit Fertigbauteilen erstellt. Der Fertigbau konnte auch in Zeiten schwacher Baukonjunktur Marktanteile gewinnen, teilte das Bundesbauministerium mit. Die Zahl der in Fertigteilbauweise errichteten Wohnungen sei innerhalb von zehn Jahren von unter 20.000 auf rund 28.400 Wohnungen im vergangenen Jahr gestiegen. Damit erhöhte sich auch der Anteil am Wohnungsneubau von 2014 zu 2024 von acht auf 11,5 Prozent. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW geht davon aus, dass künftig 20 bis 25 Prozent des Wohnungsbaus über serielles Bauen realisiert werden könnten.
"Die serielle und modulare Bauweise hat sich etabliert", sagt GdW-Hauptgeschäftsführerin Ingeborg Esser. "Natürlich wünschen wir uns eine noch größere Marktdurchdringung." Ein zentraler Hemmschuh bleibt jedoch die Verfügbarkeit von bebaubaren Grundstücken sowie Probleme beim Vergaberecht. Ausschreibungen gerade für öffentliche Auftraggeber dauerten teils viel zu lange und zögen sich mitunter über Jahre, heißt es in der Branche.
Probleme der Baubranche bleiben bestehen
Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund sieht im seriellen Bauen gute Möglichkeiten für die schnelle Errichtung von Neubauten, Aufstockungen, Verdichtungen und energieeffizienten Sanierungen. "Es kann daher einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Wohnungsknappheit leisten", sagt Verbandssprecher Alexander Handschuh.
Neben dem Bau gewinnt nach Angaben des Bundesministeriums auch die serielle Sanierung immer mehr an Dynamik. Innerhalb von zwei Jahren stieg der Anteil von zwei Prozent im Jahr 2022 auf mehr als 23 Prozent im vergangenen Jahr. Zentrales Prinzip ist hier der Einsatz vorgefertigter Fassaden- und Dachelemente. Doch die Probleme in der Baubranche bleiben bestehen und reichen tiefer: steigende Baukosten, Finanzierungsprobleme von Projekten, Bürokratie und Fachkräftemangel.