Chinesische Windindustrie plant Turbinenproduktion in Europa
Der chinesische Windturbinenhersteller Sany bereitet den Produktionsstart in Europa für das Jahr 2026 vor, so das slowenische Wirtschaftsportal Casnik Finance. Wie Sanys Europachef Paulo Fernando Soares gegenüber Reuers erklärte, habe das Unternehmen bereits drei mögliche Standorte identifiziert, darunter in Deutschland und Spanien. Soares war zuvor CEO des Onshore-Geschäfts von Siemens Gamesa in der Region Asien-Pazifik.
Auch der chinesische Konzern MingYang Smart Energy, ein weiterer führender Hersteller von Windturbinen, wird in Europa aktiv. Das Unternehmen hat bereits eine Vereinbarung mit dem italienischen Entwickler Renexia und dem italienischen Industrieministerium unterzeichnet, um eine Produktionsstätte in Italien aufzubauen. Das Investitionsvolumen beträgt rund 500 Millionen Euro, der genaue Standort soll in Kürze festgelegt werden.
Darüber hinaus erwägt auch der chinesische Hersteller Envision eine europäische Produktionslinie. Chinesische Produzenten verfügen bereits über Fabriken in Saudi-Arabien, Kasachstan und Oman. Nun drängen sie nach Europa.
„Ohne China kein Energieübergang in Europa“
Sany erwartet, bis Ende dieses Jahres den ersten Auftrag aus der EU zu erhalten. Zunächst sollen Turbinen aus China geliefert werden, später aus einer neuen Produktionslinie in Europa. Sany betreibt bereits Räumlichkeiten im deutschen Bedburg, wo nach eigenen Angaben sofort eine Fertigungslinie eingerichtet werden könnte.
Soares weist auf die Komplexität der europäischen Rechtslage hin: Genehmigungsverfahren seien langwierig und aufwendig. Nach seiner Einschätzung wird es Europa schwerfallen, seine ehrgeizigen Ziele beim Ausbau der erneuerbaren Energien ohne chinesische Technologie zu erreichen. „Ohne China gibt es keinen Energieübergang in Europa. Europäische Hersteller können heute keine Windturbine mehr bauen, ohne chinesische Komponenten“, sagt Soares. Die chinesischen Produzenten streben danach, zu den Hauptlieferanten Europas zu werden.
Um die europäischen Ausbauziele im Bereich der erneuerbaren Energien zu erfüllen, müssten in der EU bis 2030 jährlich mindestens 37 Gigawatt neue Windkraftleistung installiert werden. Aktuell bleibt Europa weit hinter diesem Ziel zurück: 2023 wurden in ganz Europa lediglich 16,4 Gigawatt hinzugefügt, davon 12,9 Gigawatt in den EU-27-Staaten. Laut WindEurope beträgt die gesamte installierte Windkraftkapazität in der EU derzeit 231 Gigawatt.
EU untersucht chinesische Subventionen
Die Europäische Kommission hat in diesem Jahr eine Untersuchung gegen chinesische Windturbinenhersteller eingeleitet. Der Verdacht: unzulässige staatliche Subventionen. Europäische Hersteller hatten sich beschwert, dass chinesische Konkurrenten ihre Produkte um bis zu 50 Prozent günstiger anbieten und zusätzlich zahlungsaufschiebende Finanzierungen von bis zu drei Jahren gewähren.
Die Untersuchung läuft in Spanien, Griechenland, Frankreich, Rumänien und Bulgarien. Ziel ist es festzustellen, ob chinesische Produzenten von Subventionen profitieren, die ihnen eine unfaire Marktstellung verschaffen, etwa durch staatliche Finanzierung oder verlängerte Zahlungsfristen. Die Kommission betont, es gehe nicht um Handelshemmnisse, sondern um die „Wiederherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen“ auf dem Binnenmarkt.
Laut einer Studie von Rystad Energy sind chinesische Hersteller im Durchschnitt 30 bis 40 Prozent günstiger als westliche Wettbewerber. Nach Angaben von BloombergNEF liegen die Produktionskosten chinesischer Onshore-Windanlagen 24 Prozent unter dem globalen Referenzpreis von etwa 38 US-Dollar pro Megawattstunde. BloombergNEF erwartet, dass die Stromgestehungskosten aus Windkraft innerhalb der nächsten zehn Jahre um 22 bis 26 Prozent sinken werden.
Bürokratie, Skepsis und politische Risiken bremsen Projekte
Die größten Hürden für chinesische Windprojekte in Europa sind Bürokratie sowie die Zurückhaltung europäischer Abnehmer, die Bedenken hinsichtlich Qualität, Garantien und politischer Risiken äußern. Ein weiteres entscheidendes Thema ist die Größe der geplanten Fabriken, da auch im Windsektor die Skaleneffekte über die Rentabilität entscheiden.
Zudem werden chinesische Unternehmen, selbst wenn sie Montagewerke in Europa errichten, weiterhin Schlüsselkomponenten wie Rotorblätter, Motoren, Magnete aus Seltenen Erden und Elektronik aus China importieren. Das schmälert den tatsächlichen Wert lokaler Fertigung.
Analysten erwarten daher, dass vor allem Sany und MingYang bevorzugt in Ländern mit günstigen politischen Rahmenbedingungen wie Deutschland, Spanien und Italien Fuß fassen werden. Andere Hersteller dürften ihre Windturbinen weiterhin direkt aus China exportieren.
Europas Windbranche unter Druck
Der größte Windturbinenhersteller der Welt ist das dänische Unternehmen Vestas, das etwa 20 Prozent des globalen Marktes hält. An zweiter Stelle folgt Siemens Gamesa Renewable Energy, eine Tochter von Siemens mit Hauptsitzen in Deutschland und Spanien. Dritter ist Nordex aus Deutschland, teils im Besitz der spanischen Acciona-Gruppe. Dahinter rangieren Enercon, GE Vernova (USA/Frankreich) und Senvion, heute ebenfalls Teil von Siemens Gamesa.
Europa verfügt über ein dichtes Netz an Zulieferern für Windkraftkomponenten, darunter LM Wind Power, SKF, ABB, Nexans, Leoni und Hexcel. Mit ihren deutlich niedrigeren Preisen dringen die chinesischen Hersteller aggressiv in diesen Markt ein. Neben der laufenden Subventionsuntersuchung könnte die EU auch weitere Schutzmaßnahmen einführen, ähnlich wie in der Autoindustrie. Im Gespräch sind Anforderungen an einen Mindestanteil europäischer Komponenten oder eine CO₂-basierte Subventionsvergabe für Windanlagen.
Europas grüner Wandel hängt an China
Für Deutschland, das beim Ausbau der Windenergie stark hinterherhinkt, birgt der Eintritt chinesischer Hersteller doppelte Risiken. Einerseits könnten günstige chinesische Turbinen den dringend benötigten Ausbau der Windkraft beschleunigen. Andererseits droht ähnlich wie im Solarsektor eine neue Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten. Besonders kritisch ist, dass auch bei europäischen Projekten zentrale Bauteile wie Magneten und Elektronik weiterhin aus China stammen. Damit wird die deutsche Energiewende zunehmend von Pekings Industriepolitik bestimmt.
Sprich, die chinesische Windindustrie etabliert sich als strategischer Akteur in Europa. Mit niedrigen Preisen, massiven Investitionen und technologischer Dominanz drängen Sany, MingYang und andere in eine der letzten industriellen Bastionen Europas vor. Die EU steht vor einer schwierigen Balance zwischen Klimazielen und industriepolitischer Selbstbehauptung. Der Energieübergang in Europa ist ohne China kaum noch denkbar, aber genau das könnte Europas nächste strategische Abhängigkeit werden.


