Brücken in Gefahr – rollende Überlast als Milliardenschaden
Deutschland hat im Sommer ein groß angelegtes Pilotprojekt gestartet, mit dem die Kontrolle schwerer Lastkraftwagen durch moderne Technologie deutlich verbessert werden soll. Ziel ist es, die Autobahn-Infrastruktur zu schützen, vor allem Brücken und Knotenpunkte, die durch den wachsenden Güterverkehr zunehmend belastet sind. Die erste Station wird auf dem Abschnitt der Autobahn A4 zwischen Aachen und Köln eingerichtet, einer der wichtigsten Verkehrsadern, die die Häfen Antwerpen und Rotterdam mit den Logistikzentren im europäischen Hinterland verbinden. Zu diesem Zweck wurde von Freitag, 18. Juli, bis Montag, 21. Juli, die Fahrtrichtung Köln zwischen den Ausfahrten Langerwehe und Düren vollständig gesperrt. In dieser Zeit bauten Ingenieure Kabel und Messelemente in die Fahrbahn ein, die mit der neuen Waage im Fahrbetrieb verbunden werden. Lkw- und Autofahrer wurden über die A44 und A61 umgeleitet.
Erste von 16 geplanten Stationen
Die Kontrolle überladener Lastwagen ist in Deutschland seit Langem eine Herausforderung. Statistiken zeigen, dass der Anteil der Fahrzeuge, die das zulässige Gesamtgewicht überschreiten, in einzelnen Segmenten bei 10 bis 15 Prozent liegt. Solche Fahrzeuge beschleunigen nicht nur den Verschleiß der Asphaltflächen, sondern gefährden auch ernsthaft die Stabilität von Brücken, da bereits wenige Tonnen Überlast eine unverhältnismäßige Zunahme der Konstruktionsbelastungen verursachen. Daher werden das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) und die Autobahn GmbH bis 2028 insgesamt 16 vollständig digitale Waagen installieren. Die erste wird an der Raststätte Rur-Scholle-Süd bei Düren eingerichtet, der Betrieb soll im Frühjahr 2026 beginnen.
So funktioniert die moderne Kontrolle
Das Grundprinzip basiert auf der WIM-Technologie (Weigh-in-Motion). Spezielle Messstreifen sind in die Fahrbahn eingelassen und erfassen beim Überfahren präzise das Gewicht und die Achslasten des Fahrzeugs. Erkennt das System eine Überschreitung des zulässigen Gewichts, erscheint auf einer elektronischen Tafel an der Straße eine Warnung, und der Fahrer muss auf einen Parkplatz fahren, wo eine separate stationäre Waage zur exakten Bestätigung installiert ist. Bestätigt sich die Überlastung, wird dem Lastwagen die Weiterfahrt untersagt, und der Fahrer muss mit einer Geldstrafe rechnen. Neben Bußgeldern ist in Deutschland auch das Entladen eines Teils der Fracht möglich, was häufig zu logistischen Verzögerungen führt. Der gewählte Abschnitt der A4 ist kein Zufall. Nach Angaben des Bundesamts für Logistik und Mobilität handelt es sich um eine zentrale Transitverbindung, auf der riesige Mengen an Containertransporten aus belgischen und niederländischen Häfen in Richtung des Kölner Bahnhofs Eifeltor laufen, des größten in Deutschland. Gerade hier konzentriert sich ein erheblicher Teil des intermodalen Verkehrs, weshalb Kontrollpunkte von besonderer Bedeutung sind.
Vergleich mit Tschechien
Tschechien ist beim Lkw-Wiegen Deutschland einen Schritt voraus. Das Verkehrsministerium hat im Sommer zehn neue WIM-Einheiten in das Netz aufgenommen, bis Dezember 2025 werden insgesamt 31 Systeme – im Test- oder Vollbetrieb – aktiv sein. Das System arbeitet auf zwei Ebenen:
– als selektives Instrument, das verdächtige Lkw aus dem Verkehr zieht,
– und in erweiterter Form als automatisches Sanktionssystem.
Der tschechische Verkehrsminister Martin Kupka betont, dass jede überschrittene Tonne mit bis zu 367 Euro Bußgeld belegt werden könne. Verantwortlich sei der Fahrzeughalter, die Einnahmen aus den Strafen würden zwischen Gemeinden, Regionen und Straßenbetreibern aufgeteilt, was die lokale Unterstützung des Projekts erhöhe. Der Vorteil des tschechischen Modells besteht darin, dass Polizei und Straßenbehörden die Daten in Echtzeit erhalten, ohne dass Fahrzeuge physisch gestoppt werden müssen – es sei denn, dies ist erforderlich. Die meisten dieser Waagen befinden sich rund um Prag, wo die Verkehrsbelastung am höchsten ist. Österreich hat auf der A12 in Tirol bereits 2022 eine Kombination aus Waagen im Fahrbetrieb und stationären Kontrollpunkten eingeführt, um den Transit schwerer Lkw über die Alpen zu begrenzen. Frankreich testet intelligente Waagen bei Lyon, die neben dem Gewicht auch Emissionen und Geschwindigkeit erfassen und so eine umfassende Kontrolle ermöglichen. Italien bereitet ein WIM-Projekt auf der A22 (Brenner) vor, da Überlastung dort einer der Hauptfaktoren für die beschleunigte Fahrbahndegradation ist.
Eine Million Euro pro digitale Station
Die Investition in eine solche digitale Station beläuft sich auf mehrere Millionen Euro, doch die Kosten amortisieren sich nach Schätzungen in wenigen Jahren, da die Schäden an der Infrastruktur deutlich sinken. Zudem erhöht sich die Sicherheit, da überladene Lkw längere Bremswege und ein höheres Unfallrisiko bedeuten. Deutschland wird angesichts des wachsenden Güterverkehrs – allein 2023 wurden über 3,8 Milliarden Tonnen über seine Straßen transportiert – die Kontrollen erheblich verstärken müssen. Dabei setzt es auf die digitale WIM-Waagentechnik.


