Michael Hartnett warnt vor Blasenbildung
Michael Hartnett, Chefstratege der Bank of America und an der Wall Street besonders beachtet, sieht eine wachsende Gefahr von Spekulationsblasen an den US-Börsen. Die geldpolitische Lockerung und eine laschere Regulierung im Finanzsektor weltweit würden diese Entwicklung zusätzlich befeuern. Wie Hartnett erläutert, haben die Notenbanken in den USA, Europa und China die Zinsen zuletzt gesenkt. Die globale Durchschnittszinsrate sei dadurch binnen eines Jahres von 4,8 auf 4,4 Prozent gefallen – laut Bankprognose könnte sie in den nächsten zwölf Monaten auf 3,9 Prozent sinken. Ein weiterer Risikofaktor für die US-Börsen sei der politische Wille, mehr Privatanleger in den Markt zu bringen. „Mehr Kleinanleger, mehr Liquidität, mehr Volatilität, größerer Blasencharakter“, zitiert Bloomberg aus Hartnetts Freitagsbericht an Kunden.
Deutsche Bank: Rekordhoch bei Verschuldung signalisiert Überhitzung
Auch Strategen der Deutschen Bank äußern sich besorgt über die Überhitzung an den US-Börsen. Im Zentrum steht der sprunghaft gestiegene Verschuldungsgrad in Margekonten – also jener Konten, mit denen Anleger auf Kredit spekulieren. Laut Deutscher Bank ist das aktuelle Niveau höher als während früherer Blasenbildungen an den US-Börsen. In den vergangenen zwei Monaten stieg die Kreditaufnahme an der NYSE um 18,5 Prozent – der schnellste Anstieg seit 1999 und 2007. Obwohl Analysten der Bank diesen Indikator seit Jahren beobachten, äußerten sie sich erst jetzt öffentlich dazu. „Die Verschuldung nähert sich einem Punkt, an dem die Markt-Euphorie überhitzt“, so die Bank. Laut der US-Finanzaufsicht Finra beliefen sich die an Anleger vergebenen Kredite im Juni erstmals auf über eine Billion Dollar – ein historischer Höchststand. Die Euphorie könnte anhalten, insbesondere wenn die US-Regierung Zölle senkt oder die Fed weitere Lockerungssignale sendet.
JPMorgan: Meme-Aktien auf Extremniveau – Anlegerverhalten alarmiert
Auch bei JPMorgan mehren sich die Warnungen. Gleich zwei auffällige Beobachtungen machen deren Strategen in dieser Woche. Zum einen ist der Anlegerandrang bei hochvolatilen, spekulativen US-Börsenwerten wie Palantir, Coinbase oder Nvidia laut JPMorgan so stark wie seit 30 Jahren nicht mehr. Das sei nicht nur ein Risiko für diese Titel, sondern ein genereller Warnhinweis auf ein übermäßig sorgloses Marktumfeld, mahnt Chefstratege Dubravko Lakos-Bujas. Zudem sei der Anteil leerverkaufter Aktien drastisch gesunken – ein weiteres Zeichen, dass kaum noch jemand an fallende Kurse glaubt. JPMorgan rät daher zu Blue-Chip-Aktien mit stabilen Bilanzen wie Coca-Cola, Allegion, Intercontinental Exchange, CME Group und CBOE Global Markets. „Wertpapiere mit geringer Volatilität bieten erneut ein attraktives Rendite-Risiko-Profil“, so Lakos-Bujas – insbesondere vor dem Inkrafttreten neuer US-Zölle am 1. August, saisonal ungünstigen Effekten und übermäßigem Investorenoptimismus.
S&P 500: Technische Faktoren und FOMO stützen die Kurse
Die zweite Beobachtung stammt von JPMorgans Aktienhandelsteam. Trotz aller Überbewertungen könnten die US-Börsen noch weiter steigen, so Andrew Tyler, Leiter der globalen Marktanalyse. Selbst pessimistische Anleger würden zunehmend kapitulieren. Gespräche mit Kunden zeigten: „Sogar die Bären geben langsam nach“, erklärte Tyler gegenüber Bloomberg. Als Treiber sieht JPMorgan unter anderem neue Handelsabkommen der USA, positive Konjunkturdaten sowie eine wieder anziehende M&A-Aktivität. Hinzu kommen technische Marktfaktoren und eine neu entfachte „Meme-Aktien“-Begeisterung, die Leerverkäufer in die Defensive zwingt.
Novogratz: Ethereum könnte Bitcoin überholen
Im Krypto-Segment zieht derzeit vor allem Bitcoin Aufmerksamkeit auf sich – doch Michael Novogratz, Chef der Digitalfirma Galaxy, traut Ethereum in den nächsten drei bis sechs Monaten ein besseres Abschneiden zu „Ethereum hat sich schon gut erholt. Wenn es die 4.000-Dollar-Marke knackt, geht die Suche nach einem neuen Preisniveau los“, sagte Novogratz im Interview mit CNBC. Er hält sowohl Bitcoin als auch Ethereum in seinem Portfolio. Seit Jahresbeginn ist Ethereum um rund zehn Prozent gestiegen, liegt aktuell bei über 3.700 Dollar, hatte aber im April zwischenzeitlich auf 1.600 Dollar nachgegeben – ein Rebound von 130 Prozent. Novogratz sieht starkes Marktinteresse, da mehrere Ethereum-ETFs täglich Kapital anziehen. „Das Angebot ist knapp – deshalb hat Ethereum eine reale Chance, Bitcoin in den kommenden Monaten zu überholen“, so seine Einschätzung.
US-Börsen im Spannungsfeld zwischen Euphorie und Übertreibung
Die US-Börsen stehen derzeit unter dem Einfluss expansiver Geldpolitik, spekulativer Exzesse und wachsender Beteiligung unerfahrener Anleger. Während die Kurse neue Höchststände markieren, mehren sich an der Wall Street die Warnungen. Die Kombination aus Fremdkapital, Meme-Manie und geldpolitischen Hoffnungen sorgt für eine explosive Stimmung – und für zunehmende Nervosität unter Profis.