Finanzen

Kunst als Investment? 95 Prozent aller Werke sind nur Dekoration

Die meisten Käufer träumen davon, dass jedes Bild irgendwann Gold wert ist. Doch die Realität ist ernüchternd: Nur ein winziger Bruchteil aller Werke hat überhaupt Renditepotenzial – der Rest schmückt bestenfalls die Wohnzimmerwand. Wer Kunst als Investment begreift, läuft Gefahr, Illusionen teuer zu bezahlen.
04.10.2025 12:19
Lesezeit: 4 min
Kunst als Investment? 95 Prozent aller Werke sind nur Dekoration
Statussymbol oder Investition? Nur wenige Kunstwerke entfalten einen echten Marktwert. (Foto: iStockphoto.com/shironosov) Foto: shironosov

Illusionen vom schnellen Gewinn und die harte Wahrheit des Kunstmarktes

„Aus mir unbekannten Gründen wird angenommen, dass jedes Kunstwerk in Zukunft teurer verkauft werden muss, leider ist das nicht so“, sagt die Kunsthistorikerin und promovierte Philosophin Simona Skaisgirė, die seit 18 Jahren die „Vilniaus aukcionas“ leitet. S. Skaisgirė, die beim von „Verslo žinios“ organisierten Investorenfestival „Mano pinigai“ einen Vortrag über Kunstinvestitionen hielt, bat zunächst jene, die zu Hause kein einziges Kunstwerk haben oder „freiwillig“ keines für sich gekauft haben, die Hand zu heben. Als sich nur zwei Hände erhoben, teilte sie Aussagen, die sie in ihrer Galerie „Kunstkamera“ gehört hatte. Etwa: „Wenn ich den Wohnungskredit abbezahlt habe, denke ich vielleicht an Kunst.“ Oder: „Aber wofür so viel bezahlen, mein Kind würde das besser malen.“

Andere, mutmaßlich potenzielle Käufer, sprechen so: „Nehmen wir dieses, aber es muss mehr rosige Töne haben. Außerdem muss es horizontal sein, wenn wir es über das Sofa hängen.“ Oder: „Alle haben Kunst gekauft, nur wir nicht“; „Es muss so sein, dass wir es den Kindern als Reliquie übergeben“; „Aber ich werde sofort anfangen zu sammeln“; „Es muss ein Investment sein, ich bin schließlich Investor.“ Nach Ansicht der Kunsthistorikerin spiegeln solche Aussagen Strategien wider, wie Menschen mit Kunstwerken umgehen. Die einen betrachten sie als Interieur-Dekoration. Für andere zählt der Status – „alle haben Kunst gekauft, nur wir nicht“. Häufig wird der Besitz oder gar das Sammeln von Kunstwerken mit finanziellem und sozialem Status verbunden und gilt als Ausdruck intellektuellen Niveaus.

„Der Satz ‚Aber ich werde sofort anfangen zu sammeln‘ zeigt, dass jemand vielleicht schon Sammlerambitionen hat, reift und weiß, was Sammlung bedeutet. Vielleicht hat er das Sammlergen, aber noch nicht genutzt. Das sind keine schlechten Anreize. Drittens – ‚Damit wir es den Kindern als Reliquie übergeben‘ – auch das ist gut, denn bevor man sammelt, sollte man überlegen, was nach einem selbst mit der Sammlung geschieht“, zählt S. Skaisgirė auf. Sie ergänzt, dass Gespräche oft mit dem Satz enden: „Ich will ein Investment, mit bekanntem Namen und günstig – bis tausend.“ So etwas gebe es nicht, doch dies sei das Standardmuster der Wünsche von Menschen, die eine Galerie betreten. „Andererseits kann man auch mit einem Budget von 1.000 Euro am Kunstmarkt teilnehmen, nur sollte man nicht an Investmentstücke denken“, fügt sie hinzu.

Interieur und Sammlung

Nach S. Skaisgirė ist das häufigste Kriterium beim Kunstkauf das „Investmentstück“, fast wie ein „magisches Wort“: „Aus mir unbekannten Gründen wird angenommen, dass jedes Kunstwerk in Zukunft teurer verkauft werden kann. Aber die Realität ist, dass, wenn man das gesamte Kunstangebot der Welt als Pyramide betrachtet, 80 Prozent Interieurstücke wären, 15 Prozent Sammelstücke, und nur 5 Prozent (im besten Fall) an der Spitze der Pyramide ein potenzielles Investment darstellen“, erklärt sie. Die 80 Prozent unten seien Werke, die wegen der Schönheit gekauft werden, ohne Rendite. Man zahle dafür, dass das Zuhause geschmückt ist – und damit hat es sich. Auf die Frage, was ein Sammelwerk sei, erläutert sie: Ein Werk sei nicht von Beginn an als solches gekennzeichnet. Diese Kennzeichnung entstehe mit der Zeit durch eine Konstellation von Kriterien: vor allem durch Seltenheit und durch Sammler, für die es Bedeutung gewinnt. Wert entstehe also durch Sammler. Dies illustriert sie am Beispiel des bekannten Sammlers Edmundas Armoška, der schon zu Sowjetzeiten litauische Kunst sammelte. Damals wurde litauisches Erbe nach dem Krieg systematisch zerstört, Sammeln war in Teilen kriminalisiert. Beliebt war westliches Antik, doch mit geschlossenen Grenzen war selbst das Angebot eines heutigen Flohmarktes ein seltenes und teures Ereignis, vor allem, wenn der Rahmen „vergoldet“ war. Herkunft oder Verkaufshistorie spielten kaum eine Rolle.

„Litauische Sammler sammelten bis in die späte Sowjetzeit vor allem Westeuropa und Russland. Armoška hingegen interessierte das nicht und begann, Litauer zu sammeln – die Vorkriegsgrößen der Kaunas-Kunstschule wie Ušinskas, Galdikas, Kalpokas, Vienožinskis, ebenso spätere und frühere Künstler aus der Zwischenkriegszeit in Vilnius. Von deren Arbeiten ist heute wenig übrig, weil Polen beim Abzug vieles mitnahm. Armoška schuf so eine bedeutende litauische Sammlung, während andere das nicht taten. Um 2009 stellte er sie im Radvila-Palais aus und veröffentlichte einen Katalog“, erzählt S. Skaisgirė. Zum Schicksal der Sammlung erklärt sie: Es gebe drei Wege – Übergabe an Museen, an Erben oder Verkauf. „Armoška tat Letzteres. Er verkaufte, speiste so drei große institutionelle Sammlungen – MO, ‚Tartle‘ und ‚Lewben Art Foundation‘ (heute ‚Noewe Foundation‘). Damit wurde er vom Sammler zum Investor, denn er hatte die Werke Jahrzehnte zuvor sehr günstig gekauft und sicher eindrucksvoll verdient. Die Moral: Rendite kommt meist als angenehmer Bonus nach langer Sammelpraxis.“

Für Investitionen

„Vielleicht sind Sie nicht so geduldig, Jahrzehnte zu sammeln, und wollen sofort Investor werden. Das betrifft die 5 Prozent an der Pyramidenspitze, die Strategie ‚verdienen, Rendite erzielen‘“, sagt sie. Wie in anderen Anlageklassen – Aktien, Anleihen – gebe es konservative, ausgewogene und aggressive Strategien. In der Kunst könne die Verteilung so aussehen: 60 Prozent ausgewogen, 20 konservativ, 20 riskant. Zum konservativen Bereich nennt sie Beispiele: Ein Werk von Rimvydas Jankauskas-Kampas wurde einst für knapp 5.000 Euro verkauft, kam nach 12 Jahren für 15.000 zurück und erzielte fast 19.000 – etwa 22 Prozent Rendite jährlich.

Ein „Herbstlandschaft“-Gemälde von Petras Kalpokas wurde 2012 für 14.000 angeboten, für über 20.000 verkauft, nach 8 Jahren für fast 44.750 – Rendite rund 8 Prozent. „Klingt gut, aber beachten wir die Fallstricke. Erstens: Seltenheit – museale Werke sind knapp und verschwinden in Sammlungen. Zweitens: Preisspitzen – vielleicht wurde Kalpokas am Höhepunkt gekauft, dann dauert ein Weiterverkauf vielleicht 10 Jahre“, warnt S. Skaisgirė. Ein anderes Beispiel: Kalpokas’ „Winterlandschaft“ kam in Deutschland für 3.000 ins Auktionshaus, mit Schätzung 5.000. „Litauer haben sich überboten und für 55.000 gekauft, mit Gebühren rund 66.000. Wahrscheinlich auf Preisspitze“, so Skaisgirė. Weitere Risiken: Fälschungen, die schwer erkennbar seien, vor allem im Ausland, wenn man Werke nicht selbst sieht. Das Gegenteil der konservativen Strategie sei die riskante: „Hier braucht man weniger Geld, vielleicht reicht 1.000, aber beim Kauf junger Künstler weiß niemand, wer sich durchsetzt.“ Orientierung böten Wettbewerbe wie der „Young Painter Prize“ oder internationale Rankings. Am sichersten sei jedoch das ausgewogene Investieren: keine extrem teuren Museumswerke, keine völlig Unbekannten, sondern Künstler, die bereits kunsthistorisch verankert sind, deren Werke noch handelbar und „relativ erschwinglich“ seien. „Beispiel Kazė Zimblytė: Wir hatten ein Werk für 3.800, verkauften es für 6.000. Preis im Rahmen, Wachstum vorhanden, Nachfrage gegeben. Das ist ausgewogenes Investieren – ohne immense Summen Qualitätskunst erwerben“, so S. Skaisgirė.

Ihre Schlussfolgerung: „Kunstinvestment ist nicht für alle. Wer große garantierte Rendite will, soll woanders hingehen. Wer aber eine interessante Reise sucht, die ihn als Persönlichkeit wachsen lässt, Geduld mitbringt und neben Rendite auch Bereicherung findet, soll bleiben.“

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

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