Trump und die Unabhängigkeit der Fed
Die Börsen übertreffen Rekorde, ebenso Gold, auf der anderen Seite haben wir fallende Zinsen, die Inflation beruhigt sich, Fed und EZB stehen kurz vor der September-Entscheidung über den Dollar- bzw. Euro-Leitzins. Was bedeutet das für Ihre Kredite, Einlagen? Wohin mit dem Geld in dieser Zeit? Und was ist noch zu erwarten? Darüber sprachen unsere Kollegen vom DWN-Partnerportal Casnik Finance mit Primož Cencelj, Geschäftsführer des Bereichs Asset Management bei Modra zavarovalnica, und David Zorman, Fondsmanager bei Generali Investments.
Casnik Finance/DWN: Zum Einstieg zunächst ein wenig internationaler Kontext. Wie ist der kurze Schlagabtausch zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und der Zentralbank zu verstehen?
Cencelj: „Die Entscheidung für eine unabhängige Zentralbank passt nicht allen Herrschern, besonders nicht dort, wo der Gouverneur der Zentralbank eine längere Amtszeit hat als der Präsident, und wo der Gouverneur von einem engen Kreis von Menschen gewählt wird, während der Präsident ein Mandat der gesamten Bevölkerung erhalten muss. Gouverneure können also das Leben der Politiker erschweren oder erheblich erleichtern. Jeder rationale Politiker wünscht sich ein möglichst einfaches Leben. In diesem Zusammenhang verstehe ich Trumps Drängen auf niedrigere Zinsen: wenn die Zinsen niedriger sind, verschuldet sich der Staat billiger und es bleibt dem Politiker mehr Geld für andere Ausgaben. Die Frage ist allerdings, ob die amerikanische Zentralbank noch Glaubwürdigkeit besitzt oder diese bereits verloren hat.“
Zorman: „Die US-Verschuldung ist hoch und steigt weiter, ebenso der Zinsaufwand. Die Refinanzierung erfolgt zunehmend am kurzen Ende der Kurve, was langfristig nicht tragfähig ist. Die Fed ist jedoch eine unabhängige Institution, die Amtszeit der Mitglieder beträgt 14 Jahre. Zurzeit gibt es keine Befürchtungen, dass sie unter dem Einfluss von Präsident Trump stehen. Der Kampf wird sich aber fortsetzen. Im Fed-Vorstand gibt es 12 Mitglieder, die über den Zinssatz abstimmen und in jedem Ausschuss darüber diskutieren. Sie reagieren auf Grundlage des Marktes, und der Markt zeigt, dass die langfristigen Zinsen steigen und nicht fallen. Dieser Kampf wird noch spannend.“
Casnik Finance/DWN: Senkt die Fed die Zinsen wirklich?
Zorman: „Die Kryptomärkte sind auf Rekordniveau, die Aktienmärkte sind auf Rekordniveau, Gold ist auf Rekordniveau, die Arbeitslosigkeit ist immer noch zu niedrig. Die Berichtssaison der US-Unternehmen war sehr gut. Nicht nur die sieben größten Unternehmen, auch die übrigen 493 haben bessere Ergebnisse signalisiert. Die Margen der US-Unternehmen sind auf Rekordniveau. Die Waren, die vor den Zöllen importiert wurden, gehen zur Neige. Neue Importe mit Zöllen werden die Preise in die Höhe treiben. Die Wirkung höherer Zölle wird sich in den kommenden sechs Monaten auf die Inflation auswirken. Sie wird nicht so hoch sein wie gedacht, aber die Preise werden steigen. Ich denke, die Fed hat keinen Grund, die Zinsen zu senken.
Es stimmt jedoch, dass die Abstimmungen in der Fed früher sehr einheitlich waren, heute gibt es schon Turbulenzen. Vielleicht stimmt jemand für eine Zinssenkung, weil er der nächste Vorsitzende der Fed werden möchte. Das wissen wir nicht, aber wir sehen Spannungen. Und es scheint, dass die Fed Trump ein wenig nachgeben und die Zinsen im September senken wird.“
Cencelj: „Der einzige Markt, der etwas unter Druck steht, ist der Immobilienmarkt. Die Zahl der Transaktionen nimmt ab, langfristige Zinsen sinken nicht, und alle, die vor fünf oder zehn Jahren Häuser gekauft haben, wollen ihre Kredite nicht zu deutlich höheren Zinsen refinanzieren. Solche Transaktionen finden nicht statt, und wenn, dann zu drastisch niedrigeren Preisen. Warum also die kurzfristigen Zinsen senken, wenn das Problem bei den langfristigen liegt? Weil man die Anleger motivieren will, längerfristige Anlagen zu suchen und das kurzfristige Geld in längerfristige Papiere umzuschichten. Mit einer Zinssenkung fördert man, dass Geld aus Geldmarktfonds in Anleiheinvestments fließt. Ich persönlich wünsche mir nicht, dass die US-Notenbank die Zinsen senkt. Es scheint jedoch, dass sie es tun wird.“
Casnik Finance/DWN: Könnte die EZB aufgrund der Fed unter Druck geraten, die Zinsen zu senken? Oder erleben wir das Zinstief?
Cencelj: „In Europa sehe ich keine Motivation zur Senkung der Zinsen. Wenn wir jetzt senken – was passiert dann, wenn eine zyklische Rezession nach Europa kommt? Gehen wir wieder in den negativen Bereich, nur um die Wirtschaft zu stimulieren? Negative Zinsen sind meiner Meinung nach das Letzte, womit sich die Zentralbanken beschäftigen wollen.“
Zorman: „Wie die Situation in den nächsten drei, sechs Monaten und darüber hinaus sein wird, ist eher Spekulation. Blickt man auf Europa, zeigen alle Indikatoren, dass wir keine wesentlich höheren Zinsen erwarten können. Auch ich glaube, dass die Zentralbanken nicht mehr unter null gehen wollen. Dieser psychologische Moment war damals sehr stark. Aber auch sie sind nur Menschen und irren sich, wie schon öfter. Mal waren sie zu spät, mal zu früh.“
Casnik Finance/DWN: Wie spiegelt sich das in den Bankzinsen wider? Können sie noch weiter sinken? Ist es Zeit für eine Refinanzierung?
Cencelj: „Ich erwarte, dass sie noch etwas niedriger werden, aber wer vor einer Kreditaufnahme steht, muss nicht warten, da er bei festen Zinssätzen später immer die Möglichkeit einer Refinanzierung hat. Ich möchte betonen, dass wir in einer Zeit niedriger Zinsen einen Anstieg der Immobilienpreise erlebt haben. Als die Zinsen stiegen, hätten nach der Finanztheorie die Immobilienpreise sinken müssen – aber sie blieben hoch“, sagt Cencelj und deutet an, dass die Lösung des Wohnungsproblems durch niedrigere Zinsen nicht unbedingt leichter wird.
Zorman: „Bei den aktuellen Zinssätzen ist Refinanzierung sinnvoll. Vor allem, wenn die Szenarien eintreten, die am Markt erwartet werden – dass die Zinsen in Europa noch länger auf dem aktuellen Niveau bleiben. Wenn die Zinsen weiter fallen, kann man erneut refinanzieren. Man muss jedoch berechnen, wie viel Kredit noch offen ist, wie hoch die Kosten der Refinanzierung sind – diese unterscheiden sich je nach Bank. Dann muss man abwägen, ob bei 2,5 Prozent der richtige Zeitpunkt gekommen ist oder ob man auf noch niedrigere Sätze wartet. Hatte man ein Darlehen zu 4 Prozent, würde ich bei den derzeitigen Sätzen schon refinanzieren.“
Casnik Finance/DWN: Was ist mit Festgeld? Werden sie künftig weniger attraktiv? Und welche Alternativen gibt es zu Einlagen?
Cencelj: „Ja. Man muss aber sagen, dass sie nie besonders attraktiv waren. Die Frage ist, ob die übrigen Anlagechancen am Markt derzeit ausreichend attraktiv sind, sodass Festgeld nicht unbedingt eine schlechte Wahl ist. Die Indizes sind auf Rekordniveau.“ „Wenn wir eine Alternative zu Einlagen suchen, bietet sich die Volksanleihe als einfachste Antwort an. Bessere Rendite und geringeres Risiko. Dann gibt es noch Staats- oder Unternehmensanleihen, wo es ebenfalls Chancen gibt. Man muss sein Portfolio streuen. Was Kryptowährungen betrifft: Für mich ist das ein Spiel. Kein Cashflow, schwer zu lagern, abhängig vom Strom. Wenn ich dieses ‚Spiel‘ im Bereich Vermögensverwaltung spielen müsste, würde ich Gold den Vorzug geben.“
Casnik Finance/DWN: Und Aktien? Die Kurse sind auf Rekordniveau, Zinssenkungen kommen ihnen normalerweise zugute?
Zorman: „Der Kryptomarkt ist teuer, weil es zu viel Geld in der Welt gibt. Und das Geld wandert. Die Aktienmärkte sind überdurchschnittlich bewertet, aber sind sie wirklich teuer? Die Frage ist, was die Alternative ist. Sind Häuser in Ljubljana teuer? Alles ist teurer geworden, aber solange es keine Alternative gibt, bleibt die Situation so.
Ja, die Aktienmärkte – insbesondere die US-Märkte – sind überdurchschnittlich bewertet. Aber das wird durch die sieben größten Unternehmen verzerrt. Die übrigen 493 im S&P 500 sind im historischen Vergleich nicht teuer. Prognosen zeigen, dass dies noch zwei bis drei Jahre so weitergeht. US-Unternehmen investieren riesige Summen. Wenn dies in höherer Produktivität und besserem Leben resultiert, werden sie gewinnen. Wenn nicht, kann der Einbruch massiv sein. In der Vergangenheit haben wir Blasen gesehen – möglich, dass sich das wiederholt, auch wenn ich derzeit keine Sorge habe.“
Cencelj: „US-Zentralbanker sagen oft, dass sie datenabhängig entscheiden. Einer der wichtigen Datenpunkte sind die Kapitalmärkte. Politik niedriger Zinsen drängt Anleger in Investments mit stabilem Cashflow. Aktien kann man daher heute wie eine harte Währung betrachten – ähnlich wie die D-Mark oder den Schilling in Jugoslawien. Wenn man aus dem Dinar in harte Währung floh, um die Kaufkraft zu sichern.
Die steigenden Margen der US-Unternehmen liegen nicht nur an Produktivität, sondern auch daran, dass sie Arbeitnehmer auf deutlich niedrigerem Lohnniveau halten können. Dies wird durch höhere Kapitalmarkterträge kompensiert. Wer Kapitalerträge hat, kann sich das Steak im Gasthaus leisten. Wer nur laufende Einkommen hat, kann sich im Supermarkt kaum Grundnahrungsmittel kaufen.“
Casnik Finance/DWN: Müssen europäische Anleger bei Aktien auf den Dollar achten? Und wie wirken US-Aktien in diesem Licht?
Cencelj: „Alle Notenbanker sagen, es gibt keine Absprachen über Wechselkurse zwischen Europa, USA und Japan. Aber nach Jackson Hole kann man sagen, dass sich ein Gleichgewicht etabliert hat. Wir müssen sehen, wie die Geldpolitik auf das Euro-Dollar-Verhältnis wirkt. Aber das Ziel ist oft, zu große Volatilität zu vermeiden, weil Handel zwischen diesen Regionen besteht. Ich erwarte keine starken Schwankungen beim Euro-Dollar.“
Zorman: „Vergleicht man Europa und die USA in diesem Jahr, sind europäische Aktien viel besser. Schaut man drei Jahre zurück, sieht man die überdurchschnittliche Performance der US-Aktien bis zu den Wahlen. Als Trump gewann, strömten alle in die USA. Danach begann sich die Lücke zwischen Europa und den USA wieder zu schließen. Zwischen 2000 und 2018 waren Europa und die USA relativ gleichauf. Ab 2018 waren die Aktienmärkte recht ähnlich. Dann schuf die US-Regierung jene globalen Monopole – die sieben größten Konzerne. Das gelang Europa nicht. Der Abstand wuchs jährlich um 15 bis 20 Prozentpunkte. Mit Trumps Wahlsieg wurde die Differenz noch größer. In den letzten fünf Jahren kehrte die überdurchschnittliche Performance der US-Aktien gegenüber den europäischen zurück – etwa 10 Prozentpunkte jährlich.
Ähnlich beim Euro-Dollar-Kurs. Der Dollar war sehr stark, Trump will keinen starken Dollar. Europäische Anleger können noch mit etwas schwächerem Dollar rechnen, was ihre US-Investments beeinflusst. Ich sehe aber keine europäischen Unternehmen, die ausreichend wachsen, um die US-Konzerne einzuholen. Langfristig werden europäische Aktien keine Gewinner sein.“
Casnik Finance/DWN: Und wie soll sich unser Anleger Maks verhalten?
Cencelj: „Ich würde nach Investments innerhalb des Index suchen, die sich nicht an Inflation oder Geldmengen orientieren, sondern langfristige Geschichten für 20, 30 Jahre darstellen – unabhängig davon, was die Zentralbank heute oder morgen tut. Globale Indizes hängen stark von der Geldpolitik ab. Stehen sie auf Rekordhöhen, kann der S&P auch auf 7000 oder 7500 steigen. Die Frage ist, ob genug Energie dafür da ist. Diese Frage ist größer, als wenn er auf 3000 stünde. Einen Markt auf Rekordniveau zu kaufen, ist wenig sinnvoll.“
Zorman: „Der September ist traditionell einer der schwächeren Börsenmonate. Die Märkte sind auf Rekorden, die Spekulation nimmt zu. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass sich die positive Phase noch fortsetzen kann. Chancen gibt es immer. Am schwierigsten ist es, am Hoch klug zu handeln. Ich denke, die Aktienmärkte bleiben noch eine Weile stabil. Man muss sich aber der Risiken bewusst sein. Es ist leichter, den Tiefpunkt zu treffen als das Hoch. Wir leben in einer Welt, in der alles, was nicht Bargeld ist, weiterhin an Wert gewinnt – zum Guten oder zum Schlechten.“
Fallende Zinsen: Warum deutsche Anleger jetzt besonders aufpassen müssen
Für deutsche Anleger sind die fallenden Zinsen eine doppelte Herausforderung: Einerseits eröffnen sie Chancen bei der Refinanzierung von Immobilienkrediten, andererseits verlieren klassische Sparformen wie Festgeld und Sparkonten weiter an Attraktivität. Gleichzeitig zeigt sich, dass die großen Gewinner an den Aktienmärkten vor allem in den USA sitzen. Deutsche Investoren müssen stärker diversifizieren, US-Titel im Blick behalten und gleichzeitig das Währungsrisiko Euro-Dollar berücksichtigen. Zudem deutet sich an, dass die EZB kaum Spielraum für starke Zinssenkungen hat – was die Diskussion über Kaufkraftverlust und Vermögensschutz in Deutschland verschärft.
Fallende Zinsen sind kein Allheilmittel. Während Trump die Fed drängt und die EZB vorsichtig agiert, bleiben die Märkte auf Rekordniveau. Für Anleger in Deutschland wie auch in Europa bedeutet das: Kredite clever refinanzieren, klassische Sparformen meiden, breit gestreut investieren. Nur so lässt sich Vermögen in Zeiten fallender Zinsen erhalten.

