Rekordniveau bei Post-Beschwerden: So groß ist der Ärger über die Zustellung
Die Zahl der Post-Beschwerden ist auf einen neuen Rekordstand geklettert. Nach Angaben der Bundesnetzagentur gingen im ersten Halbjahr 22.981 Beschwerden über die Post und andere Anbieter ein – das sind 13 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Damals war der bisherige Höchstwert innerhalb eines Halbjahres erreicht worden. 89 Prozent aller Klagen betreffen die Deutsche Post/DHL als Marktführer.
In früheren Jahren waren Post-Beschwerden deutlich seltener. Sollte sich der aktuelle Trend fortsetzen, könnte der bisherige Jahresrekord von 44.406 Fällen aus dem Jahr 2024 noch übertroffen werden.
Warten auf wichtige Sendungen – oft tagelang
Viele Bürgerinnen und Bürger berichten von verspäteten, beschädigten oder falsch zugestellten Briefen und Paketen. Ein Beispiel ist der Fall einer Seniorin aus Berlin, die sich zum Urlaub auf einer Nordsee-Insel befand. Ihr in Berlin vergessenes Handy ließ eine Bekannte per Einschreiben nachsenden. Normalerweise, so die Post, sei ein Einschreiben "in der Regel am nächsten Werktag" beim Empfänger. Doch das Schreiben erreichte die Frau laut ihrer Aussage erst nach sechs Werktagen. Über die Sendungsverfolgung konnte sie erkennen, dass das Einschreiben zwar schnell auf die Insel gelangte, dort aber mehrere Tage unbearbeitet blieb.
Als der Zusteller schließlich kam, fand er die Adresse nicht und wollte schon wieder wegfahren. Die Seniorin bemerkte ihn zum Glück zufällig. Der Zusteller sei offenbar ortsunkundig gewesen, obwohl die Adresse eindeutig sei und frühere Zusteller nie Probleme gehabt hätten. Die 82-Jährige kritisiert: Vor Ort gebe es weniger Zusteller als früher – ein Grund für viele Post-Beschwerden. Obwohl es sich bei solchen Fällen um Einzelerlebnisse handelt, ergibt die Summe ein deutliches Bild. Die Beschwerden über die Post hielten sich früher auf niedrigem Niveau. Erst seit Sommer 2022 steigen die Post-Beschwerden rasant. Anfangs wies das Unternehmen den Vorwurf zurück, räumte später aber Probleme ein – insbesondere wegen Personalmangels.
Was die Post zu den Post-Beschwerden sagt
Ein Sprecher der Deutschen Post erklärte, jede einzelne Beschwerde sei eine zu viel. Man arbeite kontinuierlich daran, die Qualität zu verbessern. Bei Milliarden zugestellter Sendungen sei der Anteil jedoch gering. Laut Unternehmensangaben wurden im vergangenen Jahr 12,2 Milliarden Briefe und 1,8 Milliarden Pakete in Deutschland zugestellt. Der Sprecher räumte ein, dass es im ersten Halbjahr zu betrieblichen Einschränkungen kam – etwa durch Warnstreiks oder die Hitzewelle im Juni. Das habe an einzelnen Standorten zu Verzögerungen geführt.
Außerdem verwies die Post auf das neue Postgesetz: Seit dessen Inkrafttreten zu Jahresbeginn gilt ein verlängerter Zeitrahmen für Brieflaufzeiten. Früher mussten Briefe meist nach ein bis zwei Tagen ankommen, heute reicht der dritte Werktag. Dies senkt Kosten, verlängert aber die Zustellzeiten – ein Faktor, der mehr Post-Beschwerden zur Folge hat. Auch neue Zustelllogiken führen zu Verunsicherung: Briefe für aufeinanderfolgende Tage werden gebündelt. Das spart Wege – doch führt dazu, dass Briefkästen häufiger leer bleiben.
Reaktionen aus Politik und von der Bundesnetzagentur
Die Bundesnetzagentur meldet nicht nur mehr Beschwerden über die Post, sondern auch zunehmenden Druck aus der Politik. Etwa 420.000 Menschen wandten sich im letzten Jahr direkt an die Deutsche Post mit Kritik.
SPD-Bundestagsabgeordneter Sebastian Roloff betont, die Lage sei ernst. Die neuen Regeln müssten sich noch einspielen, aber eigentlich sollte die Reform zu mehr Verlässlichkeit führen – auch bei der Personalplanung der Post. Die Entwicklung der Post-Beschwerden spreche derzeit jedoch eine andere Sprache.
Post-Beschwerden: Auch immer mehr Unternehmen betroffen
Für Geschäftsführer und Entscheider ist besonders relevant, dass die Post-Beschwerden auch im Geschäftskundenbereich steigen: Laut Bundesnetzagentur erreichte die Schlichtungsstelle Post 2024 insgesamt 4.115 Anträge – ein Zuwachs von 15 Prozent gegenüber 2023. Davon bezogen sich über 77 Prozent auf Probleme bei der Paketzustellung – also Lieferausfälle und Transportschäden, die gerade für Handels- und E‑Commerce-Unternehmen kritisch sind.
Für Firmeninhaber bedeutet das: Reklamationen reichen nicht nur über das Formular „Beschwerden über die Post“ bei der Bundesnetzagentur ein, sondern zeigen operative Schwächen in der gesamten Lieferkette. Die neue Offenlegungspflicht gemäß Postgesetz (seit Juli 2024) sorgt zudem für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit beim Handling von Beschwerden über die Post. Unternehmen können diese Daten nutzen, um Partner- und Risikoevaluierungen zu untermauern – und so Qualität in der Logistik aktiv einzufordern. Insgesamt entwickeln sich Beschwerden über die Post zum strategischen Indikator für Geschäftsprozesse.


