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Pharmaindustrie: Marktstart für Alzheimer-Mittel Lecanemab in Deutschland

Ab ersten September ist erstmals ein Alzheimer-Medikament erhältlich, das den Krankheitsverlauf verlangsamen kann. Lecanemab soll bei Alzheimer im Frühstadium helfen. Doch längst nicht alle Patienten profitieren. Die Therapie ist teuer – und birgt auch Risiken.
04.09.2025 12:15
Lesezeit: 3 min
Pharmaindustrie: Marktstart für Alzheimer-Mittel Lecanemab in Deutschland
Leqembi (Lecanemab) ist der erste Alzheimer-Antikörper, der in der EU zugelassen wurde. (Foto: dpa/Symbolbild). Foto: Daniel Bockwoldt

Marktstart für Alzheimer-Mittel Lecanemab in Deutschland

Der zur Alzheimer-Therapie zugelassene Antikörper Lecanemab ist seit dem 1. September in Deutschland offiziell auf den Markt. Österreich und Deutschland seien die ersten EU-Länder, in denen das unter dem Namen Leqembi vertriebene Mittel verfügbar werde, teilten die beteiligten Pharmaunternehmen Biogen aus den USA und Eisai aus Japan mit. Die nach langem Zögern zugelassene Therapie kann nur einem kleinen Teil der rund eine Million Menschen helfen, die allein in Deutschland von Alzheimer betroffen sind. Lecanemab wird als intravenöse Infusion alle zwei Wochen verabreicht.

Zulassung mit Einschränkungen

Im April hatte die EU-Kommission Lecanemab für die Behandlung von leichter kognitiver Beeinträchtigung (Gedächtnis- und Denkstörungen) im frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit zugelassen. Als frühe Alzheimer-Phase sind Johannes Levin vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) zufolge die ersten drei Jahre zu werten. Das betreffe in Deutschland aktuell vermutlich etwa 250.000 Menschen.

Es gibt allerdings noch eine weitere Einschränkung: Das Mittel sollen nur jene Alzheimer-Patienten bekommen, die lediglich eine oder keine Kopie von ApoE4 haben – einer Variante des Gens für das Protein Apolipoprotein E. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Nebenwirkungen – Schwellungen und Blutungen im Gehirn – geringer als bei Menschen mit zwei ApoE4-Kopien. Menschen mit nur einer oder keiner ApoE4-Kopie machen dem DZNE zufolge in Deutschland etwa 80 Prozent der Alzheimer-Patienten aus.

Hohe Kosten – Verhandlungen laufen

Das Unternehmen Eisai beziffert den Herstellerpreis auf 310 Euro pro 2-Milliliter-Packung und 615 Euro pro 5-Milliliter-Packung. Nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) liegt der Verkaufspreis für die kleine Packung zunächst bei 403,27 Euro und bei 788,86 Euro für die große Packung. Für wie viele Infusionen die Mengen reichten, sei vom Gewicht des jeweiligen Patienten abhängig, sagte ein Eisai-Sprecher.

Der ABDA rechnet vor, dass für eine 70 Kilogramm schwere Person pro Infusion etwa 7 Milliliter Konzentrat – also eine große und eine kleine Packung – benötigt würden. Dem Hersteller Eisai zufolge würde dies in Bezug auf den Herstellerpreis auf Medikamentenkosten von 24.050 Euro pro Jahr hinauslaufen.

Dies deckt sich mit der Schätzung des Generalsekretärs der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Peter Berlit, der auch etwa 24.000 Euro an Kosten für das Medikament pro Jahr pro Patient erwartet. Die Kosten für Tests, Durchführung der Therapie und Überwachung könnten sich auf etwa 10.000 Euro belaufen.

Nach Angaben der Alzheimer Forschung Initiative werden die Kosten zunächst von den Kassen übernommen. Parallel dazu werde der Gemeinsame Bundesausschuss prüfen, welchen Nutzen das Mittel im Vergleich zu bisherigen Therapien erbringe. Das Ergebnis dieser Prüfung sei Grundlage für die Preisverhandlungen zwischen Herstellern und Krankenkassen.

Herausforderung für die Kliniken

Bevor eine Therapie beginnen kann, muss bei Patienten Alzheimer erst durch Biomarker-Tests nachgewiesen werden, gefolgt von einem genetischen Test auf ApoE4. Auch die Kosten für den Gentest seien eine Kassenleistung, da es sich dabei um eine für die Behandlung verpflichtende Untersuchung handele, so die Alzheimer Forschung Initiative.

Frank Jessen, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Köln und Demenzforscher, sieht die Krankenhausambulanzen „grundsätzlich gut aufgestellt, um kommende Woche mit der Therapie mit Leqembi zu beginnen“. Konkret sei dies jedoch auch abhängig von den Kapazitäten der einzelnen Zentren – etwa im Blick auf Personal, MRT- und Infusionsplätze.

Nach dpa-Informationen könnte sich der Start in einigen Kliniken jedoch auch wegen der hohen für die Kliniken anfallenden Kosten verzögern, die diese schultern müssen, weil die Preisverhandlungen noch laufen. Jessen erklärt, dass die Kosten für die Behandlung von Kassenpatienten im Regelfall zunächst über Ambulanzpauschalen abgerechnet werden, die verhandelt werden müssen. „Da müssen die Krankenhäuser jetzt intern eine Regelung finden.“

Keine Heilung in Sicht

Bisherige Alzheimer-Therapien behandeln nur Symptome der Krankheit, nicht ursächliche Prozesse im Gehirn. Das ist bei Lecanemab anders: Der Antikörper richtet sich gegen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn und soll dadurch den Verlauf der Krankheit um einige Monate verlangsamen. Um Heilung oder Verbesserung geht es allerdings auch bei diesem Wirkstoff nicht, ein solches Mittel ist weiterhin nicht in Sicht.

Aufgrund der Nebenwirkungen wie Schwellungen und Mikroblutungen im Gehirn war Lecanemab bei einer ersten Prüfung der EU-Arzneimittelbehörde EMA noch abgelehnt worden. Bei einer erneuten Prüfung kamen die Behörden jedoch zu dem Schluss, dass für die erwähnte Untergruppe der Alzheimer-Patienten der Nutzen die Risiken übersteige.

Um sicherzustellen, dass nur jene Patienten an das Mittel kommen, die auch einen Nutzen davon haben, wird es ein EU-weites Register aller Patienten geben.

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