Vertrauen in Novo Nordisk-Aktie schwindet nach Gewinnwarnung
Novo Nordisk hat in der Vergangenheit Jahr für Jahr seine Gewinne gesteigert. Doch nun befürchten Investoren, dass diese Zeiten vorbei sein könnten und der dänische Pharmakonzern nicht länger die solide Ertragsmaschine mit hohen Wachstumsraten bleibt, die er einst war. Die Angst wurde vor allem durch die deutliche Gewinnwarnung am Dienstag geschürt. Sie machte deutlich, dass das Unternehmen zunehmend unter wachsendem Wettbewerb und billigeren Nachahmerprodukten leidet – insbesondere in den USA.
Diese wachsende Konkurrenz könnte sich laut mehreren Investoren zu einem grundlegenden Problem für die künftige Ertragskraft von Novo Nordisk entwickeln.
„Man muss befürchten, dass Novo Nordisk zu einer toten Aktie wird – eine Case, bei der Investoren kaum mehr bereit sind, für die Novo Nordisk-Aktie viel zu zahlen, weil generische Medikamente den Markt fluten“, sagt Investor Peter Bækgaard, ehemaliger US-Börsenmakler und früherer Leiter Investor Relations von Novo Nordisk in den 1990er Jahren in den USA.
Fehlerhafte Wegovy-Strategie öffnete Nachahmern die Tür
Viele Investoren haben besonders deshalb das Vertrauen verloren, weil Novo Nordisk das Problem selbst mitverursacht habe – so die Kritik. Der Konzern habe Wegovy gleichzeitig auf mehreren Märkten eingeführt, ohne seine Produktionskapazität im Griff zu haben. Als das Mittel dann ausverkauft war, konnten Nachahmer legal auf den Markt drängen. „Novo Nordisk dachte, sie könnten alles verkaufen, was sie produzieren – aber das war ein Irrtum. Das Marktumfeld ist aktuell nicht gegeben, weil Novo den Nachahmern die Tür geöffnet hat, während das Marktvolumen langsamer wächst als erwartet“, erklärt ein großer institutioneller Investor aus Dänemark, der anonym bleiben möchte.
Die Gewinnwarnung zeigt laut Peter Bækgaard strukturelle Probleme – nicht nur in den USA: „Es gibt weiterhin Nachahmerunternehmen, die in den USA verkaufen, während Novo Schwierigkeiten hat, auf internationalen Märkten Fuß zu fassen. Und was passiert nach 2031/2032, wenn das Patent für Wegovy in Europa und den USA ausläuft?“
Fakten zur aktuellen Prognosesenkung:
- Zum zweiten Mal in diesem Jahr hat Novo Nordisk seine Erwartungen nach unten korrigiert.
- Der Konzern rechnet nun mit einem Umsatzwachstum in konstanten Währungen von 8–14 Prozent statt zuvor 13–21 Prozent für das Jahr 2025.
- Der erwartete EBIT-Anstieg liegt nun bei 10–16 Prozent, zuvor waren 16–24 Prozent angepeilt.
Das Abnehmpräparat Wegovy basiert auf dem Wirkstoff Semaglutid, dessen Patent in Kanada, China und Brasilien bereits 2026 ausläuft. Der institutionelle Investor zeigt sich auch wegen der Zeit danach besorgt – denn Novos Pipeline sei nicht überzeugend. „Das Problem sind nicht nur die Nachahmer. Novo verliert auch Marktanteile an Eli Lilly. Und das nächste große Produkt? Cagrisema hat enttäuscht“, so der Investor mit Blick auf die enttäuschenden Studiendaten von Cagrisema kurz vor Weihnachten. Hoffnung bestehe allenfalls noch in der Substanz Amycretin.
„Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg – und die Novo Nordisk-Aktie befindet sich im freien Fall“, ergänzt der Investor, der trotz allem an seiner Position festhält. Er glaubt, dass das Marktpotenzial langfristig bestehen bleibt – wenn auch mit gebremstem Tempo. „Novo verdient immer noch gutes Geld“, betont er.
Vertrauen angeschlagen: Wie geht es für die Novo Nordisk-Aktie weiter?
Ein weiterer Investor, Henrik Henriksen, Chefstratege beim dänischen Fondsverwalter Petersen & Partners, hat seine Anteile bislang nicht verkauft. Doch der kürzliche Kursrutsch hat auch seine Begeisterung für die Novo Nordisk-Aktie deutlich abgekühlt. „Das Ganze erinnert an klassische Hybris-Nemesis: Irgendwann halten Erwartungen und Realität nicht mehr stand – und diesen Punkt haben wir jetzt erreicht“, so Henriksen.
Er sieht den Fall Novo Nordisk jedoch nicht als beendet an. Die Story sei lediglich unsicherer und längerfristig geworden: „Wir wissen nicht, ob die aktuellen Probleme bloß Altlasten sind, die nun in Form von Prognosesenkungen sichtbar werden – oder ob das Problem noch andauert. Im Moment ist eines klar: Es ist unsicher.“
Auch Ole Søeberg, Geschäftsführer von Nordic Investment Partners, sieht das Risiko weiterer Enttäuschungen. Er verweist auf die wachsende Zahl von Strategien, mit denen Konkurrenten Patentschutz umgehen – insbesondere in China. Auch Eli Lilly setzt Novo massiv unter Druck. „Natürlich gibt es Risiken. Aber meine Berechnungen zeigen, dass das Potenzial der Novo Nordisk-Aktie nach wie vor enorm ist – selbst mit weiteren Wettbewerbern.“
Søeberg, der auch für die schwedische Brock Milton Capital tätig ist, hält derzeit keine Novo Nordisk-Aktien. Ob sich das nach dem Kurseinbruch ändert, ist laut eigener Aussage offen. Seine Berechnungen zufolge könnte der Kurs bis Sommer 2026 auf 550 Kronen steigen – derzeit liegt er bei nur 333. „Kurzfristig ist das Vertrauen erschüttert. Es darf keine weiteren Enttäuschungen geben. Das Unternehmen muss Vertrauen zurückgewinnen – durch positive Ergebnisse“, so Søeberg.
Währenddessen steht auch die Frage im Raum, ob die Milliardeninvestitionen in Kapazitätserweiterungen, wie der Kauf von drei Catalent-Fabriken, überhaupt sinnvoll waren. „War die Catalent-Übernahme ein Fehler? Braucht Novo überhaupt diese Kapazitäten? Wird es Abschreibungen geben? Das weiß derzeit niemand“, sagt Peter Bækgaard – und bleibt damit wie viele andere Investoren mit offenen Fragen zurück.
Auch deutsche Anleger zunehmend verunsichert
Für viele deutsche Privatanleger und institutionelle Investoren war die Novo Nordisk-Aktie lange ein zuverlässiger Wert im Pharmasegment. Die Kombination aus Margenstärke, Wachstum im Adipositasmarkt und ESG-Tauglichkeit machte sie zum Liebling unter den europäischen Pharmawerten.
Doch auch in Deutschland ist das Vertrauen angeschlagen. Analysten großer Banken wie Deutsche Bank oder Berenberg beobachten die Entwicklung mit Sorge. Denn ein starker Rückgang des Kerngeschäfts im US-Markt könnte sich direkt auf das Vertrauen in das Geschäftsmodell auswirken – mit Folgen für Investitionsentscheidungen deutscher Fonds und Versicherer. Die aktuelle Unsicherheit rund um Patentabläufe, Produktionskapazitäten und die Pipeline trifft nicht nur dänische, sondern auch deutsche Anleger – besonders jene, die auf langfristige Pharma-Wachstumswerte setzen.