Das neue Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten sorgt für gemischte Reaktionen. Während die einen die Einigung als Rettung vor noch höheren Strafzöllen feiern, sprechen andere von einer wirtschaftlichen Kapitulation. Die USA setzen künftig auf einen 15-prozentigen Zoll auf EU-Exporte – deutlich mehr als vor der Amtszeit Donald Trumps. Zwar bleibt Europa damit von einer 30-Prozent-Strafzoll-Keule verschont, doch das Ergebnis lässt viele ernüchtert zurück.
„Im Vergleich zu 25 oder 30 Prozent wirken 15 Prozent harmlos“, analysiert Ökonom Carsten Brzeski. „Aber relativ zum bisherigen Zustand sind sie ein echter Rückschritt – und wirtschaftlich schädlicher für Europa als für Amerika.“ Besonders deutlich wird dies beim Blick auf die Automobil-, Maschinenbau- und Chemiebranche – Schlüsselindustrien des Kontinents.
Die politische Bühne zeigte sich gespalten: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Trump verkündeten die Einigung als stabilisierende Maßnahme. Zölle auf Stahl und Aluminium bleiben bei 50 Prozent, andere Produkte, darunter Autos, werden mit 15 Prozent belegt. Zudem verpflichtete sich Europa, US-Energieimporte im Wert von 750 Milliarden Dollar zu steigern – auch dies ein klarer geopolitischer Schwenk.
Wirtschaftliche Belastung für Deutschland – besonders für Industrie und Verbraucher
Für Deutschland, als Exportnation Nummer eins in Europa, sind die Folgen des Deals beträchtlich. Die Automobilindustrie, traditionell Exportmotor der deutschen Wirtschaft, trifft der 15-Prozent-Zoll hart. Bisher galt ein Satz von 2,5 Prozent – die neue Regelung entspricht also einer Versechsfachung. Verbandspräsidentin Hildegard Müller vom VDA warnt vor Milliardenverlusten und fordert nun konkrete Zusagen zur Entlastung.
Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) reagierte scharf. Der Deal sende ein „verheerendes Signal“ an die eng verflochtenen Volkswirtschaften dies- und jenseits des Atlantiks. Besonders betroffen sind neben der Autoindustrie auch Chemie und Maschinenbau. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) spricht von einem „Sturm statt Hurrikan“ – zwar wurde der schlimmste Fall abgewendet, doch der Preis sei zu hoch.
Wirtschaftsinstitute wie das ifo sehen darin eine strukturelle Schwächung der europäischen Position im transatlantischen Handel. Ein neues Gleichgewicht müsse erst mühsam wieder aufgebaut werden – ohne Garantie auf langfristige Stabilität.
Politische Reaktionen: Zwischen Kapitulation und Pragmatismus
Die Reaktionen aus Europa fallen entsprechend unterschiedlich aus. Handelskommissar Maroš Šefčovič bezeichnete die Einigung als „beste Lösung unter schwierigen Bedingungen“. Er räumte ein, dass Trump mit einem 30-Prozent-Vorschlag in die Verhandlungen gegangen war – 15 Prozent seien daher als diplomatischer Erfolg zu werten.
Doch nicht alle sehen das so. Frankreichs Premierminister Bayrou sprach von einem „schwarzen Tag“, an dem sich Europa den USA unterworfen habe. Ungarns Premier Viktor Orban wurde noch deutlicher: Von der Leyen sei nicht Verhandlungspartnerin, sondern Frühstücksbeilage für Trump gewesen. Die Kritik zielte vor allem auf mangelnde strategische Härte gegenüber Washington ab.
Bundeskanzler Friedrich Merz bemühte sich um diplomatische Formulierungen, warnte aber ebenfalls vor steigender Inflation und langfristigen Belastungen für alle Seiten. Auch Italien äußerte sich verhalten. Premierministerin Giorgia Meloni sprach zwar von einer Deeskalation, monierte aber fehlende Detailregelungen für sensible Sektoren wie Pharma oder Automobil.
Die Wirtschaft bleibt skeptisch – besonders in Schlüsselbranchen
Die europäische Wirtschaft reagiert durchwachsen. Die US-Handelskammer in der EU lobte die Einigung als Orientierungshilfe, kritisierte aber zugleich die nach wie vor hohen Zölle. Auch der Wunsch nach Erweiterung zollfreier Sektoren blieb unerfüllt.
Besonders deutlich äußerte sich der BGA, der Bundesverband der Deutschen Exporteure: Der Deal sei ein „schmerzhafter Kompromiss“ mit potenziell existenziellen Folgen für Unternehmen. Ifo-Chef Clemens Fuest nannte das Ergebnis gar eine Demütigung der EU.
Während der Verband der europäischen Automobilhersteller (ACEA) die Einigung grundsätzlich begrüßte, warnte Generaldirektorin Sigrid de Vries vor anhaltend hohen Kosten – sowohl für die EU als auch für die USA. Eine Rückkehr zu alten Handelsstandards sei nicht in Sicht.
Auch die deutsche Maschinenbau- und Chemieindustrie äußerte sich kritisch. Der VCI bemängelte die Zollhöhe als überzogen, auch wenn eine Eskalation verhindert worden sei. „Klarheit ist gut“, so der Verband – „aber sie ist teuer erkauft.“
Fazit: Politisch gerettet, wirtschaftlich teuer erkauft
Das neue Handelsabkommen ist kein Handelskrieg – aber auch kein Grund zum Feiern. Es verschafft der EU kurzfristig Luft, langfristig aber keine echte Entlastung. Die deutsche Exportwirtschaft ist besonders betroffen: Schlüsselbranchen wie Automobil, Chemie und Maschinenbau müssen mit neuen finanziellen Belastungen leben – und gleichzeitig geopolitisch umdenken.
Politisch wird der Deal von der Leyens größter diplomatischer Drahtseilakt seit Amtsantritt bleiben. Denn was als „Deeskalation“ verkauft wird, könnte sich als Beginn einer neuen, asymmetrischen Handelsordnung zwischen USA und EU entpuppen – in der die wirtschaftliche Führungsrolle klar auf der anderen Seite des Atlantiks liegt.

