Brüssel räumt Schwierigkeiten bei Umsetzung milliardenschwerer Zusagen ein
Der Tag danach: In Brüssel wird eingeräumt, dass die Einhaltung der gemachten Zusagen über EU-Investitionen in Höhe von 600 Milliarden Dollar in den USA sowie über Verträge zum Kauf amerikanischer Energieträger im Wert von 750 Milliarden Dollar eine schwierige Aufgabe darstellen wird.
Nachhall findet weiterhin die am Sonntag getroffene Grundsatzeinigung zwischen der EU und den USA, mit der sich die Partnerinnen auf einen Handelsfrieden verständigt haben. Inzwischen konzentrieren sich viele Reaktionen auf die Verpflichtungen, die die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, im Namen der EU gegenüber US-Präsident Donald Trump bzw. den USA abgegeben hat. Hier sind fünf zentrale Punkte.
1. Was von der Leyen Trump im Namen der EU versprochen hat
Es wird erwartet, dass der schriftliche Inhalt der Vereinbarung zwischen der EU und den USA, über die sich US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (VDL) am Sonntag verständigt haben, bis Freitag, den 1. August veröffentlicht wird. Bisher ist öffentlich bekannt, dass VDL im Namen der EU den USA folgende Zusagen gemacht hat:
- zusätzliche Investitionen der EU in den USA in Höhe von 600 Milliarden US-Dollar (über 500 Milliarden Euro), zusätzlich zu bestehenden europäischen Investitionen
- Käufe von amerikanischem Flüssigerdgas, Öl und Nuklearbrennstoff im Wert von 750 Milliarden US-Dollar (rund 650 Milliarden Euro)
- Käufe von US-amerikanischen Waffen durch die EU
- Käufe von US-amerikanischen KI-Chips durch die EU
- laut Trump sollen die Mitgliedstaaten ihre Märkte zollfrei öffnen
2. Zusage zu Investitionen der EU in den USA: Brüssel kann das nicht garantieren
Schon wenige Stunden nach der abgegebenen Zusage wurde in Brüssel eingeräumt, dass die EU keine Zuständigkeit oder Macht besitzt, um die Erfüllung des Versprechens tatsächlich zu garantieren, wonach die EU in den nächsten drei Jahren zusätzliche 600 Milliarden US-Dollar in den USA investieren werde, wie Politico berichtet. Aktuell betragen die europäischen Privat-Investitionen in den USA etwa 2.800 Milliarden Dollar. Die Zahl von 600 Milliarden Dollar „basiert auf detaillierten Gesprächen mit verschiedenen Wirtschaftsverbänden und Unternehmen, mit denen Brüssel in Kontakt stand, um deren Investitionsabsichten zu ermitteln“.
Doch das Geld für Investitionen in den USA würde ausschließlich aus dem privaten Sektor kommen, worüber Brüssel keine Kontrolle hat – eine Finanzierung mit europäischen Mitteln ist nicht vorgesehen. In diesem Punkt unterscheidet sich das europäische Versprechen vom japanischen, denn Japan hat den USA in einem kürzlichen Abkommen zugesagt, sowohl öffentliche als auch private Investitionen in Höhe von 550 Milliarden Dollar zu mobilisieren.
3. Zusage über den Kauf amerikanischer Energieträger
Die Zusage, dass die EU in den kommenden drei Jahren amerikanische Energieträger im Wert von 750 Milliarden Dollar kaufen wird, sorgt für zahlreiche Reaktionen. EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič erklärte am Tag nach der Sonntagseinigung: „Wir sind bereit. Wir sind überzeugt, dass diese Zahlen erreichbar sind.“
Nicht alle teilen diese Einschätzung. Die Zahlen seien „völlig unrealistisch“, sagte Laura Page, leitende Analystin beim Unternehmen Kpler, gegenüber Politico. Ähnlich berichtet das Handelsblatt, das auf Reaktionen aus einem großen deutschen Energieunternehmen verweist: „Wir sind völlig sprachlos“, lautet dort der knappe Kommentar. Die Problematik ist dabei vielschichtig:
- Mengenproblem: Die EU importierte im vergangenen Jahr Energieträger aus den USA im Wert von 75,9 Milliarden Dollar – nicht einmal ein Drittel der versprochenen 250 Milliarden Dollar pro Jahr.
- Zuständigkeit: Energieunternehmen verhandeln ihre Lieferverträge direkt zwischen Anbieter und Abnehmer. Und gekauft wird dort, wo der Preis am niedrigsten ist. Eine politisch verordnete Importquote widerspricht also dem Prinzip des freien Energiemarktes und wirft Fragen zur Realisierbarkeit der Zusage auf.
- Widerspruch zur EU-Strategie: Die EU versucht, ihre Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren. Nun warnen Unternehmen, dass die VDL-Zusage zu einer neuen einseitigen Abhängigkeit von den USA führen könnte. Brüssel bemüht sich derzeit um eine Diversifizierung der Lieferanten und hat hierzu beispielsweise im Nahen Osten mehrere Abkommen unterzeichnet.
4. Zusage über den Kauf amerikanischer Waffen
Im Zusammenhang mit den EU-Zusagen, innerhalb der nächsten drei Jahre US-Waffen zu kaufen, weist Politico darauf hin, dass heute die Frist für EU-Mitgliedstaaten endet, sich für günstige Kredite aus dem europäischen Rüstungsfonds SAFE zu bewerben. Der EU-Kommissar für Verteidigung, Andrius Kubilius, deutete vergangene Woche an, dass mindestens 20 Staaten im Rahmen des Programms bis zu 100 Milliarden Euro beanspruchen werden. Politico berichtet nun, dass mehrere Mitgliedstaaten Dutzende Milliarden Euro an EU-Darlehen beantragen wollen, um gemeinsam Waffen für die Ukraine zu kaufen und die eigene Verteidigung zu stärken. Polen, Tschechien, Lettland, Bulgarien und Griechenland haben ihre Teilnahme bestätigt. Auch Dänemark, Finnland, Estland, Litauen, die Slowakei und vermutlich Frankreich denken über eine Beteiligung nach. Deutschland, Schweden und die Niederlande haben die Teilnahme jedoch abgelehnt.
Das SAFE-Programm zielt auf die Förderung der europäischen Rüstungsindustrie und eine Reduzierung der jahrzehntelangen militärischen Abhängigkeit von den USA. Die frische Zusage der EU steht mit diesen Zielen jedoch im Widerspruch.
5. Gewinner und Verlierer des EU-USA-Deals
Wie erwähnt, soll der Entwurf des Handelsabkommens bis Freitag schriftlich vorliegen. Schon jetzt zeigt sich jedoch: Der Deal bringt Gewinner und Verlierer mit sich. Drei Branchen im Überblick:
- Öl und Gas: US-Energieunternehmen gehören laut Politico zumindest theoretisch zu den großen Gewinnern – vorausgesetzt, europäische Unternehmen verdreifachen ihre Importe und US-Firmen richten ihr Geschäft auf Europa aus.
- Autoindustrie: Auch US-Autobauer könnten profitieren. Laut Politico: „Die US-Zölle auf europäische Autos und Teile sinken auf 15 Prozent, während die EU sich verpflichtet hat, ihre Zölle auf US-Autos von zehn auf null Prozent zu senken“, so der Handels-Sprecher Olof Gill. Zudem habe sich die EU verpflichtet, bei der Angleichung technischer Standards mit den USA zu kooperieren. Wie Politico ergänzt, sieht etwa das US-japanische Abkommen vor, dass Japan Fahrzeuge akzeptiert, die US-Standards erfüllen. Deutsche Autolobbyisten beurteilen den Deal hingegen negativ – er belaste weiterhin die deutsche Autoindustrie.
- Pharma: In dieser Branche herrscht Unsicherheit. Die USA untersuchen derzeit, ob der aktuelle Zollregime bei Pharmazeutika ihre nationale Sicherheit gefährdet. Das Ergebnis wird den endgültigen Ausgang mitbestimmen. Bis dahin gelten 15 Prozent Zölle auf Medikamente – normalerweise liegt der Satz bei null. Laut Politico ist die Branche deshalb vorerst Verlierer des Deals. Positiv sei nur, dass einige Generika künftig zollfrei bleiben sollen.
- Chips: Durch die EU-Zusagen könnten sich die Exporte von Grafikprozessoren des US-Unternehmens Nvidia nach Europa erhöhen. Ausländische Berichte sprechen von zentralisierten Käufen, gestützt durch EU-Mittel – genaue Zahlen wurden jedoch nicht genannt.
Symbolische Großmachtpolitik mit ökonomischen Fragezeichen
Gerade für Deutschland, das auf stabile Energiepreise und Lieferketten angewiesen ist, könnten die Vereinbarungen tiefgreifende Folgen haben. Die deutsche Industrie, insbesondere im Chemie- und Fertigungsbereich, steht bereits unter Druck durch volatile Energiemärkte. Eine Verpflichtung zum Kauf teurerer US-Energie könnte die Wettbewerbsfähigkeit weiter schwächen. Zudem zeigt die ablehnende Haltung deutscher Energiekonzerne, dass der politische Kurs Brüssels auf nationaler Ebene kaum Rückhalt findet – ein Indiz für wachsende Friktionen zwischen EU-Zentrum und Mitgliedstaaten wie Deutschland.
Die Zusagen Ursula von der Leyens an Donald Trump offenbaren eine politische Geste von geopolitischem Gewicht – doch ihre Umsetzbarkeit ist in mehrfacher Hinsicht fraglich. Weder besitzt die EU die rechtlichen Instrumente, um Investitionen oder Energieimporte zu erzwingen, noch besteht eine klare Rückendeckung durch alle Mitgliedstaaten – wie das Beispiel Deutschlands zeigt. Die Folge ist ein wachsender Spagat zwischen symbolischer EU-Einigkeit und nationalstaatlichem Widerstand. Für die europäische Handelspolitik zeichnet sich eine neue Phase ab – geprägt von Unsicherheiten, Interessenkonflikten und wachsender Abhängigkeit.