Wirtschaft

Deutschland rüstet auf: Digitale Waagen gegen Brummi-Sünder

Überladene Lkw ruinieren Straßen und bedrohen die Sicherheit. Deutschland setzt jetzt auf digitale Hightech-Waagen – und erklärt den Schwerlast-Sündern den Krieg.
30.08.2025 05:52
Lesezeit: 3 min
Deutschland rüstet auf: Digitale Waagen gegen Brummi-Sünder
Das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) und Autobahn werden bis 2028 16 volldigitale Waagen installieren. (Foto: dpa | Hendrik Schmidt) Foto: Hendrik Schmidt

Brücken in Gefahr – rollende Überlast als Milliardenschaden

Deutschland hat im Sommer ein groß angelegtes Pilotprojekt gestartet, mit dem die Kontrolle schwerer Lastkraftwagen durch moderne Technologie deutlich verbessert werden soll. Ziel ist es, die Autobahn-Infrastruktur zu schützen, vor allem Brücken und Knotenpunkte, die durch den wachsenden Güterverkehr zunehmend belastet sind. Die erste Station wird auf dem Abschnitt der Autobahn A4 zwischen Aachen und Köln eingerichtet, einer der wichtigsten Verkehrsadern, die die Häfen Antwerpen und Rotterdam mit den Logistikzentren im europäischen Hinterland verbinden. Zu diesem Zweck wurde von Freitag, 18. Juli, bis Montag, 21. Juli, die Fahrtrichtung Köln zwischen den Ausfahrten Langerwehe und Düren vollständig gesperrt. In dieser Zeit bauten Ingenieure Kabel und Messelemente in die Fahrbahn ein, die mit der neuen Waage im Fahrbetrieb verbunden werden. Lkw- und Autofahrer wurden über die A44 und A61 umgeleitet.

Erste von 16 geplanten Stationen

Die Kontrolle überladener Lastwagen ist in Deutschland seit Langem eine Herausforderung. Statistiken zeigen, dass der Anteil der Fahrzeuge, die das zulässige Gesamtgewicht überschreiten, in einzelnen Segmenten bei 10 bis 15 Prozent liegt. Solche Fahrzeuge beschleunigen nicht nur den Verschleiß der Asphaltflächen, sondern gefährden auch ernsthaft die Stabilität von Brücken, da bereits wenige Tonnen Überlast eine unverhältnismäßige Zunahme der Konstruktionsbelastungen verursachen. Daher werden das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) und die Autobahn GmbH bis 2028 insgesamt 16 vollständig digitale Waagen installieren. Die erste wird an der Raststätte Rur-Scholle-Süd bei Düren eingerichtet, der Betrieb soll im Frühjahr 2026 beginnen.

So funktioniert die moderne Kontrolle

Das Grundprinzip basiert auf der WIM-Technologie (Weigh-in-Motion). Spezielle Messstreifen sind in die Fahrbahn eingelassen und erfassen beim Überfahren präzise das Gewicht und die Achslasten des Fahrzeugs. Erkennt das System eine Überschreitung des zulässigen Gewichts, erscheint auf einer elektronischen Tafel an der Straße eine Warnung, und der Fahrer muss auf einen Parkplatz fahren, wo eine separate stationäre Waage zur exakten Bestätigung installiert ist. Bestätigt sich die Überlastung, wird dem Lastwagen die Weiterfahrt untersagt, und der Fahrer muss mit einer Geldstrafe rechnen. Neben Bußgeldern ist in Deutschland auch das Entladen eines Teils der Fracht möglich, was häufig zu logistischen Verzögerungen führt. Der gewählte Abschnitt der A4 ist kein Zufall. Nach Angaben des Bundesamts für Logistik und Mobilität handelt es sich um eine zentrale Transitverbindung, auf der riesige Mengen an Containertransporten aus belgischen und niederländischen Häfen in Richtung des Kölner Bahnhofs Eifeltor laufen, des größten in Deutschland. Gerade hier konzentriert sich ein erheblicher Teil des intermodalen Verkehrs, weshalb Kontrollpunkte von besonderer Bedeutung sind.

Vergleich mit Tschechien

Tschechien ist beim Lkw-Wiegen Deutschland einen Schritt voraus. Das Verkehrsministerium hat im Sommer zehn neue WIM-Einheiten in das Netz aufgenommen, bis Dezember 2025 werden insgesamt 31 Systeme – im Test- oder Vollbetrieb – aktiv sein. Das System arbeitet auf zwei Ebenen:

– als selektives Instrument, das verdächtige Lkw aus dem Verkehr zieht,

– und in erweiterter Form als automatisches Sanktionssystem.

Der tschechische Verkehrsminister Martin Kupka betont, dass jede überschrittene Tonne mit bis zu 367 Euro Bußgeld belegt werden könne. Verantwortlich sei der Fahrzeughalter, die Einnahmen aus den Strafen würden zwischen Gemeinden, Regionen und Straßenbetreibern aufgeteilt, was die lokale Unterstützung des Projekts erhöhe. Der Vorteil des tschechischen Modells besteht darin, dass Polizei und Straßenbehörden die Daten in Echtzeit erhalten, ohne dass Fahrzeuge physisch gestoppt werden müssen – es sei denn, dies ist erforderlich. Die meisten dieser Waagen befinden sich rund um Prag, wo die Verkehrsbelastung am höchsten ist. Österreich hat auf der A12 in Tirol bereits 2022 eine Kombination aus Waagen im Fahrbetrieb und stationären Kontrollpunkten eingeführt, um den Transit schwerer Lkw über die Alpen zu begrenzen. Frankreich testet intelligente Waagen bei Lyon, die neben dem Gewicht auch Emissionen und Geschwindigkeit erfassen und so eine umfassende Kontrolle ermöglichen. Italien bereitet ein WIM-Projekt auf der A22 (Brenner) vor, da Überlastung dort einer der Hauptfaktoren für die beschleunigte Fahrbahndegradation ist.

Eine Million Euro pro digitale Station

Die Investition in eine solche digitale Station beläuft sich auf mehrere Millionen Euro, doch die Kosten amortisieren sich nach Schätzungen in wenigen Jahren, da die Schäden an der Infrastruktur deutlich sinken. Zudem erhöht sich die Sicherheit, da überladene Lkw längere Bremswege und ein höheres Unfallrisiko bedeuten. Deutschland wird angesichts des wachsenden Güterverkehrs – allein 2023 wurden über 3,8 Milliarden Tonnen über seine Straßen transportiert – die Kontrollen erheblich verstärken müssen. Dabei setzt es auf die digitale WIM-Waagentechnik.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Insa-Umfrage aktuell: AfD bleibt in Sonntagsfrage vor Union
25.11.2025

Die aktuelle Insa-Umfrage zeigt eine AfD auf Rekordkurs - und eine Union, die langsam näher rückt. Gleichzeitig bröckelt das Tabu-Image...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle
25.11.2025

Die deutsche Wirtschaft tritt weiter auf der Stelle, während Exporte sinken und Verbraucher sparen. Ökonomen hoffen zwar auf eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell weiter auf hohem Niveau: Kurs steigt deutlich über 4.100 Dollar – Blick geht zur Fed
25.11.2025

Der Goldpreis zieht weiter an und überschreitet wieder wichtige Marken. Doch hinter dem jüngsten Sprung stehen mehr als nur kurzfristige...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Großprojekt Suedlink: Baubeginn trotz jahrelanger Debatten
25.11.2025

Nach jahrelangen Diskussionen fällt heute im thüringischen Wasungen der offizielle Startschuss für den Bau der Stromautobahn Suedlink,...

DWN
Politik
Politik Putins Risikooffensive: Warum 2027 zum Wendepunkt für Europa werden kann
25.11.2025

Ein zunehmend risikofreudiger Kreml und eine bröckelnde amerikanische Schutzgarantie treffen auf ein Europa, das gefährlich unvorbereitet...

DWN
Politik
Politik G20 in Afrika: Geschlossenheit trotz US-Abwesenheit – Signal für Frieden und Entwicklung
24.11.2025

Beim ersten G20-Gipfel auf afrikanischem Boden bleibt der Platz der USA demonstrativ leer – doch die übrigen Mitglieder setzen ein...

DWN
Panorama
Panorama Abnehmwirkstoff ohne Alzheimer-Erfolg: Novo-Nordisk-Studie enttäuscht Anleger
24.11.2025

Der Pharmakonzern Novo Nordisk hat mit seinem Abnehmmittel Semaglutid in einer Alzheimer-Studie einen Rückschlag erlitten. Die...

DWN
Finanzen
Finanzen Marktrisiko: Weshalb Topinvestoren jetzt Alarm schlagen
24.11.2025

Die jüngsten Kursstürze an den Märkten zeigen, wie angespannt die Lage geworden ist. Während Anleger nervös auf jede Bewegung...