Russlands Vorstoß bedroht Schlüsselstädte und schwächt Kiews Verhandlungsposition
Kurz vor dem Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Staatschef Wladimir Putin in Alaska rücken russische Truppen auf die Kleinstadt Dobropillja im Gebiet Donezk vor. Offenbar sollen bis zum Verhandlungstag möglichst viele Gebiete unter Kontrolle gebracht werden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj räumte am Dienstag ein, dass die russischen Streitkräfte zehn Kilometer in Richtung Dobropillja vorgedrungen seien, versicherte jedoch, Kiew werde sie bald „vernichten“. „Russische Einheiten sind an mehreren Stellen zehn Kilometer tief vorgedrungen. Sie verfügen über keinerlei Ausrüstung, nur Waffen in der Hand. Einige wurden bereits gefunden, einige vernichtet, einige gefangen genommen. Die übrigen werden wir in Kürze finden und vernichten“, erklärte Selenskyj entschlossen. Zitiert wird er von der Agentur BNS.
Dobropillja gilt als logistisches Zentrum für das näher an der Front gelegene Pokrowsk, dessen Einnahme den Russen bisher nicht gelungen ist. Nun versuchen sie, schwächere Frontabschnitte zu durchbrechen, um die Stadt einzukreisen. Von Dobropillja führt zudem eine strategisch wichtige Straße nach Kramatorsk, dem faktischen Zentrum der Region Donezk, berichtet die Financial Times.
Selenskyj erklärte, Russland unternehme große Anstrengungen, um bis zum Treffen mit dem US-Präsidenten mehr besetzte Gebiete vorweisen zu können. Zugleich betonte er, dass seine Truppen den Donbass nicht räumen würden. „Die Lage ist ziemlich chaotisch. Der Feind hat Lücken in unserer Verteidigung entdeckt, ist in unsere Tiefe vorgedrungen, nachdem er zuvor seine Positionen verstärkt und Kräfte für neue Angriffe gesammelt hat“, analysierte die ukrainische Kriegsbeobachtungsgruppe DeepState auf Telegram.
Auch ehemalige Kommandeure und Vertreter ukrainischer Nichtregierungsorganisationen berichten von einer chaotischen Lage an diesem Frontabschnitt. Die Russen rücken demnach trotz „hoher Verluste an Personal und Technik“ vor. Zur Verteidigung des Gebietes Pokrowsk seien Eliteeinheiten des Ersten Korps „Asow“ der Nationalgarde der Ukraine entsandt worden. Das ukrainische Zentrum für Verteidigungsstrategien warnte jedoch, die Lage um Dobropillja sei „besorgniserregend“. Eine Einnahme der Stadt würde auch die Verteidigung der nahegelegenen Orte Druschkiwka und Kostjantyniwka erheblich erschweren.